Es ist gerade einmal 40 Jahre her, dass im Naturhistorischen Museum Wien der sogenannte Rassensaal eröffnet wurde. Die Schau begann beim Schädel eines steinzeitlichen Tasmaniers, führte über Schädel von Asiaten und Afrikanern bis zum "Endpunkt der Menschheit": einem "nordiden" Schweden, der noch dazu in Anzug und Krawatte abgebildet war, um auch auf diese Weise die Überlegenheit eines "nordischen Idealtypus" zum Ausdruck zu bringen. Nach heftiger Kritik an der "eindeutigen Veranschaulichung Nazi-ähnlicher Rassenforschung" (so ein Leserbrief im Fachmagazin Nature ) wurde der "Rassensaal" 1997 geschlossen.

Heute weiß die Humangenetik, die damals schon zur Kritik an der rassistischen Schau herangezogen wurde und aktuell zu den spannendsten Forschungsfeldern zählt, unendlich viel mehr über menschliche Populationen, ihre Migrationen und ihre DNA-Variationen. So konnte man unter anderem zeigen, dass es sehr viel mehr genetische Variationen innerhalb der ohnehin nicht klar abzugrenzenden Populationen gibt als zwischen diesen, weshalb die Fachvertreter das Konzept "Rasse" als wissenschaftliches Konzept kategorisch ablehnen. Migration und Vermischung gehören buchstäblich zur DNA des Menschen, und "Rasse" ist deshalb nicht mehr als ein soziales Konstrukt.

Eine am Freitag von US-Humangenetikern veröffentlichte Erklärung wurde noch konkreter und verurteilte alle Versuche, genetische Erkenntnisse mit "rassischer Überlegenheit" in Verbindung zu bringen. Fraglich ist allerdings, ob solche Erklärungen ausreichen. Denn die erstarkende extremistische Rechte nicht nur in den USA beruft sich längst wieder auf selektiv ausgewählte und falsch interpretierte Forschungsergebnisse, um angebliche "Rassenunterschiede" zu proklamieren und – so wie im "Rassensaal" – einer Vorherrschaft der "Weißen" das Wort zu reden.

Angesichts solcher rassistischer Fehlinterpretationen kommt den Fachvertretern der Human- und Populationsgenetik eine besondere öffentliche Verantwortung zu, die neuen Erkenntnisse möglichst unmissverständlich aufzubereiten und die öffentliche Diskussion nicht zu scheuen. Wenn man die Geschichte des eigenen Fachs bedenkt, sollte das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein: Denn es war die Rassenbiologie samt ihrer rassistischen "Erkenntnisse", die im 20. Jahrhundert in letzter Konsequenz zum millionenfachen Mord angeleitet hat. (Klaus Taschwer, 22.10.2018)