Birgit Hebein in ihrem Grätzel in Rudolfsheim-Fünfhaus.

Foto: Standard/Cremer

Die Sozialpolitikerin will die Koalition in Wien fortsetzen, auch als Gegenpol zu Türkis-Blau im Bund. Teil drei der grünen Kandidatenporträts.

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Es ist fast ein bisschen klischeehaft, aber Birgit Hebein, die sich um die Spitzenkandidatur bei den Wiener Grünen beworben hat, fährt tatsächlich jeden Tag mit dem Fahrrad – bei jedem Wetter. Im Winter montiert die 51-Jährige Spikes, um auf mit Schnee bedeckter Fahrbahn sicher zum Rathaus zu gelangen. Das nämlich ist Hebeins Arbeitsstätte. Seit 2010 ist sie Sozialsprecherin der Wiener Grünen.

Grüne Wien

Schon viel länger, seit 20 Jahren, lebt die Sozialarbeiterin im 15. Bezirk, in Rudolfsheim-Fünfhaus ("einer der ärmsten Bezirke, für mich der schönste"). Den Schwendermarkt an der Äußeren Mariahilfer Straße gibt sie als Treffpunkt vor. Anhand dieses Ortes ließen sich ihre politischen Forderungen gut erklären, so Hebein.

Kein "grünes Bobothema"

"So etwas ist ein Hitzepol", deutet sie in Richtung eines mit Asphalt zubetonierten Platzes. "Das ist eine ärmere Gegend. Die Menschen sind viel mehr auf den öffentlichen Raum angewiesen, weil sie sich auch in Zukunft keine Klimaanlage leisten werden können." Ihre Forderung: Beschattungen installieren und Böden entsiegeln. "Das bringt Lebensqualität. Jetzt, wo der Wirtschaftsaufschwung da ist, haben wir mehr Möglichkeiten, das Gemeinwohl zu fördern."

Seit diesem Sommer sei allen klar, dass der Klimaschutz kein "grünes Bobothema" sei, "das betrifft alle". Hebeins Ansatz: Man müsse den Klimaschutz auch mit der sozialen Frage verknüpfen. "Wenn es im Kleinen funktioniert, dann geht es auch im Großen." Zusätzliche Steuermechanismen würden helfen: "Die Stadt Wien vergibt 2,36 Milliarden an Investitionen im Jahr. Die sollte man stärker an soziale und ökologische Kriterien knüpfen."

Dass die Sozialpolitikerin gemeinsam mit vier weiteren Personen um die Spitzenkandidatur der Stadt-Grünen bei der Wahl 2020 rittert, "stand nie auf meiner Lebensplan-To-do-Liste", erzählt sie. Jeden Tag wüsste sie jedoch mehr, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei.

Kein Obdachloser erfriert

Wien könne bereits sehr stolz sein auf das, was erreicht wurde, stellt Hebein fest. "Ich gehe im Winter durch die Straßen und denke mir: Wow, ich lebe in einer Stadt, in der im Winter kein Obdachloser erfriert." Das Projekt Rot-Grün will sie fortführen – auch, wenn es immer wieder Meinungsverschiedenheiten geben wird. Hebein war zum Beispiel eine große Kritikerin des Alkoholverbots am Praterstern. Statt auf Verdrängungseffekte zu setzen, spricht sie sich für eine bessere medizinische und sozialarbeiterische Versorgung vor Ort aus.

Als Erfolg bezeichnet Hebein die Verhandlungen zur Mindestsicherung. Sie sei dabei so vorgegangen, wie sie sich das auch in Zukunft vorstelle: "Wir stehen erst vom Verhandlungstisch auf, wenn es ein gutes Ergebnis gibt."

Wir? Hebein gibt an, nicht als Einzelkämpferin zu kandidieren. "Ich trete mit einem Team an." Darunter "ganz Linke bis Bürgerliche, Ärzte, Rechtsanwälte, Antifaschistinnen". Von Jung bis Alt, das Team sei sehr vielfältig. "Wir lieben uns nicht alle, müssen wir auch nicht." Es gebe ein gemeinsames Dach – "wir verbinden Soziales mit Ökologie". Ein Leitsatz, den Hebein im Gespräch zum wiederholten Mal fallen lässt.

Ein zweiter solcher Satz ist: "Empathie muss man sich auch erst leisten können." Damit meint die Politikern, dass man für gewisse Grundvoraussetzungen Sorge zu tragen habe: "Erst wenn Menschen zufrieden mit Wohnung und Arbeitsplatz sind, können sie sich am demokratiepolitischen Diskurs beteiligen." Sie ist überzeugt: "Wir schaffen es wieder, die Menschen für die grüne Idee zu begeistern. Trotz aller Krisen der Partei." Fördern will sie Menschen, die Ideen haben, die Stadt zu verändern: "Hier sollten wir unbürokratische Ressourcen zur Verfügung stellen."

Grundsicherung für Kinder

Bei der Mindestsicherung denkt Hebein darüber nach, neue Wege zu gehen. Sie komme "aus der Schmuddelecke nicht heraus". Hebein schlägt daher eine Grundsicherung für alle Kinder vor: "Je mehr Menschen von einem sozialen System profitieren, desto mehr Akzeptanz gibt es." Ob Hebein als Spitzenkandidatin breite Zustimmung finden wird, entscheidet sich ab 8. November, wenn die Briefwahl beginnt. 1850 Wiener ließen sich – zusätzlich zur grünen Basis – registrieren. Am 26. November wird ausgezählt.

Der STANDARD trifft alle fünf Kandidaten an einem jeweils von ihnen ausgewählten Platz, um über ihre wichtigsten Forderungen zu sprechen. (Rosa Winkler-Hermaden, 22.10.2018)