SVP-Spitzenkandidat Arno Kompatscher wird wohl trotz Verlusten Landeshauptmann von Südtirol bleiben.

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Bozen – Die Südtiroler Volkspartei (SVP) hat bei der Landtagswahl erneut Verluste hinnehmen müssen. Die seit 1948 regierende Partei erreichte laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis nur noch 41,9 Prozent der Stimmen, was ein Minus von 3,8 Prozentpunkten gegenüber 2013 bedeutet. Für die Südtiroler Freiheitlichen endete die Wahl in einem Desaster, stark zulegen konnte dagegen die rechte Lega.

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Für die größte Überraschung sorgte jedoch der Bozner Unternehmer Paul Köllensperger, der mit seiner gleichnamigen Liste 15,2 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und damit den zweiten Platz erreichte. Die erst vor wenigen Monaten gegründete Bewegung des früheren Fünf-Sterne-Landtagsabgeordneten wird künftig mit sechs Mandataren im 35-köpfigen Landtag vertreten sein.

Platz drei für Lega

Am dritten Platz landete die in Rom regierende Lega von Innenminister Matteo Salvini. Sie erreichte 11,1 Prozent der Stimmen und erhält vier Landtagsmandate. "Unglaubliche Zahlen aus Südtirol", freute sich Salvini daher am Montag. Bei der zeitgleich in der angrenzenden Provinz Trentino stattfindenden Landtagswahl gewann seine ausländerfeindliche Lega nach ersten Ergebnissen die Mehrheit im Landtag.

Das Wahlergebnis im Überblick.
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Eine vernichtende Niederlage mussten dagegen die deutschsprachigen Rechtsparteien einstecken. Die Freiheitlichen verloren zwei Drittel der Stimmen. Sie stürzten von 17,9 auf 6,2 Prozent ab und verloren damit beinahe zwei Drittel ihrer Wähler. Parteiobmann Andreas Leiter Reber sprach von einem "schwarzen Tag". Parteikollegin und Landtagsabgeordnete Ulli Maier bezeichnete das Ergebnis als "Desaster". Auch die Süd-Tiroler Freiheit musste eines ihrer bisher drei Mandate einbüßen. Nach 7,2 Prozent im Jahr 2013 erreichte die Bewegung diesmal 6,0 Prozent.

Dritte Niederlage in Folge für SVP

Für die SVP war es nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 2008 und der Mandatsmehrheit vor fünf Jahren bereits die dritte Niederlage in Folge. Dennoch sprach Landeshauptmann Arno Kompatscher, der im Vorfeld die 40-Prozent-Marke als Wahlziel ausgegeben hatte, am Montag von einem "guten Ergebnis". Die Südtiroler Volkspartei habe ihre "Ausnahmestellung" als Partei der Mitte europaweit verteidigt. Die Stimmenverluste würden aber zweifelsohne "schmerzen", so Kompatscher. Hatte es 2013 mit 45,7 Prozent der Stimmen noch für 17 Mandate gereicht, kann die SVP im künftigen Landtag nur noch 15 der 35 Sitze beschicken.

In punkto Koalitionen wollten sich indes weder Kompatscher noch SVP-Chef Philipp Achammer festlegen. Man werde nun in "Orientierungsgespräche" mit anderen Parteien treten und dann die Parteigremien entscheiden lassen, mit wem es konkrete Verhandlungen geben solle. Die SVP-Spitze machte aber erneut klar, dass man mit jener Partei auf italienischer Seite kooperieren werde, die den größten Vertretungsanspruch für die Sprachgruppe geltend machen könne.

Koalition mit Lega wahrscheinlich

Am wahrscheinlichsten gilt, dass die SVP mit der Lega eine Koalition eingeht. Rein rechnerisch ginge sich auch eine Koalition mit Grünen und dem bisherigen italienischen Koalitionspartner Partito Democratico (PD) aus. Die sozialdemokratische Partei musste jedoch ebenfalls ein kräftiges Minus hinnehmen: Waren es vor fünf Jahren noch 6,7 Prozent und zwei Mandate, so kommt die Gruppierung nun nur noch auf 3,8 Prozent der Stimmen und ein Mandat. Für eine Zweier-Koalition würde es daher nicht mehr reichen. Gegenüber den Grünen als dritte im Bunde gebe es innerhalb der SVP aber große Vorbehalte, meinte der Politologe Günther Pallaver am Montag.

Die Grünen verloren bei der Wahl am Sonntag 1,9 Prozentpunkte, konnten aber mit 6,8 Prozent der Stimmen ihre drei Mandate im Landtag halten. Den Einzug geschafft haben mit jeweils einem Mandat auch die Fünf-Sterne-Bewegung (2,4 Prozent) und die Gruppierung L'Alto Adige nel cuore Fratelli D'Italia uniti (1,7 Prozent).

Zusammenarbeit mit Köllensperger keine Option

Eine Zusammenarbeit mit dem Team Köllensperger kommt deshalb nicht in Frage, weil die Liste nur deutschsprachige Kandidaten in den Landtag schickt. Wegen des ethnischen Proporzes muss es aber ein italienisches Mitglied in der Landesregierung geben.

Paul Köllensperger schaffte mit seiner neuen Liste auf Anhieb 15,2 Prozent.
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Die Reaktionen in Österreich auf die Wahl hielten sich zunächst in Grenzen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) reiste am Montag persönlich als erster Gratulant zu seinem Südtiroler Amtskollegen. Er deutete das Ergebnis als Bestätigung des proeuropäischen Kurses der SVP. In Wien äußerte sich von der ÖVP zunächst nur Südtirol-Sprecher Hermann Gahr. Trotz der Stimmenverluste der SVP sah er "die bürgerlichen Kräfte in Südtirol" gestärkt und einen "klaren Auftrag" an Landeshauptmann Kompatscher, "nun eine stabile Regierung der positiven Kräfte zu bilden". Dabei müsse klar sein, "die Zukunft liegt in der Europaregion Tirol mit einem klaren Bekenntnis zur EU", so Gahr offenbar mit Blick auf die Lega.

FPÖ sieht "herbe Niederlage" für Schwesterpartei

Während die FPÖ enttäuscht reagierte, freute sich die SPÖ über die klare Wahlniederlage der Freiheitlichen und der Süd-Tiroler Freiheit. FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer sprach von einer "herben Niederlage" für die Schwesterpartei in Südtirol, kritisierte die innerparteilichen Streitigkeiten bei den Freiheitlichen und forderte einen Neustart.

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ, Andreas Schieder, sah in der Wahlniederlage der deutschen Rechtsparteien "nicht nur ein Votum gegen Rechtsparteien, sondern auch eine Absage an die unverantwortliche Doppelpass-Politik, die die FPÖ nach Südtirol hineintragen wollte". Es sei erfreulich, dass die proeuropäischen Kräfte in Südtirol gestärkt wurden.

Das Thema Doppelpass sei bei der Wahl schlicht nicht relevant gewesen, analysierte der Politologe Pallaver. Auch die Besuche österreichischer Regierungspolitiker hätten überhaupt keinen Einfluss auf die Wahl gehabt, meinte der Politikwissenschafter von der Universität Innsbruck, der davon ausgeht, dass das österreichische Doppelpass-Vorhaben nun "einschlafen" werde. "Wenn es aus Südtirol kein Interesse gibt, warum sollte Österreich dann einen Streit mit Italien riskieren?", fragte Pallaver. (red, APA, 22.10.2018)