Hinter dem Legal Tech Hub Vienna stehen sieben Anwaltskanzleien, die eng zusammenarbeiten.

Illustration: Fatih Aydogdu

Dass große Anwaltskanzleien miteinander um Klienten konkurrieren und in Prozessen einander bekämpfen, ist normal; dass sie friedfertig zusammenarbeiten, eher ungewöhnlich.

Wenn es um Legal Tech geht, haben sich sieben der bedeutenderen Wiener Sozietäten dennoch zu einer kanzleiübergreifenden Kooperation entschlossen. Dorda, Schönherr, Wolf Theiss, Eisenberger & Herzog, Herbst Kinsky PHH Rechtsanwälte und SCWP Schindheim haben vor kurzem den Legal Tech Hub Vienna (LTH Vienna) gegründet, der Start-ups und Innovationen für die Digitalisierung der Rechtsbranche fördern soll.

Der LTH Vienna ist als Verein registriert, zum sechsstelligen Startkapital haben alle sieben Kanzleien gleichmäßig beigetragen. Anderen Kanzleien steht der Beitritt jederzeit offen, betonen die Gründer.

"Das ist mit einem echten Kulturwandel bei den Kanzleien verbunden, das wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen", sagt Gudrun Stangl, Partner und COO bei Schönherr. "Aber wir spüren die Erwartungshaltung der Klienten, dass wir sie in die digitale Zukunft führen. Wir ziehen dabei alle an einem Strang. Würde jeder von uns seine eigenen Wege gehen, dann wäre alles viel langsamer." Ein vergleichbares Modell gebe es nirgendwo sonst in Europa, betont Stangl.

Der LTH werde keine eigenen Produkte entwickeln, sondern Projekte und Programme fördern, die dann alle Kanzleien nutzen können, sagt Stefan Artner, Managing Partner von Dorda und der Initiator des LTH. "Wir wollen das Kompetenzzentrum für digitale Innovationen werden", sagt er.

Die geplanten Hauptaktivitäten umfassen ein Acceleratorprogramm für Legal-Tech-Unternehmen aus ganz Europa, mit einem Schwerpunkt in Österreich sowie Mittel- und Osteuropa, wo zahlreiche heimische Kanzleien aktiv sind. Der Accelerator werde nicht nur Start-ups, sondern auch bestehenden KMUs offenstehen. Eine Vereinsjury soll die Kriterien für die Förderungen Anfang 2019 ausarbeiten und bekanntgeben.

Entwicklung von Standards

Weiters sind Kooperationen mit Interessenvertretungen, Universitäten und Fachhochschulen sowie mit Legal-Tech-Hubs in anderen Staaten geplant. LTH Vienna soll über sogenannte White Papers auch an der Entwicklung von SStandards für die gesamte Rechtsbranche über Forschungsaufträge, Diplomarbeiten und Partnerschaften mitwirken. Geschäftsführerin wird die Legal-Tech-Expertin Sophie Martinetz, Gründerin & Managing Partnerin von Future Law, die hinter vielen aktuellen Initiativen auf diesem Gebiet steht.

Obwohl der internationale Markt für Legal-Tech-Produkte rasant wächst, sei es notwendig, eigene Lösungen in Mitteleuropa zu entwickeln, sagt Stangl. "Mit den USA und UK ist unser Markt nicht vergleichbar, und auch Deutschland ist anders. Wir brauchen maßgeschneiderte Lösungen, die man nicht von der Stange kaufen kann." Das gelte vor allem für den CEE- und Balkanraum mit seinen fragmentierten Märkten, kulturellen Unterschieden und vielen Sprachen.

Vielfalt im Osten

Diese Vielfalt sei eine besondere Herausforderung für Softwareentwickler, glaubt Artner: "Wenn ein simples Produkt für Österreich passt, dann wird es auch für Deutschland passen, aber nicht für Zentral- und Osteuropa. Dort gibt es zu viele Unterschiede bei Sprache, Kultur, rechtlichen Inhalten, und ob man an die EU angelehnt ist oder nicht."

Die Region sei für Legal Tech aber auch besonders interessant, fügt Stangl hinzu: Es gebe auch in Ländern wie Bulgarien und Serbien zahlreiche innovative IT-Unternehmen, die mit etwas Unterstützung auch außerhalb ihres Heimatmarktes erfolgreich sein könnten. "Da ist sehr viel los."

Für Stangl ist der LTH ein Weg, aus einem Problem eine Chance für den Rechtsstandort zu machen: "Wir möchten nicht die Getriebenen sein, sondern wir möchten mitgestalten", beschreibt sie das Besondere hinter der Initiative. (Eric Frey, 7.11.2018)