Mehrere Wohnungen in dem Wohnhochhaus in der Belvederegasse werden kurzfristig an Touristen vermietet. Das dürfte nun zu einer Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes führen.

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Mehrere Wohnungen in ursprünglich mit Wohnbauförderung errichteten Häusern werden zu hohen Preisen kurzfristig an Touristen vermietet – diese Meldung sorgte jüngst für Aufsehen. Die Regierung will deshalb nun das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) nachschärfen. Wobei: Die kurzfristige Vermietung von geförderten Wohnungen über Plattformen wie Airbnb ist eigentlich bereits jetzt untersagt. Es gebe aber Schlupflöcher, räumt auch Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm ein.

Gesellschaft wurde verkauft, das Haus auch

Solche Schlupflöcher können gerade in Linz und Wien beobachtet beziehungsweise auch (kurzfristig) bewohnt werden. In Wien etwa im 4. Bezirk an der Ecke Belvederegasse und Mommsengasse. Dort befindet sich ein Wohnhochhaus, das in den 1960er-Jahren von der Gesfö Gemeinnützige Bau- und SiedlungsgmbH unter Verwendung von Wohnbaufördermitteln errichtet wurde. Diese Gesellschaft wurde später aber verkauft. "Wirtschaftlicher Eigentümer" laut Firmenbuch ist nun ein gewisser Michael Tojner. Ihn kennt man als "Heumarkt-Investor", jüngst sorgte er aber auch im Zusammenhang mit der gemeinnützigen WBV-GFW für Aufsehen.

Nach dem Verkauf der zunächst noch gemeinnützigen Gesfö wurde ihr Sitz ins Burgenland verlegt, wo ihr 2015 auf eigenen Antrag die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Das Land Burgenland als neue Aufsichtsbehörde kassierte dafür 17 Millionen Euro an zurückbezahlter Wohnbauförderung. Im selben Jahr wurde die Liegenschaft Mommsengasse 6/Belvederegasse 14–16, also das Wohnhochhaus, an eine Jump Immobilien GmbH mit Sitz in Baden verkauft, die später wiederum in Saltus Immobilien GmbH umbenannt wurde.

WGG "bei Preisbildung berücksichtigt"

Im Kaufvertrag, der dem STANDARD vorliegt, wird gleich als Erstes festgehalten, "dass das Objekt von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet wurde und dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) zur Anwendung kommen". Im Fall der Vermietung von Wohnungen habe die Mietzinsbildung nach den Bestimmungen des WGG zu erfolgen. Dieser Umstand sei auch "bei der Preisbildung angemessen berücksichtigt" worden.

In der Folge wurden einzelne Wohnungen in den Türmen, die frei wurden, an die Urbanauts Hospitality GmbH vermietet. An dieser ist auch Tojner beteiligt. Und diese bietet diese Wohnungen nun ihrerseits über ein Internetportal namens etagerie.com zur kurzfristigen Anmietung an, für rund 100 Euro pro Nacht.

Gang zur Schlichtungsstelle

Ein Mitarbeiter der Grünen hatte sich zwei Nächte lang eingemietet und den verlangten Preis bezahlt. Danach ging er mit der Abrechnung zur Schlichtungsstelle und schlüsselte dieser in einem Antrag im Detail auf, warum die kurzfristige Vermietung nicht mit dem WGG in Einklang zu bringen sei – neben der vielfach überhöhten "Miete" unter anderem auch deshalb, weil eine pauschale Entgeltvereinbarung rechtswidrig sei; die einzelnen Bestandteile der Miete müssen aufgeschlüsselt werden, unter anderem in die Hauptmiete und den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag. Das alles fehlte hier. Und das ist bei einer touristischen Vermietung ja auch nicht üblich.

In einer Stellungnahme gegenüber der Schlichtungsstelle zeigten sich die Urbanauts dann "sehr verwundert" über den Antrag, zahlten den Betrag von 198 Euro aber sofort zurück – "aus prozessökonomischen Gründen", wie es heißt. Auf eine Anfechtung der Entscheidung vor Gericht verzichtete man also – wodurch auch verhindert wurde, dass sich ein ordentliches Gericht der Sache annehmen konnte.

"Um das Zehnfache zu teuer"

Die Wohnungen würden trotz abgelegter Gemeinnützigkeit und zurückbezahlter Wohnbaufördeurng nach wie vor dem WGG unterliegen, sagt David Ellensohn, Klubobmann der Wiener Grünen. Sie werden auf der Plattform also "um das Zehnfache zu teuer" angeboten. Ellensohn hat deshalb mittlerweile sowohl das Land Burgenland als auch Tojner sowie die Urbanauts-Geschäftsführerinnen angezeigt.

Die Urbanauts vertreten die Rechtsansicht, dass es sich um einen Beherbergungsbetrieb auf Grundlage eines Pachtvertrags mit dem Liegenschaftseigentümer handelt. "Das bedeutet, dass nicht für Räume, sondern für einen Betrieb inkl. Möbel und Einrichtungsgegenstände, Besteck, Wäsche etc. ein Entgelt gezahlt wird". Die Gäste würden maximal drei Monate bleiben, werden gemeldet, und es wird für sie die Ortstaxe bezahlt, darüber hinaus auch alle anderen notwendigen Steuern und Abgaben.

Der Liegenschaftseigentümer, die Saltus Immobilien GmbH, ist darüber hinaus offenbar der Auffassung, dass das WGG nur für bestehende Mietverhältnisse gelte; ein neues Mietverhältnis mit neuen Mietern sei davon nicht betroffen, sagte man kürzlich der "Wiener Zeitung".

"Einmal WGG, immer WGG"

Alois Feichtinger, Geschäftsführer des Gemeinnützigen-Verbandes, hat eine andere Rechtsansicht: "Der Grundsatz 'Einmal WGG, immer WGG' gilt unserer Ansicht nach auch hier", sagt er zum STANDARD. Nur ein früherer Mieter einer Wohnung, der diese später kaufe, könne genau diese Wohnung dann frei vermieten, das ist in Paragraf 20 des WGG klar geregelt.

Auch Arbeiterkammer-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka sieht keine wirkliche Basis für die Rechtsansicht der beiden involvierten Unternehmen. Ja, man könne zwar durchaus auch dem WGG unterliegende Wohnungen kurzfristig vermieten, aber das Prinzip der Kostenmiete müsse eingehalten werden, und auch die Mindestbefristungsdauer von drei Jahren sei einzuhalten. Denn – und jetzt wird es kompliziert – in Paragraf 20 des WGG sei trotz mitunter schwierig zu verstehender Querverweise relativ klar geregelt, dass der Paragraf 29 des Mietrechtsgesetzes (der die Mindestbefristungsdauer von drei Jahren beinhaltet) immer auch für von Bauvereinigungen errichtete Wohnungen gilt, selbst wenn die Baulichkeit mittlerweile einer nicht gemeinnützigen Gesellschaft gehört.

Auch das Mietrechtsgesetz (MRG) sei hier sehr klar, so Rosifka. Zwar werde dort in Paragraf 1 Absatz 2 zunächst festgehalten, dass das MRG für Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungsunternehmens vermietet werden, nicht anzuwenden sei. Absatz 3 wiederum stelle aber klar, dass für "Mietgegenstände in Gebäuden, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet worden sind", jedenfalls immer der Paragraf 20 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes gelte. Und somit auch der bereits zuvor zitierte Absatz.

WGG-Änderung per Entschließungsantrag

Eine klare Sache also, sollte man meinen. Damit es nicht zu weiteren Auffassungsunterschieden kommt, wünscht man sich im Verband eine gesetzliche Nachschärfung. Konkret erhofft man sich, "dass einerseits gewerbliche Vermietungen über Plattformen wie etwa Airbnb nicht zulässig sind und andererseits für Mieter und Mieterinnen erkennbar ist, ob ein Haus dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unterliegt", so Verbandsobmann Wurm. Denn eine Tafel, dass das Gebäude mit Wohnbauförderung errichtet wurde, wie sie etwa an den Fassaden der "Wiederaufbauhäuser" aus den 1950er- und 1960er-Jahren üblich ist, sucht man am Wohnhochhaus in der Belvederegasse vergeblich.

Und die Gesetzesänderung ist auch bereits in Arbeit oder zumindest in die Wege geleitet. Die Bautensprecher von ÖVP und FPÖ, Johann Singer und Philipp Schrangl, fordern die zuständige Wirtschaftsministerin nun per Entschließungsantrag auf, eine WGG-Änderung zu erarbeiten, die unter anderem folgende Punkte beinhaltet: "Stärkung und Modernisierung der aufsichtsbehördlichen Möglichkeiten durch Schaffung des Instruments eines Regierungskommissärs"; "exakte Definition des Kaufpreises bei Anteilsübertragungen an GBV und Hintanhalten von Umgehungsmöglichkeiten"; "stärkere Verankerung der Wohnzweckbindung gemeinnützigen Wohnraumes".

"Illegitime Gewinne"

"Offenkundig werden sämtliche potenziellen Graubereiche des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes genutzt, um illegitime Gewinne zu erzielen", verweist Schrangl auf die aktuellen Begebenheiten. "Sozialwohnungen müssen Sozialwohnungen bleiben – und auch als solche genutzt werden."

Gleichzeitig will die Regierung offenbar aber auch – wie aus dem Entschließungsantrag hervorgeht – die beschränkte Eigenkapitalverzinsung bei Gemeinnützigen "modernisieren", eine "Wahloption hin zu einer VPI-abhängigen Verzinsung – unter Beibehaltung der bisherigen Verrechnungsgrenzen" wird ebenfalls erwogen. Und auch die Bezügegrenzen für Vorstandsmitglieder von Gemeinnützigen sollen "modernisiert" werden, wie es heißt. (Martin Putschögl, 1.11.2018)