Alkohol soll beim Ausverhandeln des Staatsvertrags eine gewisse Rolle gespielt haben: Michael Schantl war am 15. Mai 1955 als Aufseher bei der Unterzeichnung im Schloss Belvedere vor Ort. Gemeinsam mit seinem Sohn schnitzte er die Figuren aus Korken der dabei gereichten Sektflaschen. Das Objekt ist im neuen Haus der Geschichte zu sehen.

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Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP), die Direktorin des Hauses der Geschichte, Monika Sommer, und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP, v. li.) während der Pressekonferenz am Mittwoch.

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Der neue Servicedesk im Eingangsbereich zum Haus der Geschichte Österreich.

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Wien – Neue Regierung, neue Vorstellung von einem Haus der Geschichte – das hat seit mehr als 30 Jahren Tradition. Pünktlich zum Nationalfeiertag und 16 Tage vor der Eröffnung des Hauses in der Neuen Burg am Heldenplatz hat Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) nun erstmals kundgetan, wie er sich die Zukunft der Institution vorstellt: Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) soll zwar unter diesem Namen wie geplant eröffnet werden, wird künftig aber wohl in "Haus der Republik" umbenannt. Eine Expertenkommission soll dies bis Ende des Jahres entscheiden.

Neu ist die Idee nicht. Schon Blümels Vorvorgänger Josef Ostermayer (SPÖ), der dem Projekt HdGÖ nach jahrzehntelangen Debatten 2016 eine gesetzliche Basis verschafft und den Standort Neue Burg auserkoren hatte, konnte mit dem Namen "Haus der Republik" viel anfangen. Eröffnen wird die Einrichtung denn auch mit einer Schau zu 100 Jahre Gründung der Ersten Republik, die thematisch bis in die Gegenwart führen soll, also auch die Geschichte der Zweiten Republik miterzählt.

Parlament statt Nationalbibliothek

An seiner Seite hatte Blümel bei einer Pressekonferenz in der Hofburg Monika Sommer, Gründungsdirektorin des HdGÖ, und – für viele überraschend – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der Grund: Das künftige "Haus der Republik" soll aus seiner strukturellen Verankerung in der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) herausgelöst und stattdessen an das Parlament angegliedert werden. Begründet wurde dies vage damit, dass es beim Thema Republiksgeschichte "unabdingbar" sei, das Haus an "eine der wichtigsten Institutionen des Landes anzubinden", also an das Parlament, so Blümel.

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Sobotka meinte, Staaten würden gut daran tun, "sich ihrer Geschichte zu stellen". Es brauche eine "Beleuchtung der neueren Geschichte mit internationaler Akzeptanz". Weiters betonte er die Netzwerkfunktion des HdGÖ, die dieses für alle historischen Institutionen des Landes übernehmen soll. Sobotka ließ es sich auch nicht nehmen, dem Minister zum Geburtstag zu gratulieren. Die präsentierten Pläne seien gewissermaßen "ein ideelles Geschenk".

Unabhängigkeit fraglich

Monika Sommer strich das Bestreben ihres Hauses hervor, eine "eigenständige Institution werden" zu wollen. Die Herauslösung aus der Nationalbibliothek war dahingehend von vielen Experten gefordert worden. Unklar bleibt, ob die Verschiebung hin zum Parlament wirklich ein Mehr an Unabhängigkeit bringt. Blümel und Sobotka meinen ja, Sommer gab sich vorerst zurückhaltend: "Ich gehe davon aus, dass das Haus institutionell unabhängig und wissenschaftlich eigenständig wird." Alles Weitere werde in der Evaluierungsgruppe geklärt werden, "an der wir beteiligt sind".

Sobotka schwebt jedenfalls eine ähnliche Struktur wie beim Österreichischen Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus oder der Gedenkstätte Mauthausen vor. Das Parlament habe immer klar gezeigt, "dass ein gemeinsames Vorgehen, ein nationaler Schulterschluss erreicht wird und zugleich die Unabhängigkeit der Wissenschaft gesichert ist", so der Parlamentspräsident.

Standortfrage und Beirat

Die einzusetzende Expertenkommission soll bis Ende des Jahres auch über die langwierige Standortfrage des HdGÖ entscheiden. In der Neuen Burg drängen sich ÖNB und Sammlungen des Kunsthistorischen, zudem wurde die Fläche für das Haus der Geschichte von Ex-Minister Thomas Drozda (SPÖ) nach Verhandlungen mit der ÖVP aus Kostengründen noch einmal massiv verringert. Monika Sommer hält den Heldenplatz allerdings noch immer für den besten Standort. Präferieren würde sie – wie auch viele Experten – einen Neubau, real ist das wohl Zukunftsmusik.

Immerhin von einer Ungewissheit wurde das junge Team um Monika Sommer, das in nur 18 Monaten eine Republiksausstellung konzipiert und ein neues Museum etabliert hat, befreit: Finanziell sei der Betrieb bis einschließlich 2019 gesichert, versprach Blümel. Aus seinem Kulturbudget soll das Haus auch nach der Anbindung ans Parlament weiterhin subventioniert werden.

Unabhängig von Blümels Vorstoß besetzte das HdGÖ am Dienstag offiziell auch seinen internationalen wissenschaftlichen Beirat nach, nachdem im Sommer mit Eva Blimlinger (Rektorin der Bildenden) und Gerhard Baumgartner (Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes) zwei Mitglieder aus Protest ausgeschieden waren. Sie hatten ihr Mitwirken bei der Ausstellungskonzeption aktiver anlegen wollen, als offenbar vom Rest der Beteiligten vorgesehen. Nachbesetzt wurde nun mit Danièle Wagener (langjährige Direktorin des Historischen Museums Luxemburg) und Hans Walter Hütter (Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland).

Rathkolb sieht Gesprächsbedarf

Mit dem Beirat hatten Blümel und Sobotka ihren Vorstoß im Vorfeld nicht akkordiert. Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb, Vorsitzender des Beirats und bei der ursprünglichen Konzepterstellung des Projekts maßgeblich, zeigte sich in einer ersten Reaktion "erfreut und dankbar dafür, dass endlich Bewegung in die Sache kommt". Allerdings ortet er im Gespräch mit dem STANDARD mehrere unklare Punkte: Der Name "Haus der Republik" sei etwa schwierig, "wenn man auch das ausgehende 19. Jahrhundert zeigen will und ja auch die diktatorischen Brüche darstellen muss".

Eine Anbindung ans Parlament könne inhaltlich Sinn machen, so sei sie etwa beim Haus der Geschichte in Brüssel Tatsache. Hilfreich wäre auch, wenn dadurch das Budget des Hauses steigen würde: "Optimal wären fünf Millionen Euro pro Jahr und 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche". Bei der Frage der Unabhängigkeit sei aber vieles offen. Der Beirat habe Sobotka bereits um Gespräche gebeten, um die internationale Expertise einbringen zu können, so Rathkolb.

Wenige Besucher zeitgleich möglich

Die Ausstellung in der Neuen Burg ist unterdessen so gut wie fertig. Wegen der beengten Platzverhältnisse werden diese zwar nur rund 240 Besucher gleich zeitig besuchen können, mit innovativer Ausstellungsarchitektur wurde dennoch versucht, jeden Makel wettzumachen.

Ausgehend von den Gründungsjahren der Ersten Republik sollen Themen bis ins Heute gespiegelt werden. Unter den gezeigten Objekten findet sich etwa ein Kalender von Sigmund Freud, in dem dieser die Ereignisse des November 1918 dokumentiert hat; das sogenannte Waldheimpferd, ein Kunstwerk, das im Zuge der Waldheim-Affäre gestaltet wurde und als Symbol für die geschichtspolitische Wende in der Zweiten Republik steht. Oder auch das Song-Contest-Kleid von Conchita Wurst. Es wird im Zusammenhang mit der Frage ausgestellt, wie es um die Toleranz im Land und in Europa bestellt ist. (Stefan Weiss, 24.10.2018)