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Italiens öffentliche Finanzlage würde große Sorge in Brüssel auslösen, meint EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

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Für die Regierung von Premier Giuseppe Conte ist die fristgerechte Vorlegung in Brüssel ein wichtiger Etappensieg nach wochenlangen Streitigkeiten über die Haushaltspläne.

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Rom/Brüssel – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kritisiert den Haushaltsentwurf, den die italienische Regierung Brüssel vorgelegt hat. "Wenn wir das überschießende Defizit akzeptieren würden, würden uns einige Länder mit Beschimpfungen und Beleidigungen überziehen und uns vorwerfen, zu flexibel mit Italien zu sein", sagte Juncker am Dienstag gegenüber italienischen Medien in Brüssel.

Italiens öffentliche Finanzlage würde große Sorge in Brüssel auslösen, so der EU-Kommissionspräsident. Juncker bestritt, dass es in Brüssel Vorurteile gegen die italienische Regierung gebe. "Zu behaupten, dass ich gegen Italien eingestellt bin, ist Schwachsinn und eine Lüge", meinte der Luxemburger. Ihm gehe es um die "vernünftige Anwendung" der europäischen Regeln.

Internationale Bedenken

Ungeachtet aller internationalen Bedenken hat die italienische Regierung am Montagabend noch rechtzeitig ihren Budgetplan verabschiedet. Fristgerecht bis Mitternacht wurde der Entwurf nach Brüssel geschickt. Der Ball liegt jetzt bei der EU-Kommission: Sie muss die Maßnahmen prüfen und feststellen, ob sie den EU-Regeln entsprechen. Es droht ein Tauziehen um die weitere Verschuldung Italiens.

Die Kommission hat eine Woche Zeit, um bei "besonders schwerwiegenden Verstößen" gegen die Budgetauflagen Alarm zu schlagen. Die Bedenken werden dem Land selbst mitgeteilt. Falls die EU-Kommission das Budget als nicht regelkonform einstuft, müsste sie es spätestens zwei Wochen nach der Einreichung ablehnen und eine schriftliche Begründung liefern. Die Frist läuft am 29. Oktober ab. Italien könnte dann aufgefordert werden, einen überarbeiteten Entwurf vorzulegen. Dafür hat die Regierung maximal drei Wochen Zeit.

Bis zum 20. Oktober muss der Entwurf ans italienische Parlament gehen, das bis Jahresende über das Budget abstimmen muss. Im Parlament können einige Aspekte noch geändert werden.

Enormer Schuldenstand in Italien

Die Regelkonformität festzustellen wird für die EU-Kommission nicht einfach sein. Zwar peilt Italien für 2019 ein Defizitziel von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an, was die vorgesehene Defizitgrenze von drei Prozent nicht überschreitet. Allerdings plant die Regierung aus Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung höhere Ausgaben zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Überwindung einer seit zehn Jahren anhaltenden Stagnation, die die Staatskassen schwer belasten könnten. Italien hat einen der höchsten Schuldenstände weltweit und nach Griechenland mit rund 130 Prozent des BIP die höchste Schuldenquote innerhalb der EU. Erlaubt sind nicht mehr als 60 Prozent.

Wirtschaftsminister Giovanni Tria zeigte sich überzeugt, dass die Kommission den Entwurf absegnen wird. "Wir bewegen uns im europäischen Rahmen. Wir werden Brüssel die Vorteile unserer expansiven Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums erklären. Italien wird somit wieder den Weg eines kräftigen Wirtschaftswachstums einschlagen können." Das Defizitziel von 2,4 Prozent sei "normal", sagte Tria. "Die Vorstellung, dass dieser Etat Europa sprengen könnte, ist absolut unbegründet."

Etappensieg für Conte

Für die Regierung um Premier Giuseppe Conte ist die fristgerechte Vorlage das Entwurfs ein wichtiger Etappensieg nach wochenlangen Streitigkeiten. Bei den Verhandlungen über die künftigen Ausgaben waren wiederholt Divergenzen zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung aufgetreten, die auf einen linksgerichteten und sozialorientierten Kurs drängte. Schließlich einigten sich die Parteichefs und Vizepremiers Matteo Salvini und Luigi Di Maio darauf, die im Koalitionsvertrag enthaltenen Programmpunkte durchzusetzen.

Der Haushaltsplan gilt als innovativ, kühn und kostspielig. Mit höheren Ausgaben will die Regierung nach Jahren strenger Sparpolitik das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln. Lega und Fünf-Sterne-Bewegung setzen damit ihre gesamt politische Zukunft aufs Spiel. Scheitern die Wirtschaftsmaßnahmen und gelingt es den Regierungsparteien im kommenden Jahr nicht, Italien wieder auf Wachstumskurs zu bringen, droht Italiens erstes populistisches Kabinett spätestens nach der EU-Parlamentswahl zu stürzen.

Mindestsicherung kommt

Der Entwurf sieht unter anderem die Einführung einer Mindestsicherung für Arme in Höhe von 780 Euro, ein früheres Pensionseintrittsalter und höhere Mindestpensionen, Steuererleichterungen für Selbstständige sowie mehr Investitionen vor. Banken sollen Steuervergünstigungen verlieren. 100 Millionen Euro werden für Familienpolitik lockergemacht. Damit will Italien gegen die stark sinkende Geburtenrate kämpfen. (APA, 16.10.2018)