Wien – Für den Wiener Schwarzenbergplatz ist es eine ungewöhnliche Szene. Dort, wo sich normalerweise japanische Touristengruppen und Fiaker kreuzen, lief am Freitag laut der Beatles-Hit "Help!", mehrere Männer in roten Pullovern verteilten Wurst- und Schinkensemmeln. Dazwischen sind Plakate und Banner zu sehen, die Musik wird durch Pfeifen und Hupen gestört.

Renate Anderl (AK) und Christoph Neumayer (IV) zu dem Protest
DER STANDARD

Zwölf Stunden lang soll die Demonstration des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) vor den Toren der Industriellenvereinigung (IV) dauern. Genau so lang wie der von der Regierung mit 1. September per Gesetz beschlossene Zwölfstundentag. Während Arbeitgebervertreter das Gesetz als notwendige Arbeitszeitflexibilisierung empfinden, sieht der ÖGB die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer als "Besteller" der Novelle.

Die Gewerkschafter demonstrierten am Freitag gegen die 60-Stunden-Woche.
Foto: Standard

Doch so richtig ins Laufen kam die Kundgebung – zumindest am Vormittag – nicht. An die 50 Demonstranten in roten Pullover und T-Shirts mit einem durchgestrichenen Zwölfer auf der Brust versammelten sich vor dem Haus der Industrie. Der geringe Andrang liege nicht an dem schwindenden Interesse am Thema, versicherte Gewerkschaftsvertreter Willi Mernyi dem STANDARD. Vielmehr würden viele Menschen um diese Uhrzeit noch arbeiten. Tatsächlich füllte sich die Straße vor dem Haus der Industrie im Lauf des Vormittags. Betriebsräte der einzelnen Branchen erzählten auf der eigens aufgebauten Bühne von den Auswirkungen des Zwölfstundentags in ihren Wirtschaftsbereichen.

Demonstranten montieren Schilder an der Außenwand des Hauses der Industrie.
Foto: APA/Schlager

Anstehende KV-Verhandlungen

Insgesamt wurde es in den Gewerkschaften "nicht ruhiger", sagt Mernyi. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Regelung nicht ab dem 1. September umgesetzt werde, da viele Betriebe die anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen abwarten würden.

Dieser Meinung ist auch eine Frau, die mit einer Pfeife in der Hand am Rande der Veranstaltung steht: "Ich finde es unverschämt, schwer arbeitenden Menschen eine 60-Stunde-Woche vorzusetzen. Noch dazu von jenen, die keine Ahnung haben, wie schwer das ist." Die Frau, die nach eigenen Angaben in der Elektroindustrie tätig ist, will sich den ganzen Tag an der Demonstration gegen die "Augenauswischerei der Regierung" beteiligen, wo auch Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im Lauf des Nachmittages das Mikro ergriffen.

Ortswahl "wenig nachvollziehbar"

Für die IV ist die Wahl des Demonstrationsorts "wenig nachvollziehbar", sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. "Aber natürlich braucht man Adressaten." Ansonsten war von der Industriellenvereinigung – bis auf zwei Plakate mit der Aufschrift "Moderne Arbeitszeiten für modern Menschen" – kaum etwas zu sehen. Und auch die Plakate wurden am frühen Nachmittag abtransportiert – sie waren offenbar nicht genehmigt gewesen.

Am Vormittag war das Plakat der IV (links) noch am Schwarzenbergplatz zu sehen.
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"Sie haben uns gefragt, ob wir ein bisschen leiser kein könnten, weil sie eine Besprechung mit dem Wirtschaftsministerium haben", sagt Rainer Wimmer, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft, über die Interaktion mit der IV. Daran denke man jedoch nicht: "Es gilt, Widerstand gegen die Entrechtung der Arbeitnehmer zu leisten." (lauf, 12.10.2018)