So unscheinbar wie unverzichtbar sind die Messgeräte, mit denen die Schadstoffbelastung gemessen wird.

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Frage: Warum könnten moderne Dieselfahrzeuge der Abgasklasse Euro 5 in Zukunft doch von Fahrverboten betroffen sein – obwohl die Politik ständig betont, das sei nicht der Fall?

Antwort: Weil aus dem Auspuff dieser Kfz im realen Fahrbetrieb deutlich mehr hochgiftiges Stickstoffdioxid (NO2) herauskommt als bei den zum Zeitpunkt ihrer Zulassung ermittelten Tests auf dem Rollenprüfstand gemäß dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Laut dem deutschen Kraftfahrtbundesamt, der Zulassungsbehörde für VW, Audi, Seat und Skoda ebenso wie für BMW, Opel oder Mercedes, hielten nahezu alle Fahrzeuge Grenzwerte und gesetzliche Anforderungen ein. Deutsche Gerichte beurteilen die zur Verbesserung der Luftgüte notwendigen Maßnahmen nicht nach Zulassungsnormen oder Testergebnissen, sondern an den realen Emissionen. Die Entscheidung, welche Fahrzeuge ausgesperrt werden, ist also eine politische – und rechtliche. Es geht ja um Luftgüte.

Frage: Weisen alle Euro-5-Diesel real höhere NOx-Werte auf und sind sie illegal unterwegs?

Antwort: Nein. Weder überschreiten alle Euro-5-Kfz aller Hersteller die zulässigen Grenzwerte in gleichem Ausmaß, noch sind sie illegal unterwegs. Denn sie verfügen über eine aufrechte europaweite Zulassung. Nicht aber bei Straßenmessungen, da lag der NOx-Ausstoß laut Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" des Kraftfahrtbundesamts deutlich über dem Grenzwert. Die durchschnittlichen NO2-Realemissionen von Euro-5-Pkws – gemittelt über alle Straßenkategorien und Temperaturen – liegen nicht nur deutlich über dem zulässigen Grenzwert (180 mg/km), sie sind teils sogar höher als die älterer Dieselmodelle der Abgasklassen Euro 3 und Euro 4.

Frage: Wie aussagekräftig sind diese gemäß Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) ermittelten durchschnittlichen realen Abgasemissionen von Diesel-Pkws, bei denen Euro-5-Diesel besonders schlecht abschneiden?

Antwort: Diese Realemissionswerte sind umstritten. Fahrzeugtechnik-Experten argumentieren, man könne gemäß HBEFA-Handbuch viele Zahlen unterschiedlicher Qualität produzieren, weil Handbuchwerte und Prognose auf der Messung einiger weniger Kfz basierten. Das HBEFA Version 3.3 – ein Computermodell, das Berechnungen der Treibhausgas- und Schadstoffbelastungen des Straßenverkehrs etwa für die Luftschadstoffinventur ermöglicht – wird laufend überarbeitet. 2019 kommt die neue Version 4.1, und die werde bei NOx-Werten signifikante Änderungen bringen, auch bei Euro 6, erwarten Motorentwickler.

Frage: Warum ist der NOx-Ausstoß moderner Pkws gestiegen, obwohl die Motorenentwicklung zu besserer Verbrennung und teils deutlicher Treibstoff- und CO2-Reduktion geführt hat?

Antwort: Die effizientere Verbrennung trotz deutlich größerer und schwererer Fahrzeuge hat eine Kehrseite: Die Effizienz steigt mit der Verbrennungstemperatur. Die Verbrennung wurde von Euro-Stufe zu Euro-Stufe heißer. NOx liebt Hitze, deshalb entsteht bei höheren Temperaturen mehr NOx, das mit Katalysatoren (SCR) in der sogenannten Abgasrückführung (AGR) unter Zugabe einer Harnstofflösung (bekannt unter dem Markennamen "Ad Blue") neutralisiert werden muss. Diese AGR hat bei Euro-5-Dieselmotoren, unabhängig von Schummelsoftware, im Realbetrieb nicht (voll) gegriffen – wie übrigens auch bei den ersten Euro-6-Dieseln. Getestet wurde bisher ja im Labor (NEFZ).

Frage: Welche Rolle spielt bei den Realemissionen das im Zuge des VW-Dieselskandals bekannt gewordene "Thermofenster"?

Antwort: Das Thermofenster ist eine Software zum Schutz des Motors. Sie schaltet die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen automatisch ab, damit Motorteile keinen Schaden nehmen, etwa durch Belagbildung im Abgasrückführungssystem oder Kondensat ("Lack"), das AGR-Kühler korrodieren lässt. Die Folge: Außerhalb dieses Thermofensters, das beim VW-Schummelsoftwarmotor EA189 zwischen 15 und 33 Grad aktiv wird, ist die Abgasreinigung – je nach Wetter – abgeschaltet, und die Emissionen steigen real jedenfalls. Das betrifft in Österreich mindestens 400.000 Fahrzeuge von insgesamt 2,7 Millionen Diesel-Pkws (bei jährlich 400.000 Neuzulassungen). Es könnten auch mehr sein, denn die Thermofenster der Autohersteller sind unterschiedlich groß, einmal zum Schutz des Motors, dann wieder zur Schonung. Ob Letztere legal sind, ist unter Experten umstritten, denn die EU-Verordnung definiert nicht exakt, was ein notwendiges Thermofenster ist und was eine unzulässige Abschalteinrichtung wie die VW-Schummelsoftware.

Frage: Warum weiß man das alles erst jetzt, und wird es mit dem neuen WLTP-Prüfzyklus besser?

Antwort: Weil immer mehr Autos der moderneren Fahrzeuggeneration zugelassen werden und Massen von Kfz im Realbetrieb getestet werden können. Einen echten Schub bringt der im September eingeführte neue Prüfzyklus WLTP, in dem Realemissionen berücksichtigt sind – bei Temperaturen zwischen minus sieben und plus 35 Grad. Erstmals im Realbetrieb gemessen werden die Emissionen bei Euro-6d(temp)-Dieseln.

Frage: Warum werden in Österreich keine Fahrverbote wie in deutschen Städten verhängt?

Antwort: Es gibt in Österreichs Städten und an Autobahnen eine Reihe von Messstellen, an denen Luftgütegrenzwerte notorisch überschritten werden, wie in Wien-Hietzing, Vomp (A13 Brennerautobahn) oder Linz-Römerberg. Klagen auf Einhaltung der Luftgüte nach Vorbild der Deutschen Umwelthilfe, die Stuttgart, Berlin und Hamburg vor sich hertrieb, blieben bisher aber aus. (Luise Ungerboeck, 31.10.2018)