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Die Polizei nutzt Algorithmen, um hervorzusagen, wo am ehesten Verbrechen begangen werden (im Bild: Ein Analysezentrum in den USA).

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Sobald sie Hotspots ermittelt hat, versendet sie vermehrt Einsatzkräfte.

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Eine Software, die voraussagt, wo und wann ein Verbrecher zuschlägt: Was nach einem Science-Fiction-Szenario im Stil von Minority Report klingt, ist in Österreich bereits Realität. "Predictive Policing" (zu Deutsch: vorhersagende Polizeiarbeit) gehört mittlerweile zum Alltag der Polizei. Das Bundeskriminalamt in Wien heuert eigene Programmierer an, die sich mit "Crime-Mapping", der geografischen Zuordnung von Kriminalität, befassen. Derzeit kommen Algorithmen verstärkt zur Bekämpfung von sogenannten Dämmerungseinbrüchen zum Einsatz.

Mehrere Faktoren

Konkret definiert die Software Zonen, in denen ein erhöhtes Einbruchsrisiko besteht. Dafür wird das System mit den entsprechenden statistischen Daten gefüttert. Wohnungseinbruchdiebstähle werden nämlich oft von Serientätern begangen. Die haben häufig ein bestimmtes Tatmuster und probieren es in der Nähe bald wieder. Die Polizei speichert Ort und Zeitpunkt der Taten sowie mögliche erfasste Zusatzinfos zur Vorgehensweise der Täter.

Auch die Nähe zu einer Autobahnauffahrt ist zum Beispiel relevant, da Täter so schneller flüchten könnten. Wichtig ist zudem, wie viele Häuser in einer Siedlung stehen, da sich Einbrecher in größeren Siedlungen mehr Beute erhoffen. "Sobald Hotspots ermittelt sind, werden vermehrt Polizisten hingeschickt", erklärt Vincenz Kriegs-Au, Pressesprecher des Bundeskriminalamts, dem STANDARD. Dadurch sei die Zahl erfolgreicher Einbrüche erheblich gesunken.

Rückgang bei Einbrüchen

2017 sind laut Kriminalstatistik rund 44 Prozent aller Einbruchsversuche vereitelt worden. Insgesamt ist die Zahl der angezeigten Einbrüche von 6680 auf 5808 gesunken. Das Bundeskriminalamt begründet diese Entwicklung unter anderem mit der erfolgreichen Ermittlungsarbeit. Die algorithmisch unterstützte Kriminalitätsprognose ist bei den österreichischen Sicherheitsbehörden bereits länger in Verwendung, sagt Kriegs-Au. Erste Tests gab es bereits im Jahr 2015. Derzeit teste man zusätzlich Echtzeitwarnungen via Facebook. Über das soziale Netzwerk sollen Bewohner bestimmter Gebiete "zeitnah und zielgerichtet" alarmiert werden, um so präventiv vorgehen zu können.

Verdächtige melden

Die Polizei hofft etwa darauf, dass verdächtige Beobachtungen gemeldet werden. Anders als etwa in den USA gebe es kein ganzheitliches System, welches die gesamte Kriminalität umfassend überwacht und Vorhersagen trifft, jedoch seien einige eigenständige Programme in Verwendung. "Wir haben eigene Programmierer, die sie erstellen und anpassen", sagt Kriegs-Au.

Auch Kritik

Der Einsatz von Algorithmen ruft auch Kritik hervor. Angelika Adensamer etwa, Juristin bei der Grundrechts-NGO Epicenter Works, sagt zum STANDARD, die Wirkung von Predictive Policing sei nicht nachprüfbar.

"Fährt die Polizei zu einem mutmaßlichen zukünftigen Tatort, wo dann nichts passiert, ist nicht feststellbar, ob die Vorhersage falsch war oder die Anwesenheit der Polizei die Tat verhindert hat", so Adensamer. Studien aus Deutschland zeigten, dass die erwünschten Wirkungen bei Einbrüchen nicht eingetreten seien.

"Aberglaube"

Kriminalität sei ein soziales Phänomen und folge keinen eindeutigen Mustern. Daher sei Predictive Policing, auch wenn Technik eingesetzt werde, ein "Aberglaube". "Die beste Kriminalpolitik ist immer noch eine gute und gerechte Sozialpolitik, die an den Wurzeln der Kriminalität ansetzt und nicht an berechneten Symptomen", sagt Adensamer.

In Deutschland und den USA wird Predictive Policing in zahlreichen Städten eingesetzt – und auch dort scharf kritisiert. Der deutsche Aktivist Matthias Monroy kritisiert etwa, dass Verbrechensvorhersage Phänomene wie "racial profiling" verstärke – also ein gezieltes polizeiliches Vorgehen nach bestimmten Gesichtspunkten wie der Hautfarbe. Es seien vor allem schwarze Menschen, die die Polizei in der Nähe potenzieller Tatorte anhalte.

Das Bundeskriminalamt selbst bezeichnet die Arbeit bewusst nicht als "Predictive Policing", sondern als "Crime-Mapping", da der Fokus auf geografische Faktoren liege. (Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher, 3.11.2018)