Manche können es sich besser richten als andere. Um wie viel Geld es bei genau dieser Sache geht, ist noch nicht klar.

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Die Idee ist eigentlich genial. Ich hole mir Steuern vom Staat, obwohl mir diese gar nicht zustehen. So ist es über Jahre in Deutschland und anderen europäischen Ländern passiert. Die Causa läuft unter dem Titel "Cum-Ex-" und "Cum-Cum-Geschäfte" und meint die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer. Das Schlupfloch, das diese Betrügereien möglich gemacht hat, wurde 2012 geschlossen. Die Aufarbeitung des Steuerskandals ist wohl noch lange nicht abgeschlossen.

Nun sind neue Details aufgetaucht. So soll Österreich von diesem Steuerbetrug stärker betroffen sein als bisher bekannt. Das berichten "News" und "Addendum". Der Schaden, der dem heimischen Fiskus durch die KESt-Rückerstattung entstanden sein soll, schätzen die beiden Medien auf 50 bis 100 Millionen Euro. Das Schadensvolumen in Europa wird von 2001 bis 2016 auf mindestens 55,2 Milliarden Euro geschätzt.

Wie das ganze funktioniert

Das Konstrukt hinter den Cum-Geschäften geht – grob vereinfacht gesagt – so: Wenn große Unternehmen Dividenden an ihre Aktionäre auszahlen, liefern sie gleichzeitig KESt an die Finanz ab. In Österreich beträgt der Steuersatz für Dividenden 27,5 Prozent. Manche Aktionäre können sich die KESt rückerstatten lassen – etwa Banken und Finanzdienstleister. Oder wenn die Anteilseigner in einem Land sitzen, das ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich hat. KESt-Mehrfachrückerstattungen sind freilich nicht legal.

Deutschen Ermittlern zufolge wurden die Aktien bei den Cum-Deals in einer Art Syndikat von Bankern, Investoren und Hedgefonds in schneller Folge hin- und hergeschoben, um den Eindruck mehrerer Aktienbesitzer zu erwecken. Die Rückerstattungen wurden unter den Beteiligten aufgeteilt. Um noch größere Gewinne zu erzielen, konnten sich etwa Pensionsfonds mit großen Mengen Aktien eindecken und nahmen dazu einen Kredit bei einer Bank auf.

Österreich als Beiwagerl

Offenbar war Österreich eine Art Beiwagerl. "Österreich ist über viele Jahre parallel zu Deutschland gelaufen", zitiert "Addendum" einen Insider, der im Cum-Ex-Geschäft tätig war. Der Staatsanwaltschaft Wien zufolge versuchten Verdächtige, das Cum-Ex-System aus Deutschland auf Österreich zu übertragen. Offizielle Zahlen Österreich betreffend gibt es nicht.

Das Finanzministerium betonte im September in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Liste Pilz, dass die Rechtslage in Österreich eine mehrfache Erstattung derselben Kapitalertragssteuer unbestrittenerweise nicht zulasse. Das Ministerium verwies darauf, dass Erstattungsfälle aufgerollt wurden. Bei Aufkommen von Betrugsverdacht seien die Auszahlungen gestoppt und Auszahlungen ungerechtfertigter Erstattungen von 38,35 Millionen Euro verhindert worden, und es sei auch in weiteren Fällen zu Aufrollungen gekommen. Bisher sei kein Schaden evident.

Ein Insider sagt zu "Addendum": "Die meisten Trader hatten den Eindruck, Österreich ist einfach verschlafen. Das waren Jäger, Tiger, blutrünstige Tiere. Für die war Österreich nicht einmal ein Frühstück."

Die Cum-Ex-Protokolle zeigen, dass die Steuerzahler in Deutschland, Dänemark, Österreich, Belgien und Norwegen geschädigt wurden. Angesichts der europäischen Dimension des Skandals fordern die deutschen Grünen ein gemeinsames Vorgehen der Behörden. "Weil es keine europäische Finanzpolizei gibt und die Regierungen bei Steuerkriminalität nicht zusammenarbeiten, ist dieser Raubzug überhaupt erst möglich geworden", so der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. (bpf, 18.10.2018)

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