Margarete Stokowski, "Die letzten Tage des Patriarchats", € 20,- / 317 Seiten. Rowohlt, 2018

Cover: Rowohlt

Es war eine schöne Szene. Eine vom Ullstein-Verlag veranstaltete Diskussion zwischen den Autorinnen Margarete Stokowski und Svenja Flaßpöhler zum Thema #MeToo im Juni dieses Jahres war in eine Sackgasse geraten. Flaßpöhler wollte über den Fall einer Praktikantin reden, die sich im Umgang mit ihrem Chef "naiv" anstellte und dann #MeToo "schrie". Der Hashtag lasse Frauen zu Kleinkindern werden, die hinterher plärren, nachdem sie sich davor falsch verhalten hätte, so Flaßpöhlers Folgerung. Stokowski wollte aber über etwas anderes reden: dass sexualisierte Gewalt ein Riesenproblem ist. Sehen wir ja gerade, Praktikantin hin oder her. Irgendwann gab es nurmehr Schulterzucken vonseiten Stokowskis, während die rhetorisch gewandte Flaßböhler fleißig die nächste Runde drehte in ihrem ehrgeizigen Kampf um die originellste #MeToo-Position, den Stokowski so wunderbar verweigerte. Sie wollte nicht gewinnen, sondern konzentrierte sich auf das Wesentliche: ihre politische Haltung. Wie in ihren Kolumnen, die nun auch als Buch erschienen sind.

Eine wichtige Stimme

Seit 2011 schreibt Stokowski Essays und Kolumnen, erst für die Taz und seit 2015 liefert sie Spiegel online ihre wöchentliche Kolumne "Oben und unten". Die letzten Tage des Patriachats versammelt ausgewählte Texte von 2011 bis 2018. Etwa zeitgleich mit Stokowskis Kolumnen erschienen nach und nach immer mehr Bücher und Artikel zum Thema Feminismus – im weitesten Sinne. Margarete Stokowski ist ohne Zweifel eine der wichtigsten und klügsten Stimmen in diesem dichten Angebot an Feminismuspublikationen. Nicht zuletzt, weil sie Feminismus nie als Solidaritäts- und Menschenrechtsprojekt aus den Augen verliert und somit auch Themen wie Armut, Flüchtlingshilfe oder Kapitalismuskritik regelmäßig aufgreift.

So logisch das klingen mag, so heftig sind die Angriffe, wenn es um Details geht. Sämtlichen Debatten, die Stokowski aufgreift, ist gemein, dass sie – nun ja – recht leidenschaftlich diskutiert werden. Stokowski grätscht stets verlässlich mit Gelassenheit, Witz und sorgfältiger Medien- und Diskursanalyse rein und liefert ein ebenso unterhaltsames wie informatives Cool-down. Und das geht so: Vielen gilt zum Beispiel die Forderung nach Unisextoiletten als Beweis für die völlig durchgeknallten Forderungen von allem, was irgendwie mit Gender zu tun hat.

Irgendwo ein Martenstein

Unter dem Titel "Klos für alle" greift Stokowski das für trans Personen große Problem auf, welche öffentlichen Toiletten sie nützen können, ohne aus der "falschen Toilette" rausgeschmissen oder – auch das kommt nicht selten vor – verprügelt zu werden. Trotzdem steht bei Themen wie diesem immer "irgendwo ein Martenstein rum", schreibt Stokowski und will wissen, warum sich etwas ändern soll, wenn doch "bei ihm" alles gut läuft. Soll alles aus dem Supermarkt genommen werden, was Leute wie er nicht wollen? Das Geld für Straßenbeleuchtung gespart werden, weil sie gerade nicht aus dem Haus müssen? Keine Untertitel mehr beim Filmen, weil sie eh alles verstehen? Na bitte, das ist doch alles nicht so schwer zu verstehen, Stokowski sei Dank. (Beate Hausbichler, 27.10.2018)