Windows-Nutzer haben es derzeit nicht leicht: Eine schier endlose Reihe von Update-Problemen haben die Microsoft-Entwicklung gehörig ins Straucheln gebracht. Kombiniert mit den umfangreichen Datensammlungen von Windows 10 und immer neuen Sicherheitsproblemen schlittert das Betriebssystem zunehmend in eine Vertrauenskrise. Dies bringt wiederum so manchen User zum Grübeln: Wozu eigentlich all dieser Ärger? Eine Frage, die durchaus berechtigt ist, gibt es doch Alternativen. Und zwar welche, die für einen großen Teil der Nutzer längst einen vollständigen Ersatz darstellen können – und noch dazu kostenlos sind.

Go Linux!

Das freie Betriebssystem Linux hat sich in den vergangenen Jahren massiv weiterentwickelt, und dient sich somit zunehmend als echte Alternative zu Windows an. Die Vorteile sind dabei augenscheinlich: So sucht man etwa im Hintergrund spionierende Programme hier vergeblich. Doch nicht nur das: Der Code ist komplett Open Source, wodurch Dritte überprüfen können, ob wirklich alles mit rechten Dingen zugeht. Einen Antivirenscanner kann man sich unter Linux ersparen. Vorinstallierte Bloatware von Geräteherstellern oder Microsoft? Fehlanzeige. Und nicht zu vergessen: dank der großen Flexibilität läuft das Ganze auch auf Rechnern, die längst nicht mehr stark genug für Windows 10 sind.

Linux am Desktop! In diesem Fall handelt es sich um Elementary OS.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Parallel dazu begünstigt noch ein weiterer Trend den Linux-Desktop: Über die Jahre hat sich die Desktop-Nutzung immer stärker in den Browser verlagert. Für eine wachsende Zahl an Usern ist dieser das einzige wirklich wichtige Programm am Desktop. Und davon profitieren natürlich Windows-Alternativen. Denn ob Chrome, Firefox oder Opera – all diese gibt es auch unter Linux, und funktionieren dort ebenso gut wie unter Microsofts Betriebssystem.

Doch ist all das auch für mich selbst eine Option? Und wenn ja: wie komme ich eigentlich dazu, und welche Probleme kann es geben? Diese und andere zentrale Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden.

Für wen ist ein Linux-Umstieg interessant – und für wen nicht?

Am einfachsten ist der Wechsel für all jene, die ihren Desktop-Alltag ohnehin im Browser verbringen. Wer sich die gesamte Zeit zwischen Facebook, Youtube und Gmail herumtreibt, für den ist komplett egal, welches Betriebssystem darunter läuft. Doch natürlich gibt es unter Linux auch sonst ein breites Softwareangebot – von der Office-Software bis zu Spielen wird hier praktisch nichts ausgelassen.

Gleichzeitig kann aber natürlich nicht geleugnet werden: Wer gewisse, spezifische Profi-Tools für die Arbeit braucht, wird mit Linux nur begrenzt glücklich werden. Programme wie Photoshop oder Lightroom lassen sich zwar auch mit gewissen Tools unter Linux lauffähig machen, für technisch wenig versierte Nutzer ist dies aber keine realistische Option. Der zweite Problembereich sind Spiele: Wer laufend aktuelle High-End-Games nutzen will, ist mit Windows besser bedient – das lässt sich nicht anders sagen. Zwar hat sich die diesbezügliche Situation nicht zuletzt dank einer Linux-Portierung von Steam in den letzten Jahren verbessert, in diesem Bereich ist aber der Unterschied zur Microsoft-Welt sicherlich weiterhin am Größten.

Interessant könnte in solchen Fällen allerdings die Option sein, Linux parallel zu Windows zu installieren – ein sogenanntes Dual-Boot-System. Dann könnte man etwa den Desktop-Alltag beim freien Betriebssystem verbringen, und einfach für ein Spiel mit einem raschen Reboot auf Windows wechseln.

Linux Mint mit dem schlanken Mate-Desktop.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Welche Linux-Variante soll ich wählen?

Die freie Natur von Linux hat dazu geführt, dass es eine Vielzahl an unterschiedlichen Varianten gibt – sogenannte Distributionen. Ein Angebot, das für Neueinsteiger schon mal verwirrend sein kann. Insofern empfiehlt es sich, sich zunächst mal an die Klassiker zu halten: Für Anfänger sind bekannte Angebote wie Ubuntu, Linux Mint oder Fedora zu empfehlen, die noch dazu den Vorteil haben, das hinter ihnen eine große Community steht. Wer lieber einen macOS-artigen Desktop bevorzugt, könnte bei Elementary OS das Linux seiner Wahl finden. Ebenfalls ziemlich populär sind KDE Neon oder Manjaro Linux. Für ältere Rechner empfehlen sich wiederum Distributionen mit schlankem Desktop – also etwa Linux Mint Mate oder auch Xubuntu.

Wer hingegen das nötige technische Vorwissen mit sich bringt, dem eröffnet sich ein schier endloses Angebot für jeden Bedarfsfall. Neben Klassikern wie Debian gehört dazu vor allem Arch Linux. Hier muss man zwar so manches manuell einrichten, dafür gibt es umfangreiche Dokumentationen und Community-Support – und man lernt einiges darüber, wie so ein Betriebssystem funktioniert. Stellvertretend für die Palette an Spezialdistributionen sei noch das ganz auf Anonymität ausgerichtete Tails erwähnt.

Hinter Fedora steht mit Red Hat der größte Linux-Anbieter.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Was sind die ersten Schritte in Richtung Linux?

Der erste Schritt ist der Download des Installations-Images der gewählten Distribution. Heutzutage handelt es sich dabei fast immer um sogenannte "Live Images", die einen entscheidenden Vorteil haben: Sie lassen sich auf USB-Stick oder DVD einrichten, und anschließend direkt von diesen starten. Auf diese Weise lässt sich das gewählte Linux-System schon vorab – und ganz ohne Installation – ausprobieren.

Hat man sich einmal entschieden, ist der nächste Schritt jener zum Installer, der üblicherweise als Anwendung auf den Live-Images vorhanden ist. Der konkrete Ablauf der Installation variiert hierbei zwischen den einzelnen Distributionen, allen gemein ist aber, dass sich die Einrichtung mittlerweile mittels weniger Klicks erledigen lässt. Die Zeiten komplizierter Linux-Installer mit endlosen Einstellungsoptionen sind lange vorbei.

Zuvor gilt es aber noch den eigenen Rechner auf den Wechsel vorzubereiten, und das heißt vor allem: Ein Backup sämtlicher Daten anzulegen – oder am besten gleich zwei. Bei der Einrichtung eines neuen Betriebssystem wird nämlich die Festplatte neu aufgeteilt, und das heißt auch, dass üblicherweise alle Daten verlorengehen. Bei einer Dual-Boot-Installation – also parallel zu Windows – ist das zwar prinzipiell nicht so. Hier ist es dafür wichtig, vorher sicherzustellen, dass ausreichend Platz auf der Festplatte für das neue System frei ist – sonst scheitert die Installation unweigerlich.

KDE Neon setzt auf den Plasma-Desktop.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Was sind die zentralen Unterschiede zu Windows?

Je nach Distribution kommen unterschiedliche Desktop-Umgebungen zum Einsatz, die sich mehr oder weniger stark von Windows unterscheiden. Viele setzen dabei auf den GNOME-Desktop, der beim ersten Start gleich die grundlegenden Prinzipien erklärt. An dieser Stelle sollte man als Neuling also aufmerksam mitlesen. Andere Desktops wie KDE/Plasma ähneln Windows stärker. Im Großen und Ganzen sollte eine Umgewöhnung aber keine sonderliche Hürde darstellen.

Ein grundlegender Unterschied: Ähnlich wie bei mobilen Betriebssystemen erfolgt die Programmverwaltung unter Linux mittels einer einheitlichen Softwarezentrale. Über diese wird nicht nur das Betriebssystem selbst auf dem Laufenden gehalten, hier finden sich auch zusätzliche Programme – die dann laufend über dieses Tool aktuell gehalten werden. Die zugehörigen Pakete werden üblicherweise von der jeweiligen Distribution geliefert, die diese aus dem Quellcode der einzelnen Programme erstellt. Mit Flatpaks und Snap gibt es allerdings aufstrebende neue Paketformate, die versuchen hier eine Vereinheitlichung zu erstellen – also distributionsübergreifende Pakete zu liefern. Für die Nutzer ist das weitgehend egal, denn auch diese bekommen sie aus ihrer Softwarezentrale. Proprietäre und kostenpflichtige Programme sind unter Linux hingegen die absolute Ausnahme, und werden auch nicht von allen Distributionen angeboten.

Bei den zentralen Anwendungen eines Linux-Desktops wird Neulingen vieles bekannt vorkommen. Bei den meisten Distributionen ist Firefox als Browser vorinstalliert, Chrome oder Chromium – die freie Basis des Google-Browsers – lassen sich aber üblicherweise problemlos nachreichen. Für Office-Aufgaben gibt es LibreOffice, Bildbearbeitung lässt sich beispielsweise via GIMP erledigen. Und auch sonst gibt es für fast jeden Bereich das passende Tool, ein Stöbern im Angebot lohnt sich also.

Auch bei Ubuntu werden alle Programme über die Softwarezentrale verwaltet.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Mit welchen Problemen muss ich rechnen?

Die Hardwareunterstützung unter Linux hat in den vergangenen Jahren massive Fortschritte gemacht. Trotzdem bleibt dies sicher die größte Hürde für einen Umstieg. Je nach Ausstattung des eigenen PCs kann es sein, dass einzelne Komponenten nicht – oder nicht optimal – funktionieren. Das gilt insbesondere für Laptops oder sehr neue Hardware. Gerade deswegen empfiehlt es sich auch, vorher das gewählte Linux-System mit einem Live-Image zu testen, um zu sehen, ob wirklich alles reibungslos klappt. Wer komplett auf Nummer sicher gehen will, kann sich auch an jene Hersteller halten, die das freie Betriebssystem aktiv unterstützen. So hat etwa Dell einige Laptops mit vorinstalliertem Linux im Angebot, während Lenovo ganz generell Wert auf Linux-Kompatibilität setzt. Und dann gibt es noch eine Reihe von spezialisierten Hardwareanbietern rund um Linux wie System76 oder Purism.

Ein hartnäckiger Mythos ist hingegen, dass man ein IT-Profi sein muss, um einen Linux-Desktop nutzen zu müssen. Diese Behauptung mag vor zehn Jahren noch eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Heutzutage ist der Griff zur Kommandozeile aber zumindest bei den beliebten Desktop-Distributionen längst optional geworden. (Andreas Proschofsky, 4.11.2018)