Beate Hautzenberger, Mischling Franz, Markus Pernhaupt, Christof Stein und Dagmar Moser in ihrem Geschäft Lichterloh, das als Pionierstätte in Sachen Vintagehandel in Wien bezeichnet werden kann.

Foto: Nathan Murrell

"Als wir vor gut 30 Jahren unser Geschäft Lichterloh in der Gumpendorfer Straße aufsperrten, gab es in Wien nichts Vergleichbares. Anfangs war es für uns eine ziemlich riskante Wurstelei, doch wir wussten, es war unsere einzige Chance, wenn wir im Möbelbereich reüssieren wollten.

Gegen den etablierten Jugendstil- und Antiquitätenmarkt konnten wir nicht antreten. Der glich einem Wall. Außerdem fanden wir die Branche viel zu konservativ, geschweige denn witzig. Es gab damals tatsächlich Leute aus dem Antiquitätenbusiness, die Geld darauf setzten, dass wir schleunigst wieder zusperren würden.

Vintagedesign war Neuland

Wir organisierten damals auf abenteuerlichste Weise Flipperautomaten, 30er-Jahre-Möbel, Stahlrohrobjekte und alles Mögliche. Vor allem Flohmärkte von Wien über Paris bis London haben wir abgegrast. Manchmal wurden wir sogar in Containern auf der Straße fündig.

Vintagedesign war totales Neu- und Niemandsland. Auch was die Nachfrage betrifft. Literatur war kaum aufzutreiben, und selbst die Auktionshäuser interessierten sich damals nicht für diese Welt. Wir haben so ziemlich alles getan, um unser "Baby" durchzubringen. Zu "laufen" begann es in etwa um das Jahr 2000.

Sicher war es in Österreich schwieriger, sich zu etablieren. Das heimische Bewusstsein in Sachen Stil ist wie beim Fußball ein anderes als in Frankreich oder England. Wobei es besser wird, zumindest in Sachen Designverständnis. Mittlerweile gibt's Kunden, die sich sehr gut auskennen und selbst uns noch etwas beibringen können. Die waren früher Mangelware.

"Die Objekte sind emotional stärker aufgeladen als Möbel von der Stange."
Foto: Nathan Murrell

Damals wie heute ging es uns darum, Dinge wiederzubeleben, sie erneut auf die "Reise" zu schicken. Deshalb richteten wir gleich beim Start eine eigene Werkstatt ein. Durch sie konnten wir die Objekte aufpäppeln, herrichten und von diesem "Caritas-Dunst" befreien.

Eine Zutat im Erfolgsrezept lautet, dass man sich davor hüten muss, in einer Schublade zu versumpern. Es gilt, in Bewegung zu bleiben, Augen und Ohren offen zu halten. Mal sind Industriemöbel en vogue, dann wieder Stücke aus den 1920ern. Im Moment stehen die Leute besonders auf Dinge aus den 50er-Jahren, zum Beispiel kleinere Cocktailfauteuils aus den ehemaligen Ostblockländern, die wir bunt tapezieren.

Dabei machen wir eine interessante Beobachtung: Es ist erstaunlich, wie schnell Teile der Industrie auf solche Strömungen aufspringen. Ist doch eigenartig oder? Die Industrie orientiert sich an Vintagemöbeln aus längst vergangenen Tagen. Erinnern Sie sich daran, wie vor ein paar Jahren plötzlich der Panton-Chair bei Interio auftauchte.

"Eine Zutat im Erfolgsrezept lautet, dass man sich davor hüten muss, in einer Schublade zu versumpern."
Foto: Nathan Murrell

Die Gründe für den anhaltenden Vintageboom sind verschieden. Wir denken, die Objekte sind emotional stärker aufgeladen als Möbel von der Stange. Die Kundschaft empfindet etwas beim Anblick eines unserer Stücke. Diese Emotionen möchten die Kunden mit nach Hause nehmen. Man kauft also Gefühl, manchmal Erinnerung und Individualität in einem. Viele Menschen erleben gegenüber den Dingen in unserem Geschäft eine Art Vertrautheit.

Trennungsängste

Klar hängen auch wir emotional an unseren Objekten. Vor allem wenn wir sie restauriert haben und den Entwurf dadurch viel besser kennenlernen. Interessant ist es, zu beobachten, dass derjenige von uns, der ein bestimmtes Objekt eingekauft hat, auch mehr dafür verlangen möchte als der Rest der Crew. Einfach deshalb, weil ihm mehr daran liegt, es zu behalten. Insofern kann man schon von einer Seele der Dinge sprechen.

Anfangs waren es vor allem Leute aus der Kreativszene, die bei uns gekauft haben, mit Ausnahme der Architekten. Die meiden uns interessanterweise sehr konsequent – bis heute. Mittlerweile ist die Kundschaft eine sehr breite, eine, die ein bisschen Geld hat, denn im Vergleich zum durchschnittlichen Möbelhandel sind wir natürlich teurer. Es beginnt bei wenigen Euro und hört bei Preisen um die 10.000 auf. Letzteres bezieht sich allerdings auf wenige Objekte.

Wir glauben übrigens nicht, dass Menschen sich Vintagestücke kaufen, um einrichtungstechnisch auf der "sicheren" Seite zu sein, weil man viele der Stücke schon seit langem kennt oder zu kennen glaubt. Der Grund dafür ist simpel: Dieses Land hat nach 1918 viel zu wenig mitbekommen, was in der Welt der Gestaltung alles abging. Wir dürfen beim Nachholen helfen." (Michael Hausenblas, RONDO, 9.11.2018)

Nathan Murrell fotografierte die Crew des Vintage-Geschäfts Lichterloh in der Gumpendorfer Straße in Wien.
Foto: Nathan Murrell