In der Fleischerei Ringl an der Wiener Gumpendorfer Straße gibt es eine Wand, die ganz dem Konservierten gehört. An dicken Metallhaken hängen dort Schweinsfüße und fast schwarzer, luftgetrockneter Ochsenschlepp, pergamentartige Schweinsohren und Rindersehnen, knorrig wie alte Obstbäume – alles an Schnüren zu langen Reihen aufgefädelt und mattgolden bis bernsteinfarben glänzend von der Selch. Jedes Mal, wenn ich das Ringl'sche Fleischwunderland betrete, kann ich mich kaum sattsehen an der Pracht, die hier meist als Hundefutter verkauft wird.

Foto: Tobias Müller

Vergangene Woche durfte ich endlich einmal zugreifen und das alles zu einem wortwörtlich großen Eintopf schmoren: dem berühmtesten Bohneneintopf der Welt, einer geschmacklichen Urgewalt – der brasilianischen Feijoada. Schwarze Bohnen werden mit all den besten Teilen vom Tier – Schwänzen, Füßen, Haut und Kopf – stundenlang weich geschmort und zusammen mit Reis serviert.

Neben dem frischen Fleisch wird auch jede Menge getrocknetes und geräuchertes verwendet. Backerln, die dank der langen Hitze butterweich werden, Schwänze, denen das saftige Fleisch vom Knochen fällt, oder Schweinerüssel, die sich in halb knackige, halb cremig-weiche Köstlichkeiten verwandeln: Eine Feijoada ist ein Schlachtfest im Topf, ein rauchig-salzig-scharfer Fleisch-und-Bohnen-Rausch.

Der Bohneneintopf an und für sich ist wahrscheinlich so alt wie die Landwirtschaft. Hülsenfrüchte waren lange eine der wichtigsten Proteinquellen des Menschen (und sind es in großen Teilen Asiens, siehe Sojabohne, noch heute), die mit ein wenig Fleisch und Fett gewürzt und angereichert wurde. In Europa dürften die Römer die ersten großen Bohneneintopf-mit-Schwein-Fans gewesen sein und die Technik über den ganzen Kontinent verbreitet haben. Und weil getrocknete Bohnen und geräuchertes oder eingesalzenes Fleisch fast ewig haltbar sind, verbreitete sich der Bohneneintopf mit den europäischen Entdeckern auf der ganzen Welt.

Brasilianisches Nationalgericht

"Feijao" ist das portugiesische Wort für Bohne, die Feijoada geht dementsprechend auf portugiesische Seefahrer zurück, die sie unter anderem nach Brasilien brachten. Dort gilt der Eintopf heute als Nationalgericht. Wegen all der Ohren, Schwänze und Schnauzen darin gingen Kulinarikhistoriker lange davon aus, dass sie ursprünglich ein Gericht der armen, schwarzen Sklaven war – bis ein schlauer Mensch darauf hinwies, dass diese Teile lange ganz und gar nicht billig waren, sondern als teure Delikatessen galten (die Chinesen sehen das heute noch so). Wahrscheinlicher ist daher, dass das Gericht zwar von Sklaven gekocht, aber von den Herren gegessen wurde.

Foto: Tobias Müller

Ich war noch nie in Brasilien und habe vorher nie Feijoada gegessen. Ich habe mir daher einerseits einen Verbündeten gesucht – Jakob Bretterbauer, Koch und mehrere Jahre mit einem Brasilianer verschwägert. Der Ex-Schwager hat uns zwar sein Feijoada-Rezept geschickt, allerdings hat es uns etwas ratlos zurückgelassen: Neben einer unanständigen Menge frittierten Knoblauchs enthielt es als Fleisch nur "Kaminwurzen, am besten aus Pferdefleisch" (sic). Freund S. wiederum, der oft in Brasilien war, viel Feijoada gegessen hat und den ich daher befragte, ließ sich nicht mehr entlocken als: "Schmeckt auf jeden Fall schweinig."

Von der Hundefutterwand

Das Internet war ergiebiger: Neben gesalzenem oder geräuchertem Schwein, sagt es, kommen meist auch Würste und Carne do Sol in den Feijoada-Topf, gesalzenes, sonnengetrocknetes Rindfleisch. Zur Feijoada werden außer Reis gern Kohlgemüse und Orangenspalten gegessen. So vorgebildet haben wir uns dann schließlich an diesem verlockend klingenden Rezept orientiert und sonst einfach improvisiert – was meiner Meinung nach der Idee des Gerichts ohnehin am nächsten kommt.

Ich habe mich nach Herzenslust an der Ringl'schen Hundefutterwand bedient: Ich habe ein geräuchertes Schweinsohr, einen geräucherten Schweinsfuß, geselchte Ripperln, getrockneten Ochsenschlepp und getrocknete Rindfleischstreifen genommen. Für die frische Ware hat mir die Frau Ringl einen Schweinsrüssel und ein Backerl aus der Sulz-Sur gefischt, und ein ordentliches Stück Schulter durfte ebenfalls noch in den Topf. Jakob hat schwarze Bohnen eingeweicht und jede Menge Knoblauch, Zwiebel und sehr scharfes Chilipulver bereitgestellt. In seiner Küche in seinem neu eröffneten Espresso Rosi auf der Hernalser Hauptstraße haben wir das dann alles zusammengeschmort. Ich weiß nicht, ob es authentisch war, aber das Ergebnis war ziemlich umwerfend gut.

Feijoada nach Jakob, mir und der Ringl’schen Hundefutterwand

Soweit ich das überblicke, sind drei Dinge für eine brasilianische Feijoada charakteristisch: die schwarzen Bohnen, der Reis und geräuchertes und/oder gesalzenes Schweinefleisch. Wir haben zu unserer Feijoada noch Kohl serviert, den Jakob auf einem Backblech mit Butter übergossen und dann bei hoher Hitze im Rohr knusprig gebraten hat. Er war eine exzellente Ergänzung. Außerdem haben wir eine Salsa verde aus Koriander, Petersil, Kerbel, Knoblauch, Chili, Olivenöl und Essig drübergeträufelt, auch keine schlechte Idee. Und die Orangenspalten waren tatsächlich eine willkommene Erfrischung zwischen den üppigen Bissen.

Weil auf den Rezeptfotos des "Guardian" auch noch Limetten dabei waren, haben wir die auch noch gekauft, geviertelt und dazugelegt. Ihr Sinn hat sich mir aber nicht erschlossen, bis mir STANDARD-Layouterin Claudia Machado-Handsur aus Brasilien erklärt hat, dass die nur für die Caipirinhas sind. Danke.

Ich bin überzeugt, es gibt so viele Feijoada-Rezepte, wie es Feijoada-Köche gibt – tun Sie sich also nicht allzu viel mit den Details an. Wir haben zu sechst Feijoada gegessen, der Topf hätte leicht für zehn gereicht. Das war drin:

1 getrocknetes und geräuchertes Schweineohr
1 getrockneter und geräucherter Schweinefuß
2 Stück getrockneter Ochsenschlepp
3, 4 Stück getrocknetes Rindfleisch (für den Hund)
4 Stück geselchte Ripperln
3 Schweineschwänze, frisch
1 Schweineschnauze, kurz gesurt
1 Schweinsbackerl, gesurt
1 scharfe Bratwurst
1 Grobian (scharfe Ringl-Wurst), gewürfelt
1/2 kg Schweinsschulter, in mundgerechte Würfel geschnitten, die Schwarte aufgehoben

Foto: Tobias Müller

Etwa 750 Gramm schwarze Bohnen, über Nacht in reichlich Wasser eingeweicht

Suppengemüse
2 Zwiebeln, klein gehackt
2 Knoblauchknollen, die Zehen geschält und angedrückt
5 Lorbeerblätter
2 frische scharfe Chili
Einige Stängel Thymian
Eine Prise sehr scharfes Chilipulver
Eine halbe Flasche Rotwein
Salz (nicht zu viel) und Pfeffer

Dazu:

2 Tassen Reis, gekocht

3 Orangen, in Spalten geschnitten

Ohr, Fuß, Ochsenschlepp und getrocknetes Rindfleisch, Suppengemüse, Lorbeerblätter, frische Chili und drei, vier ganze Knoblauchzehen (angedrückt) zu den eingeweichten Bohnen geben und so viel Wasser zugießen, dass Ohr und Fuß fast bedeckt sind.

Foto: Tobias Müller

Zum Kochen bringen und etwa eineinhalb Stunden zugedeckt auf niedriger Flamme kochen lassen. Das Suppengemüse und das getrocknete Rindfleisch herausheben und entsorgen, das Ohr und den Fuß für später zur Seite legen.

Währenddessen in einem anderen Topf Schweineschmalz erhitzen oder Fett von der Schulter auslassen. Die Schulterwürfel darin rundum schön braun anbraten und mit dem Schaumlöffel herausheben.

Foto: Tobias Müller

Die gewürfelte Wurst, die Schweineschwänze und das Backerl ebenfalls anbraten und ebenfalls herausheben.

Den Bratensatz mit dem Rotwein ablöschen und einkochen lassen, bis er fast komplett verdampft ist. Die Zwiebel dazugeben und zehn Minuten rösten, dann die restlichen Knoblauchzehen, den Thymian und das Chilipulver zugeben und kurz mitbraten.

Foto: Tobias Müller

All das angebratene Fleisch sowie den Schweinerüssel in den Topf schichten. Mit so viel Bohnenkochwasser angießen, dass alles gerade nicht bedeckt ist.

Foto: Tobias Müller

Das Schweineohr und den Fuß aus dem Bohnentopf ebenfalls oben drauflegen. Zum Kochen bringen und zugedeckt etwa eine Stunde sanft schmoren lassen. Dann die Bohnen aus dem Sud heben und untermischen und etwas salzen, die Bratwurst dazulegen und alles eine weitere Stunde schmoren lassen.

Foto: Tobias Müller

Eventuell Bohnenkochflüssigkeit nachgießen.

Foto: Tobias Müller

Ohr und Fuß aus dem Topf nehmen und entsorgen. Den Rüssel herausheben und in mundgerechte Happen schneiden. Die Bratwurst in Scheiben schneiden, das Fleisch und die Haut mit einer Gabel oder einem Löffel von den Schweineschwänzen lösen (Achtung, heiß!). Die Ripperln auslösen und das Fleisch ebenfalls schneiden.

Foto: Tobias Müller

Auf jeden Teller einen Schöpfer Bohnen mit Saft, etwas von dem Fleisch und der Wurst und einen Schöpfer Reis geben. Eventuell mit Kohl, Salsa und Orangenspalten servieren.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 28.10.2018)

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