Kommenden Samstag feiert die Republik sich selbst – ihre Gründung vor 100 Jahren unter anderem mit der Eröffnung des "Hauses der Geschichte" in der Neuen Hofburg. Der türkise Kanzleramtsminister Gernot Blümel will übrigens, dass die Institution "Haus der Republik" heißt, und deutet etwas von "Evaluierung" des Konzeptes an. Wenn das heißt, dass der Koalitionspartner FPÖ und dessen Wurzeln im Deutschnationalismus und Nationalsozialismus irgendwie verwischt werden sollten, wird man Einspruch anmelden müssen.

Der Zeithistoriker Gerhard Botz, der sich besonders mit dem Nationalsozialismus beschäftigt hat, weist darauf hin, dass die Feier für das Haus der Geschichte auch mit dem Jahrestag des nationalsozialistischen Judenpogroms 1938 zusammenfällt.

Das ist die Ambivalenz dieser Republik: Wir haben etwas zu feiern, nämlich eine erfolgreiche Entwicklung in Staat und Gesellschaft, die vor 100 Jahren undenkbar war; und wir haben die düsteren Schatten dieser Geschichte und die Erinnerung an die Unmenschlichkeiten, zu denen die Menschen fähig waren. Und wenn die FPÖ ein Denkmal für die "Trümmerfrauen" des Jahres 1945 errichtet, dann muss man auch fragen, wer denn für die Trümmer (und viel Schlimmeres) verantwortlich war.

Der ganz große Staatsakt findet dann am Montag in der Staatsoper statt, kritische Worte sind von der Festrednerin Maya Haderlap zu erwarten. Dies allerdings vor dem Grundton der Einschätzung von Bundespräsident Van der Bellen: "Wir leben heute in Österreich in Frieden und Freiheit, haben einen funktionierenden Sozialstaat, eine starke, stabile Wirtschaft und ein hohes Bildungsniveau. Diese Erfolgsgeschichte – den 100. Jahrestag der Errichtung der Republik – feiern wir am 12. November."

Grundkonsens

So ist es, aber all das ist nicht ungefährdet. Wie in vielen anderen Demokratien des Westens auch ist der gesellschaftliche Friede gefährdet, ist der Grundkonsens über die Richtung, in der sich das Ganze bewegen soll, weitgehend abhandengekommen. Die Bildung einander feindselig gegenüberstehender Lager ist bei weitem nicht so weit fortgeschritten wie in den Jahren der Ersten Republik oder gar unter der mörderischen NS-Diktatur.

Aber die Vorstellungen über die Zukunft und die beste Art, sie zu gestalten, sind doch weiter auseinander denn je. Ein "Ausländer raus"-Anhänger und ein weltoffener Bürger haben nicht viel gemeinsam. Beide wollen vielleicht, dass es keine unkontrollierte Zuwanderung gibt, aber der eine wäre vermutlich bereit, auf dem Weg dorthin Demokratie und Rechtsstaat ein wenig zu vergessen. Der andere nicht.

Der rechte Populismus vor allem stellt die Erfolgsgeschichte der Republik radikal infrage. Das ist neu, das ist der Unterschied zu jenen auch mit vielen Skandalen, Unzulänglichkeiten und auch Drögheiten belasteten Jahrzehnten, in denen sich Sozialdemokratie und Christdemokratie die Republik aufteilten. Aber eben auch die Verhältnisse unendlich besser wurden als am Anfang dieser 100 Jahre und noch Jahrzehnte danach. (Hans Rauscher, 6.11.2018)