Marihan Abensperg-Traun vor ihrer Arbeitsstätte, dem Wiener AKH.

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Wien – Seit 14 Jahren arbeitet Marihan Abensperg-Traun im Wiener AKH. Die Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie leitet die ADHS-Ambulanz. "Ich mache das sehr gern, das ist eine sinnvolle Tätigkeit", sagt die 42-Jährige. Nach der Geburt ihrer nun 17 Monate alten Tochter habe sie aber den Entschluss gefasst, sich künftig auch aktiv in der Politik einzubringen. "Nicht immer nur aus der Unzufriedenheit heraus passiv zu sein", wie sie das beschreibt.

Grüne Wien

Abensperg-Traun tritt für Ökologisierung ein, fordert den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, mehr Häuser in Passivbauweise oder Systeme für E-Car-Sharing. Sie drängt auf eine Gesamtschule und mehr Angebote für Ganztagesbetreuung. Lauter Forderungen, die jahrelang in der Partei Tätige auch bringen könnten. "Ich war immer grün von der Einstellung her", sagt Abensperg-Traun. Es sei die einzige Partei, die demokratische Rechte und Naturschutz, Menschenrechte und Tierschutz verbinde.

Bei der grünen Spitzenwahl ist Abensperg-Traun, die bisher keine Funktionen in der Partei innehatte, nun im Finale. Mit vier Mitbewerbern rittert sie um die Nachfolge Maria Vassilakous als Nummer eins der Wiener Grünen bei der Gemeinderatswahl 2020.

Mobile Krankenschwestern

Als Treffpunkt für das Gespräch mit dem STANDARD schlug Abensperg-Traun ihre Arbeitsstätte, das AKH, vor. Das sei kein Signal an eine Zentralisierung. Sie will niederschwellige Angebote in den Grätzeln fördern. Etwa durch mobile Krankenschwestern, die präventiv arbeiten und zu Senioren nach Hause fahren, um Wundversorgung zu machen. "Je früher man ansetzt, desto besser", nennt sie volkswirtschaftliche Vorteile.

Abensperg-Traun, deren Exmann einer adeligen Familie entstammt, hat türkische Wurzeln. Ihre Eltern kamen als Gastarbeiter nach Österreich und lebten im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich. Sie wurde dort geboren. Kinder von Ausländern wurden in den 80er-Jahren im Bezirk zum Teil in separaten Klassen unterrichtet. Vom Konzept der Deutschklassen für Migrantenkinder, wie sie im aktuellen Schuljahr eingeführt wurden, hält Abensperg-Traun aus ihrer eigenen Erfahrung heraus wenig. "Man unterhält sich in der Pause in der Muttersprache und bleibt unter sich. Die türkischen Kinder haben miteinander gesprochen, auf der anderen Seite standen die serbokroatischen Kinder." Am Ende des Jahres seien unabhängig von ihrem Intellekt jene aufgestiegen, die vorher schon Deutsch konnten, alle anderen mussten in die Sonderschule.

Dass die Ärztin, die sich im Fall einer Wahl karenzieren lassen möchte, als Quereinsteigerin noch keine Funktion bei den Grünen hatte, ist für sie kein Nachteil. "Ich komme mit dem Blick von außen, habe keine Loyalitätskonflikte." Die öffentlichen Hearings seien gut verlaufen. "Ich hab das Gefühl, ich komme gut an."

Keine Angst vor Opposition

Die Krise der österreichischen Grünen führt Abensperg-Traun auf die Unzufriedenheit damit zurück, Konflikte nach außen zu tragen. Sie nennt den Ausschluss der Jungen Grünen oder auch die Abstimmung zur Umgestaltung des Heumarkt-Areals. Die Mehrheit der grünen Mitglieder war dagegen, beschlossen wurde Letztere mit den Stimmen von Rot und Grün im Gemeinderat dennoch.

Die Koalition mit der SPÖ will Abensperg-Traun "nicht um jeden Preis" fortführen. "Man soll sich vor der Opposition nicht fürchten." Sie ist der Meinung, dass auch die österreichischen Grünen so viel Erfolg haben können wie die Grünen in Deutschland.

"Verbote auszusprechen ist vielleicht das Einfachste – für einige", nimmt sie Bezug auf die Debatte ums Kopftuchverbot. "Ich bin Feministin, finde es nicht gut, wenn Mädchen ein Kopftuch tragen", trotzdem müsse man schauen, was dahinter ist. "Es geht auch darum, Mädchen zu schützen." Wenn das Verbot umgesetzt wird, kämen Betroffene, wo es sich die Eltern halbwegs leisten können, in eine Privatschule. "Das kann es ja nicht sein." (Rosa Winkler-Hermaden, 2.11.2018)

Hinweis der Redaktion:

Der STANDARD traf alle fünf Kandidaten an jeweils von ihnen gewählten Plätzen. Ende der Serie.