Mit Furcht können wir arbeiten. (Claire Underwood)

Was haben Claire Underwood, Angela Merkel, Sebastian Kurz und Donald Trump gemein? Zunächst reine Äußerlichkeiten: Alle vier sprechen mit den Händen.

Die deutsche Kanzlerin formt bei öffentlichen Auftritten ein Deltoid, Österreichs Regierungschef argumentiert in Löffelchenhaltung, der US-Präsident schüttelt und wachelt. Und Claire Underwood? Amerikas TV-Präsidentin hält die Hände bei offiziellen und inoffiziellen Anlässen bevorzugt in Gebetsstellung – in- und aufeinander, gerne auch mit verschränkten Fingern.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Die Hände aller vier Politiker sprechen Bände. Merkel will Fokussiertheit ausdrücken, Kurz aufgeräumte Entschlossenheit vermitteln, Trump seine Qualität als Anpacker demonstrieren. Claire Underwoods Handhaltung – stets gepaart mit einem kühl-neutralen Gesichtsausdruck – spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Sie sagt: "In der Ruhe liegt die Kraft." Und weiter: "Für mich gehe ich bis ans Ende der Welt – wenn es sein muss, auch über Leichen."

Foto: Netflix

Dabei soll es mit den Ähnlichkeiten auch schon gut sein. Es wäre vermessen, in Claire Underwood ein Hybridwesen aus Merkel'schem Pragmatismus, Kurz'scher Schweigepraktik und Trump'schem Größenwahn zu sehen – und was würde es bringen? Fakt ist, dass sie es zu guter Letzt an die Spitze geschafft hat.

"Ich bin an der Reihe", ließ Underwood das Fernsehpublikum am Ende der fünften Staffel wissen. Da war noch nicht einmal klar, wie recht sie hat.

Ab 2. November ist Claire Underwood in der finalen Staffel der Netflix-Serie House of Cards endlich dort, wo sie hinwollte und – seien wir uns ehrlich – immer schon sein sollte: im Weißen Haus und an der Spitze der Vereinigten Fernsehstaaten von Amerika. Als 47. Präsidentin führt sie zu Ende, was sie über mindestens vier Staffeln gemeinsam mit ihrem Ehemann und Vorgänger Francis Underwood eingeleitet hat. Dieser ist inzwischen verschwunden, tot wahrscheinlich, so genau weiß man es nicht.

Netflix

Für Trauer scheint ohnehin keine Zeit, und sie wäre in den Augen der First Lady sowieso verkehrt, ja geradezu absurd. Schließlich ist die Alternative viel verlockender, sie heißt: Macht. Und von ihr konnte sie noch nie genug kriegen – oder, wie die Neo-Staatschefin es ausdrückt: "Ich mag Eisen, aber ich liebe Feuer."

Claire Hale, 1965 in Highland Park, Texas, geboren, wächst als Tochter von Elizabeth Hale in den wohlhabenden Verhältnissen einer Rancherfamilie auf. Sie besucht die Highschool an der prestigeträchtigen Phillips Academy, ihren Bachelor macht sie in Umweltgesundheit und Chemie am Radcliffe College – wo sie auch ihren späteren Ehemann kennenlernt, der später von ihr sagen wird: "Ich liebe sie mehr, als Haie Blut lieben."

Für sauberes Wasser

Den Master in Gesundheitswesen absolviert sie an der Harvard-Universität. Claire ist 22, als sie Francis Underwood heiratet. Über die folgenden Jahre ist wenig bekannt. 2013 setzt sie sich mit einer Nichtregierungsorganisation für sauberes Wasser ein. Ihre eigentliche Mission gilt vordergründig dem Gemahl, der keine noch so miese Tat scheut, um an die Macht zu kommen. Was er 2014 schließlich schafft. Als starke Frau steht sie hinter ihrem mächtigen Mann, aber sie stellt ihm auch ein Bein, wenn es die Situation erfordert. Wie sie ihre Rolle überhaupt situationselastisch sieht: Lügen, betrügen, andere ausspielen, Druck ausüben – wenn es der Sache dient, ist das alles okay. Solidarität mit Frauen? Endenwollend.

Netflix US & Canada

Im Oktober 2017 spielen Claire die Umstände in die Hände, als ihr zuletzt immer klotziger gewordener Gemahl unter den realen Verhältnissen zu Fall kommt. Kevin Spacey, der den schurkischen Politprofi spielt, stürzt über die #MeToo-Debatte.

Ein Verlust für Netflix, ein Geschenk für die Seriengattin. 130 Millionen Abonnenten der Onlineplattform in 190 Ländern der Welt werden das verkraften. Den Fauxpas, dass im deutschsprachigen Sendegebiet Sky und nicht Netflix die Serie zuerst zeigen darf, hätte die Präsidentin durch eine Intrige gewiss rasch beendet.

Foto: Netflix

Wobei: Dass es Madam President überhaupt gibt, verdankt sie ihrer Darstellerin Robin Wright. Die Schauspielerin und Regisseurin soll sich nach dem Rausschmiss Spaceys für die letzte Staffel starkgemacht haben. Unter anderem wegen mehr als 2.500 Mitarbeitern, die um ihre Jobs bangten.

Das Finale kommt zur rechten Zeit. Am 6. November stehen am realen Politparkett Herbstwahlen an. Um die Rolle des größten Schurken in der US-Politik werden Akteure in nächster Zukunft da wie dort wetteifern. Donald Trump winkt und wachelt. Claire Underwood? Faltet die Hände. (Doris Priesching, 1.11.2018)