Vor eineinhalb Jahren brachte US-Präsident Donald Trump nach seinem Treffen mit König Salman in Riad einen Multi-Milliarden-Waffendeal nach Hause. Die Beziehungen sind heute massiv belastet.

Foto: Imago / Zuma Press / Shealah Craighead

Das vorsichtig aufgebaute Image von Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hat in der Affäre um den Mord an Jamal Khashoggi massive Kratzer erlitten. Nun könnte es gar eine direkte Verbindung geben, melden türkische Medien.

Foto: APA / AFP / Fayez Nureldine

Tayyip Erdoğan sucht die große Bühne. Seit zwei Tagen kündigt der türkische Präsident über ihm nahestehende Medien, Sprecher und zuletzt auch persönlich an, am Dienstag wollte er weitere Details zum Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi enthüllen. Schon im Vorfeld haben türkische Medien am Montag und Dienstag eine Reihe von angeblichen Erkenntnissen präsentiert, die nahelegen, dass es für die saudi-arabische Führung und auch Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) persönlich bald noch enger werden könnte.

Statt mit dem Teilgeständnis die Wogen zu glätten, musste sich Saudi-Arabien jedenfalls zuletzt gegen neue Vorwürfe verteidigen. Denn dass der Journalist Anfang Oktober bei seinem Besuch im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul bei einer Schlägerei gestorben oder, wie es später hieß, erstickt sein soll, wird Riad im besten Fall nicht geglaubt.

Heikles Telefonat

Für die Türkei, regionalpolitischer Rivale der Saudis und selbst im Umgang mit Journalisten nicht zimperlich, ist die Sache jedenfalls ein gefundenes Fressen: Die islamistische türkische Zeitung "Yeni Şafak", die der Regierung nahesteht, schrieb, der Geheimdienst habe herausgefunden, dass ein Ex-Leibwächter MbS' von Ankara aus viermal mit dem Büro des Kronprinzen und einmal mit jenem seines Bruders telefoniert habe. MbS' Bruder Khaled bin Salman ist Botschafter in den USA. Zumindest einer dieser Anrufe, angeblich via Skype, soll nach dem Mord stattgefunden haben.

Türkische Ermittler luden 30 Konsulatsarbeiter vor, um zu den Mordermittlungen auszusagen. Schon am Vortag verbreiteten regierungstreue Medien unter anderem Videos, auf denen zu sehen ist, wie saudische Beamte nach dem Mord Papiere verbrennen.

Ein von der Türkei gefundenes Auto des Konsulats konnte vorerst nicht untersucht werden, weil es der diplomatischen Immunität unterliegt und von Saudi-Arabien keine Freigabe dafür zu erhalten war. Am Dienstagmorgen kündigte zudem CIA-Chefin Gina Haspel an, nach Ankara zu reisen, um Beweise zu sichten.

Absagen und Besuche

Schon am Vortag hatten regierungsnahe Kolumnisten in Ankara angedeutet, dass die Türkei Indizien für eine direkte Mordverstrickung MbS' habe. Auch wirtschaftlich gibt es für die Saudis einen Rückschlag: Siemens-Chef Joe Kaeser kündigte nach langem Zögern am Montag an, nicht an der saudi-arabischen "Future Investment Conference" in dieser Woche teilzunehmen.

Abgesagt hatte eigentlich auch US-Finanzminister Steven Mnuchin, der dann allerdings medial unangekündigt am Montagabend zu einem Besuch bei MbS auftauchte. Ein Telefonat des Kronprinzen soll es zudem mit Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner gegeben haben. Dieser sagte, er habe dem Kronprinzen "volle Transparenz" empfohlen.

Türkische Medien präsentierten am Montagabend Videoaufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie Konsulatsmitarbeiter am Tag nach dem Verschwinden Jamal Khashoggis Dokumente verbrennen.

Aus Riad gab es derweil einen Schwall neuer Erklärungsversuche und Drohungen, die den Eindruck hektischen Krisenmanagements vermittelten: So meldete sich der saudi-arabische Ölminister Khalid al-Falih in einem Interview mit der russischen Agentur Tass zu Wort und teilte mit, niemand in Riad habe die Absicht, Ölfördermengen zu drosseln oder den Rohstoff "als politische Waffe zu nutzen". Ähnlich, aber deutlicher hatte die Drohung ein ungenannter saudischer Beamter vor einer Woche formuliert: Das Ausland solle bei einer Reaktion auf den Mord "die bedeutende Rolle des Königreichs in der Weltwirtschaft" bedenken.

Kurz zuvor hatte Außenminister Adel al-Jubeir in einem Interview mit Fox News eine neue Version zum Mord an Khashoggi präsentiert: Es habe sich um eine "nichtautorisierte" Aktion gehandelt, über die Kronprinz MbS nicht informiert gewesen sei. Die Täter hätten "den Fehler gemacht, Khashoggi im Konsulat zu töten", man werde sie dafür bestrafen.

Erklärt: Wer ist Saudi-Arabiens Kronprinz "MbS"?
DER STANDARD

Saudi in Kleidern des Toten

Daran, dass das so stimmen kann, gibt es erhebliche Zweifel. Türkische Ermittler gehen davon aus, dass Khashoggi von einem eigens dafür angereisten 15-köpfigen Einsatzkommando im Konsulat gefoltert, ermordet und zerstückelt wurde. Die "Washington Post" und CNN berichteten von Videoaufnahmen, die einen der Verdächtigen nach dem Mord in jener Kleidung zeigen, die Khashoggi vor seinem Verschwinden getragen hatte.

Ein saudischer Konsulatsmitarbeiter wurde nach dem Verschwinden Jamal Khashoggis in dessen Kleidung gefilmt.

US-Präsident Donald Trump, der die Saudi-Araber mit Verweis auf Rüstungsdeals im Wert von 450 Milliarden Dollar bisher verteidigt hatte, sprach am Montag von "Lügen" Riads. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sagte am Abend, bis zur Klärung der Vorwürfe werde Deutschland keine Waffen an das Land liefern. (Manuel Escher, Gianluca Wallisch, 23.10.2018)