Eine heruntergekommene Gegend in einer amerikanischen Großstadt, ein Mann ist auf der Flucht. Polizeisirenen heulen, Schüsse fallen. Die Kamera zoomt auf den Toten, der gerade in den Rücken geschossen wurde: Es handelt sich um einen Schwarzen. "Got on a black hoodie, its hood up on my head / I didn't have a gun so why am I dead", singt der frühere Gangsta-Rapper Ice-T mit seiner Heavy-Metal-Crossover-Band Body Count: "Ich hatte gar keine Waffe, nur einen Kapuzenpulli an, warum bin ich jetzt tot."

Der Song "Black Hoodie" (2017) bezieht sich auf einen realen Rassismusfall: Am 26. Februar 2012 wurde in Florida der 17-jährige Trayvon Martin getötet. Ein Nachbar auf Patrouille hatte den unbewaffneten afroamerikanischen Schüler einfach abgeknallt – und wurde freigesprochen. Er habe in Notwehr gehandelt, schließlich habe der Schwarze einen dunklen Hoodie angehabt, was per se schon bedrohlich sei. Der Fall löste eine Protestwelle aus, Trauer- und Protestmärsche fanden in Solidaritätshoodies statt. Frank Ocean singt in "Nikes" (2016): "RIP Trayvon, that nigga look just like me."

Polit-Symbol

Der Hoodie als tragisches politisches Symbol, als Kleidungsstück, das mit Kriminalität in Verbindung gebracht wird: Als 2007 die Pariser Banlieues brannten, sah man in den Medien bevorzugt Bilder von Jugendlichen mit Hoodies, tief ins Gesicht gezogen, damit ihre Träger anonym bleiben. Außer der Bomberjacke ist kaum ein Outfit dermaßen mit politischen Implikationen aufgeladen. Kapuzenpullis wurden phasenweise in Shoppingcentern und Schulen verboten, galten sie doch als Zeichen des Widerstands: als Uniform der renitenten jugendlichen Außenseiter.

Klar, dass sich die Modewelt dafür interessiert, ein Stück Aufmüpfigkeit zu verkaufen. Obwohl diese Konnotation inzwischen ziemlich verwaschen ist. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg trug lange nur extrem teure graue T-Shirts und Kapuzenpullis des italienischen Designers Brunello Cucinelli.

Die jungen Hasardeure im Silicon Valley wollten sich von den spießigen Anzugträgern an der Wall Street abgrenzen, sie geben nach wie vor Unsummen für High-Fashion-Sneakers und Designerhoodies aus. Die einstige Rebellion ist im Fashion-Establishment angekommen.

Zum Verkriechen: Haubenpullover von Jacquemus (via Mytheresa, 290 Euro) und von Lala Berlin (149 Euro).
Foto: Hersteller

Mittlerweile ist es inflationär, wie die Mode mit Hoodies umgeht: Jedes Label druckt sein Logo drauf, Hipster-Marken wie Vetements knöpfen uns ein Vermögen für billig produzierte Sweater ab. Der Markt surrt, der Hype trägt absurde Züge. Sogar ehrenwerte Häuser wie Chanel oder Dior springen verzweifelt auf den Trend auf.

Im Moment hat man ein wenig den Eindruck, vor lauter Streetwear-Begeisterung sieht die Branche gar nicht mehr, dass sie innovativer sein könnte. Wer braucht das tausendste T-Shirt mit einem Spruch drauf?

Kürzlich kündigte der Belgier Raf Simons, immer ein verlässliches Barometer, wenn es um Trends geht, an, er wolle die Notbremse ziehen. "Es muss sich etwas verändern", sagte ausgerechnet jener Designer, der schon immer von Jugendkultur besessen war. "Es gibt einfach zu viele Hoodies mit Aufdrucken auf dem Markt."

Popikone

Der Hoodie wird trotzdem nicht so schnell verschwinden, schließlich ist er eine Ikone der Popkultur. In den 1970ern war er bei Rappern beliebt, illegale Sprayer trugen ihn, wenn sie in der Nacht unterwegs waren, in der Skater-Kultur ist er tief verwurzelt. Sylvester Stallone trug als Boxlegende Rocky Balboa 1976 einen grauen Hoodie, als er sich wieder fit machte und auf einen gefrorenen Tierkadaver eindrosch. Ein Underdog gegen den Rest der Welt: Welche Kluft würde da besser passen?

Die Funktionalität des Haubenpullis spielt natürlich auch noch immer eine Rolle: Ursprünglich wurde der Hoodie in den 1930er-Jahren von der Marke Champion als warme und robuste Arbeitskleidung für Kühlräume entworfen, bald wurde er von Sportlern getragen. Ein breitenwirksames Fashion-Statement wurden Hoodies dann in den 1990ern, Marken wie Ralph Lauren machten sie als preppy College-Kleidung berühmt.

Hauptsache geräumig: Violetter bedruckter Hoodie von Acne (310 Euro) und Kapuzenpullover von Monki (30 Euro).
Foto: Hersteller

Der Hoodie ist nach wie vor ein seltsames Verbindungsstück zwischen Straßenkultur und Kapitalismus, er hat seinen Weg durch sämtliche Gesellschaftsschichten gemacht. Serienkiller tragen ihn in Filmen genauso wie Überlebende von Katastrophen in TV-Serien. Ein Hoodie kann einen wie im Fall des erschossenen schwarzen Jugendlichen am falschen Ort das Leben kosten.

Aber er kann auch Schutz bieten. Das beweist keiner besser als Kenny aus "South Park". 126-mal ist der kleine Junge in seinem orangen Sweater gestorben, er wurde zerstückelt, überfahren, von mutierten Killer-Truthähnen zerstochen, in der Mikrowelle geröstet. Und immer wieder kam er unversehrt zurück: das Hoodie-Kind als Stehaufmännchen in einer brutalen Welt. Ein schönes Sinnbild für ein unverwüstliches Kleidungsstück. (Karin Cerny, RONDO, 4.11.2018)

Der Streetwear-Designer und Hoodie-Spezialist Shayne Oliver hat eine kleine Kollektion für Colmar entworfen.
Foto: Colmar
Justin Timberlake hat mit Levi's eine Streetwear-Kollektion herausgebracht, fester Bestandteil: Ein Hoodie.
Foto: Levis