Der Ball liegt bei der Politik: Entgegen dem restlichen Trend sind Kinder von Alleinerziehern in Österreich seit der Wirtschaftskrise stärker in die Armut gerutscht.

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Jedes siebte Kind in "reichen" Industrieländern lebt in Armut. Seit der Wirtschaftskrise vor einem Jahrzehnt hat sich in den meisten Ländern die Lage verschlechtert, wie ein aktueller Bericht der Industriestaatenorganisation OECD anlässlich des Tages der Armut am Mittwoch zeigt. Österreich aber zählt zu jenen Ländern mit stabiler Kinderarmut bei rund zehn Prozent.

Die schlechte Nachricht: Kinder von Alleinerziehern mussten in Österreich vergleichsweise hohe Verluste beim Haushaltseinkommen hinnehmen, zwischen 2007 und 2014 sind sie um knapp 14 Prozent gesunken. Das ist die drittschlechteste Entwicklung der 22 verglichenen Länder. Als Kinder in Armut gelten laut OECD alle, deren Haushaltseinkommen bei weniger als der Hälfte des landesweiten Medians liegt.

Frauen sprangen ein

Arbeitseinkommen sind der zentrale Schutz vor Armut, lautet das Fazit des Berichts. Dabei konnten die Ökonomen beobachten, dass in vielen Ländern mit stabiler Kinderarmut die Eltern füreinander eingesprungen sind. Insgesamt ging die Beschäftigung von Vätern in den Jahren nach der Wirtschaftskrise zurück; gleichzeitig stieg der Anteil von arbeitenden Müttern. Das erklärt auch, warum Alleinerzieher, wie beispielsweise in Österreich, so leicht in die Armutsfalle rutschen.

Für Österreich ergibt sich daher eine Reihe von spezifischen Empfehlungen, betont Studienautor Olivier Thévenon im Gespräch mit dem STANDARD. "Leistbare ganztägige Kinderbetreuung direkt nach der Karenz ist besonders wichtig." Allerdings zeigt sich in vielen der untersuchten Länder, dass gerade Eltern aus niedrigen Einkommensschichten am seltensten externe Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Wichtig ist laut der Studie auch, dass Arbeitsanreize für beide Eltern gleich stark im Steuer- und Sozialsystem verankert sind.

Die Auswertung für Österreich hat außerdem ergeben, dass manche soziale Transfers hierzulande nicht treffsicher genug funktionieren. "Vor allem eine gezieltere Unterstützung bei den Wohnkosten würde in Österreich die Kinderarmut effektiv senken", sagt Thévenon – ohne Mehrkosten für den Steuerzahler. Laut OECD-Berechnung würde alleine ein Fokus der vorhandenen Wohnbeihilfen auf die einkommensschwächsten Haushalte die Kinderarmutsrate um knapp drei Prozentpunkte senken.

Anders als in den meisten OECD-Ländern würde eine Umverteilung existierender Kinder- und Familienbeihilfen in Österreich kaum einen zusätzlichen Effekt auf die Kinderarmut haben. Wohlfahrtsträger verlangen hingegen von der Politik, mehr Geld in die Hand nehmen.

Grundsicherung für Kinder

Die Volkshilfe will mit einem Grundsicherungsmodell Kinderarmut "abschaffen". Demnach sollten alle in Österreich lebenden Kinder unter 18 jeden Monat 200 Euro erhalten. Kinder aus Haushalten mit weniger als 20.000 Euro jährlichem Familieneinkommen sollen zusätzlich 425 Euro bekommen. Für Einkommen darüber bis maximal 35.000 Euro jährlich ist eine Einschleifregelung vorgesehen. Die Kosten für die Umsetzung bezifferte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger bei einer Pressekonferenz in Wien am Dienstag mit rund zwei Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Der neue Familienbonus der Regierung dürfte im Jahr 2019 rund 1,5 Milliarden in Anspruch nehmen. Allerdings hat die Regierung nach öffentlichem Wirbel den Steuerbonus ergänzt, damit geringverdienende Alleinerzieher ebenfalls eine zusätzliche Leistung erhalten. Wie stark damit dem negativen Trend, den die OECD-Studie ausweist, entgegengewirkt wird, lässt sich noch nicht sagen. (slp, APA, 16.10.2018)