So kann der Eurofighter noch drei Jahre lang fliegen – dann braucht er entweder eine Nachrüstung oder einen Nachfolger.

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Gleich vorweg einmal, was sicher nicht passieren wird: Österreich wird den Tarnkappen-Jagdbomber F-35 von Lockheed Martin nicht in Betracht ziehen, wenn es um die Zukunft der Luftraumüberwachung, kurz LRÜ, geht.

Es macht dennoch Sinn, sich die Dimensionen dieses mit über 400 Milliarden US-Dollar teuersten Rüstungsprogramms der Welt kurz vor Augen zu führen, wenn man die bescheidene Größenordnung des seit Jahren in der Schwebe befindlichen heimischen Projekts richtig einschätzen will: 138 Stück der auch als Joint Strike Fighter bekannten Flugzeuge hat Großbritanniens Royal Air Force bestellt, die das Fluggerät zusätzlich zum Eurofighter betreiben wird; ähnlich sehen die Planungen der Eurofighter-Nation Italien aus, die ebenfalls 90 F-35 geordert hat – wobei die aktuelle Regierung da etwas kürzer treten will. Dazu kommen 100 Stück für die Türkei (die dafür zwölf Milliarden Dollar an Gegengeschäften lukriert hat) – wobei die Verärgerung der Regierung Trump über die türkische Beschaffung russischer S-400-Luftabwehrsysteme dazu führen kann, dass der Deal noch platzt. Weiters in den Büchern: 37 Stück für die Niederlande, 52 für Norwegen und 27 für Dänemark. Auch Japan, Israel und Südkorea sind an Bord.

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Was für den F-35 spricht: ein echtes Kampfflugzeug mit geringer Radarsignatur ("Tarnkappe"), in der Nato weitverbreitet. Was gegen ihn spricht: fast alles. Hoher Preis, geringe Reichweite, wenig Bewaffnung – und "überqualifiziert" für Luftraumüberwachung in Österreich.
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Stückpreis: von 90 Millionen Dollar (78 Millionen Euro) aufwärts, je nachdem, wie viel man für Logistik und Support einrechnet und wie man das Ding bewaffnen und einsetzen will.

Hierzulande bäckt man bekanntlich kleinere Brötchen: 15 Eurofighter der ersten Tranche wurden seit 2007 an Österreich geliefert, nach zehn Betriebsjahren ist das System gut eingespielt. Diese zehn Jahre gelten international als der Zeitraum, den man für so eine Systemeinführung braucht, was in der österreichischen Diskussion aber oft ignoriert wird. Wenig Beachtung in der Öffentlichkeit finden auch die Feinheiten des möglichen Einsatzspektrums. So wird häufig behauptet, der Eurofighter könne bei Nacht nicht fliegen, weil er quasi "blind" sei.

Wahr ist vielmehr, dass die Flugzeuge und ihr Bordradar zwar bei Tag und Nacht und jeder Witterung flugtauglich sind – dass sie aber die primäre Aufgabe der Identifizierung nachts nicht leisten können, weil man im sogenannten Darabos-Deal des damaligen Verteidigungsministers Norbert Darabos (SPÖ) unter anderem die dafür notwendigen Infrarot-Komponenten eingespart hat. Um den Eurofighter nach dem Jahr 2022 weiterbetreiben zu können, müsse man zunächst gut 300 Millionen Euro ausgeben, um Obsoleszenzen zu beseitigen. Mit der Nachrüstung von Selbstschutz, Abstandslenkwaffen und Nachtidentifikation würde man auf etwa eine Milliarde zusätzlicher Kosten kommen, und die (pro Stunde sehr intransparent berechneten) Betriebskosten kämen noch obendrauf.

Was für den Eurofighter spricht: Er ist bereits eingeführt, man weiß, womit man arbeitet und was man nachrüsten muss. Was gegen ihn spricht: Das Verteidigungsministerium hat einen Rechtsstreit mit dem Hersteller Airbus begonnen, auch politisch wurde viel Vertrauen verspielt.
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Offen bleibt, woher die überall national aufzubauenden Bedrohungsbibliotheken kommen sollen, die Flugzeugtypen erkennen beziehungsweise anzeigen können, ergänzt Georg Mader, Luftfahrtexperte des Fachmagazins "Jane's Defence".

Daher wird nach Alternativen gesucht. An den F-35 wagt, wie gesagt, niemand zu denken.

In Österreich denkt man gern an etwas Billiges, und das hatte über Jahre den Namen Saab. Die Schweden hatten Österreich in den 60er-Jahren 30 Stück der J-29 Tunnan ("Fliegende Tonne"), danach 40 Saab-105OE-Trainingsflugzeuge und ab 1987 eine Staffel von 24 Stück des J-35 Draken geliefert. Letztere sollte "eine Übergangslösung für zehn Jahre" darstellen, man hätte also noch in den 1980er-Jahren eine definitive Lösung suchen müssen. Die Militärs haben damals darauf gedrängt, die SPÖ-geführten Regierungen von Franz Vranitzky und Viktor Klima haben aber wenig Entscheidungsfreude gezeigt. Es dauerte aber 15 Jahre bis zur Typenentscheidung über ein Nachfolgemodell.

2002 war Gripen zu teuer

Bis in den Sommer 2002 galt als sicher, dass Saabs JAS-39 Gripen das Rennen machen würde – weil dieses Flugzeug aber kaum billiger angeboten wurde als der wesentlich leistungsfähigere und auch neuere Eurofighter, fiel es durch. Inzwischen aber haben die Schweden ihre Fühler wieder nach Österreich ausgestreckt und ein Büro in Wien eröffnet. Von Saab wurde im Mai 2017 eine – unverbindliche – Anfrage des österreichischen Verteidigungsministeriums behandelt, 18, wie versichert wird: neu gebaute Gripen C/D (wobei das D für Zweisitzer steht) sollten rund 2,5 Milliarden Euro kosten. Verbindlich fragen will das Ministerium nicht, es wäre sonst rechtlich gebunden.

Daher arbeitete man sozusagen mit "Katalogpreisen" – was die Abschätzung möglicher Kosten deutlich erschwert: Wieder weiß man nicht, was etwa an Ersatzteilen und Ausstattung im Grundpreis enthalten ist und wie viel eine Flugstunde tatsächlich kosten würde, wenn man alle vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungsarbeiten einrechnet. Denn manche Ersatzteile müssen nach einer gewissen Zeit (beispielsweise einem halben Jahr) ausgetauscht werden – ganz egal, wie oft das Flugzeug in dieser Periode geflogen worden ist.

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Was für den JAS-39 Gripen spricht: jahrzehntelange Kooperation mit Schweden, große Sympathien für Schweden in SPÖ und FPÖ. Was gegen ihn spricht: für ein Kampfflugzeug relativ schwach motorisiert und ausgerüstet. Wurde schon einmal ausgeschieden, weil er verglichen mit dem Eurofighter zu teuer angeboten wurde.
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Der Gripen wird derzeit von Tschechien und Ungarn (jeweils 14 geleaste Maschinen), von Brasilien, Südafrika und Thailand sowie von der Herstellernation Schweden geflogen.

Eine generelle Überlegung für Weiterbetrieb oder einen Umstieg geht dahin, dass man mit einem Einflottenkonzept durchkommen könnte – dass also der Gripen (oder die F-16 oder der weiter betriebene Eurofighter) nicht nur als Luftraumüberwachungsflugzeug, sondern auch für die Ausbildung eingesetzt werden könnte. Das würde aber andererseits bedeuten, dass das Überschallflugzeug mit relativ hohen Kosten stundenmäßig viel mehr im Einsatz wäre als derzeit der Eurofighter mit um die 1.100 Flottenstunden pro Jahr.

Da aber das restliche Bundesheer und die gezielt teilinformierte politische Öffentlichkeit über die hohen Flugstundenkosten klagen, kommt es allein aus Kostengründen kaum infrage, dass der Eurofighter (von dem Österreich derzeit auch keine für Schulung nutzbare zweisitzige Variante besitzt) für eine Einflottenlösung eingesetzt wird.

Bleibt man hingegen bei einem moderat um die vermeintlichen "Einsparungen" von 2007 – welche die heutigen Nöte eigentlich auslösten – ergänzten Eurofighter und dessen bisherigen Stunden, müsste man folglich einen Ersatz für die altersschwachen Saab-105OE beschaffen, von denen zwölf heute immer noch etwa 30 bis 40 Prozent der LRÜ-Flüge schultern. Aber diese Flugzeuge sind am Ende ihres Life-Cycle angekommen, ihr Ablaufdatum lautet nach derzeitigem Stand 1. Jänner 2021.

Nach Meinung des Militärluftfahrtexperten Mader von "Jane's Defence", würde das auch bei einem Umstieg auf den Gripen- oder die F-16 Sinn ergeben, liegt doch ein moderner Jet-Trainer, den es bald auch mit Radar gibt, mit seinen Betriebskosten zwischen einem Achtel und einem Fünftel einer Eurofighter-Stunde. Herumrechnen könne man freilich auch bei diesen Angaben, denn wieder ist nicht ganz klar, was man in die Kosten einer Flugstunde alles einrechnen muss – und wie viele Stunden in ein jeweiliges Wartungsintervall fallen.

Hier kommen im wesentlichen drei Jet-Trainer-Modelle in Betracht: Die britische Royal Air Force hat mit BAE Systems das Programm Tytan aufgelegt, das eine beträchtliche Kostensenkung des auch in Großbritannien bis 2030 eingesetzten Eurofighter Typhoon der Tranche 1 in Kombination mit dem Trainingsflugzeug Hawk vorsieht. Italien bietet – möglicherweise ebenfalls in Kombination mit einer Eurofighter-Logistik-Kooperation der italienischen Luftwaffe – die von Leonardo produzierte Trainingsmaschine M-346 an, den modernsten und schubstärksten der drei Anwärter. Sie fliegt in Polen, Italien, Israel und Singapur.

Und aus Tschechien wird die neu entwickelte L-39NG von Aero Vodochody angeboten, die die mit rund 740 km/h allerdings zu langsam ist, um das angesprochene Teil-Anforderungsspektrum der LRÜ wirklich abzudecken.

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Was für die F-16 spricht: seit über 40 Jahren in weltweit 25 Luftwaffen eingeführt, ständig weiterentwickelt. Direktes Government-to-Government-Geschäft. Was gegen sie spricht: das schlechte Image der Weltmacht USA im neutralen Österreich. Wenig gemeinsame Erfahrungen in der Militärluftfahrt.
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Wieder im Rennen ist übrigens auch die US-amerikanische F-16 von Lockheed Martin: Deren "Block 70/72" wird für Bahrain auf den neusten Stand der Kampfflugzeugtechnik ausgerüstet – und auch in Europa hat der Hersteller mit älteren Varianten in Kroatien und Rumänien (je zwölf), der Slowakei (14) und Polen (48) Marktanteile erobert.

Seitens des BMLV hat man über das Pentagon bei Lockheed-Martin jene "neue" F-16 abgefragt, angeblich soll das üppige US-Paket preislich durchaus positiv überrascht haben. Alle genannten Maschinen sind übrigens Mehrzweckflugzeuge. Ein reines Luftpolizei-Flugzeug, wie es sich manche Politiker vorstellen, oder den "klassischen" Abfangjäger gibt es längst nicht mehr. Aber das war schon im Jahr 2002 so, als sich Österreich für den Eurofighter entschieden hat, um dann zu erkennen, dass dieses Flugzeug eigentlich viel mehr kann, als nur im Friedensbetrieb Flugzeuge zu identifizieren, die von der Luftraumüberwachungszentrale als verdächtig eingestuft werden. (Conrad Seidl, 23.10.2018)