Bild nicht mehr verfügbar.

In den Neuen Mittelschulen (NMS) in Wien wurde im abgelaufenen Schuljahr der Großteil der Anzeigen wegen Gewaltdelikten erstattet: Von 258 Anzeigen waren es hier 138. Identifizierte Brennpunktschulen sollen ab kommendem Schuljahr mehr Geld erhalten.

Foto: Jeff Mangione / KURIER / picturedesk.com

Wien – Die Debatte über Gewalt an Wiener Schulen hat den Stadtschulrat und die Polizei auch zu einer Kooperation in Sachen Statistik zusammengeführt. Denn bisher wurden Zahlen über Anzeigen wegen Gewaltdelikten in Schulen noch nicht extra erhoben. Hintergrund ist, dass bei der Polizei keine Statistiken über diese Anzeigen geführt werden. In der Örtlichkeit "Bildungseinrichtung", die seit 2013 erfasst wird, werden nämlich neben Anzeigen in Schulen auch solche in Fahrschulen oder AMS-Lehrgängen subsumiert, wie Michael Lepuschitz, Vizepräsident der Landespolizei, ausführte.

An Wiener Schulen hat es vergangenes Schuljahr 258 Anzeigen gegeben, der Großteil hat Gewaltdelikte betroffen. Das gab Bildungsdirektor Heinrich Himmer am Montag bekannt. Er will Geld zu Brennpunktschulen umschichten.
ORF

Der Stadtschulrat ließ jetzt erstmals Zahlen nur für Schulen erheben. Im Schuljahr 2017/18 gab es 258 Anzeigen wegen Gewaltdelikten. Der überwiegende Großteil (229 Anzeigen) machte strafbare Handlungen gegen Leib und Leben aus, darunter sind Körperverletzungen zu verstehen. Zwölf Anzeigen gab es wegen strafbarer Handlungen gegen die Freiheit (wie Nötigung oder gefährliche Drohung), 17 Anzeigen wegen sexueller Belästigung oder anderen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung.

29 Anzeigen in Volksschulen

Während in den Volksschulen 29 Anzeigen erstattet wurden, waren es in den Neuen Mittelschulen (NMS) 138. In den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) wurden 37 Anzeigen verzeichnet. Die höchste Anzeigendichte gab es in den ZIS-Schulen (Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik): Bei rund 3000 Schülerinnen und Schülern waren es 30 Anzeigen.

Ob die Zahlen hoch oder niedrig sind, lässt sich mangels Vergleichbarkeit nicht sagen. Laut Lepuschitz sei die Zahl "relativ gering", es gebe aber auch noch eine Dunkelziffer. Mittelfristig rechnet er mit einer "Steigerung der Anzeigenbereitschaft": Schulen, die bisher aus unterschiedlichen Gründen auf Anzeigen verzichtet haben, könnten aufgrund der Diskussion eher dazu gebracht werden, Delikte anzuzeigen.

Zwar sollen sich alle der rund 700 Schulen in Wien mit etwa 230.000 Schülern mit dem Thema auseinandersetzen, sagt Himmer. Gewalt an Schulen sei aber nicht gleich verteilt. So werde man sich "25 Schulen näher anschauen", wie er ausführte. Aus Schutz vor den Schulen würden diese nicht öffentlich benannt.

Brennpunktschulen im Fokus

Brennpunktschulen mit hohen sozialen Herausforderungen sollen ab dem kommenden Schuljahr aber mehr Mittel erhalten: Sollte es nicht mehr Geld vom Bildungs- und Finanzministerium geben, würden vorhandene Mittel innerhalb Wiens zugunsten von Brennpunktschulen umgeschichtet, kündigt Himmer an. "Da braucht man nichts schönzureden." Wenn Wien nicht mehr Geld vom Bund für Schulen mit großen Herausforderungen nach einem Sozialindex bekomme, müsse anderen Schulen etwas weggenommen werden. Auch Schulsozialarbeiter sollen vorrangig dort eingesetzt werden. Derzeit sind nur 27 Schulsozialarbeiter fix, weitere 17 fallen nach Auslaufen von Fördermitteln des Bundes Ende des Jahres weg.

An einem runden Tisch zum Thema Gewalt an den Schulen nahmen am Dienstag neben Stadtschulrat und Polizei auch Vertreter der politischen Parteien, Religionsgemeinschaften, Pädagogischen Hochschulen, Jugendamt sowie Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter teil. Behandelt wurde dabei neben den Anzeigen auch die Zahl der ausgesprochenen Suspendierungen: 2017/18 waren es 278 Fälle, die Mehrheit der Schüler war zwischen zwölf und 15 Jahre alt. Die Maximaldauer beträgt vier Wochen, durchschnittlich wurden Schüler für zwölf Tage der Schule verwiesen.

Suspendierte müssen weiter in die Schule

Als Sofortmaßnahme wurde eine Änderung bei Suspendierungen vereinbart. So sollen Schüler künftig verpflichtet werden, trotz einer Suspendierung Lernnachweise zu erbringen und sich Lehrstoff in der Schule abzuholen.

Ein Termin mit Schulpsychologen wird verpflichtend: Bisher haben laut Himmer 90 Prozent der Schüler den Termin nicht wahrgenommen. Zudem sollen speziell geschulte Polizisten auf Aufforderung der Schule mit Betroffenen Gespräche über Konsequenzen etwaiger Anzeigen oder Vorstrafen sprechen. So solle dafür gesorgt werden, "dass sie gar nicht erst Klienten von uns werden", sagte Lepuschitz. (David Krutzler, 16.10.2018)