Wasser aus Plastikflaschen: Beim Aufdrehen der Flasche oder bei starken Temperaturschwankungen gehen Mikropartikel in die Flüssigkeit über und werden vom Menschen getrunken. Welche Folgen das langfristig auf den Organsimus haben könnte, muss weiter untersucht werden.

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Wien – Mitunter dauert es eine Zeit, bis es Beweise für Vermutungen gibt, die irgendwie augenscheinlich waren. Am europäischen Gastroenterologenkongress UEG, der dieser Tage in Wien stattfindet, konnten Wissenschafter der Med-Uni Wien einen Studienerfolg verbuchen. Erstmals haben sie zusammen mit Forschern des Umweltbundesamts nachgewiesen, dass Mikroplastik im menschlichen Darm angekommen und im Stuhl nachweisbar ist.

Was simpel klingt, ist ein aufwendiges Verfahren, an dem das Umweltbundesamt seit 2014 arbeitet. "Wir konnten unsere Untersuchungsmethoden zum Aufspüren von neun unterschiedlichen Arten von Plastik so verfeinern, dass der Nachweis überhaupt möglich wurde", sagt Bettina Liebmann und meint damit die Infrarot-Massenspektrografie. "Mikroplastik ist definitiv ein neuer Umweltschadstoff", so Liebmann.

"Wir haben einen Anfang gemacht. Welche Auswirkungen dieses Ergebnis auf die Gesundheit hat, werden Folgestudien zeigen", ergänzt Studienleiter Philipp Schwabl von der Med-Uni Wien.

Die Studie im Detail

Die Probanden der Untersuchung, fünf Frauen und drei Männer im Alter von 33 bis 65 Jahren, leben in Finnland, den Niederlanden, Großbritannien, Italien, Polen, Russland, Japan und Österreich. Sie führten eine Woche lang ein Ernährungstagebuch und gaben eine Stuhlprobe ab. Alle Studienteilnehmer konsumierten in Plastik verpackte Lebensmittel oder Getränke aus PET-Flaschen, die Mehrzahl von ihnen verzehrte Fisch beziehungsweise Meeresfrüchte, niemand ernährte sich ausschließlich vegetarisch.

Die Experten des Umweltbundesamts analysierten im Labor den Stuhl der Probanden hinsichtlich neun der weltweit meistverbreiteten Kunststoffe. Bei allen acht Personen wurde Mikroplastik im Stuhl entdeckt, im Mittel 20 Mikroplastikteilchen pro zehn Gramm Stuhl. "In unserem Labor konnten wir neun verschiedene Kunststoffarten in der Größe von 50 bis 500 Mikrometer nachweisen", präzisiert Liebmann. Am häufigsten fanden sich Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET) in den Proben.

Plastik ist omnipräsent, die Wachstumsraten der Weltplastikproduktion seit 70 Jahren kontinuierlich steigend. Wurden im Jahre 1950 1,5 Megatonnen Plastik produziert, waren es 2015 bereits über 400 Megatonnen. Dass Mikroplastik im Ozean über die Meeresfrüchte in die Nahrungskette kommt, ist erwiesen. "Vor allem mit Meerestieren, deren Darm wir auch essen", so Liebmann. Konkret sind es Muscheln, Garnelen und Shrimps, aber auch in Meersalz und im Thunfisch findet man Mikroplastik.

Aus der Verpackung

Mikroplastik kommt aber auch auf anderen Wegen in die Nahrungskette. "Plastik ist bei der Ernte, bei der Produktion und Verarbeitung omnipräsent", so Liebmann. Es sei schwer, einen Nachweis zu erbringen, wo genau die kleinen Plastikpartikel in die Lebensmittel kommen. In Studien, so Liebmann, ist allerdings eindeutig belegt, dass beim Aufschrauben von PET-Flaschen Abrieb von Plastikdeckeln ins Trinkwasser kommt. Und an Schneidebrettern aus Plastik könne man an den Rillen, die durch das Schneiden entstehen, eindeutig beobachten, wie man selbst Plastik in die Nahrung schneidet.

Ob die Expertin Mikroplastik im Essen als besorgniserregend einstuft? "Das Ergebnis unserer Studie fand ich in seiner Eindeutigkeit überraschend, besorgniserregend würde ich es nicht nennen," denn an sich ist Plastik ein inertes Material, reagiert also nicht. Sie selbst, so Liebmann, versucht Plastik zu vermeiden. Sie kauft, soweit es geht, unverpackte Produkte, hat ihren eigenen Stoffbeutel mit und trinkt aus der Aluminiumflasche.

Wichtig, so Schwabl, seien nun Folgestudien, die die gesundheitlichen Auswirkungen und das Ausmaß der Mikroplastikverbreitung näher untersuchen. Dass Plastik im Stuhl zu finden ist, könnte auch ein gutes Zeichen sein. Sprich: Der Körper filtert es aus der Nahrung und entsorgt den Stoff. Ob sich Mikroplastik auch im Blut, in der Lymphflüssigkeit oder sogar in der Leber ablagert, muss noch untersucht werden. (pok, 23.10.2018)