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Das OLG Wien hält eine Nachbesserung im konkreten Fall für unzumutbar und sprach der Klägerin ein Recht auf Wandlung zu.

Foto: REUTERS/Michael Dalder

Wien/Wolfsburg – Eine VW-Käuferin darf wegen des Einbaus von Schummelsoftware, die auf dem Prüfstand besonders niedrige Abgaswerte erzeugt, ihren VW-Golf an den Händler zurückgeben und den Kaufpreis zurückfordern. Zu diesem Urteil kam das Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz. Der Autohändler, gegen den geklagt worden war, sieht das Urteil (3 R 38/18g) als Einzelfall und geht in Berufung.

Eine Frau hatte 2012 um 26.500 Euro einen Golf mit Tageszulassung gekauft. 2015 wurde bekannt, dass VW bei manchen Motoren, darunter auch jenem dieses Golf-Modells, die spezielle Software installiert hatte. Daraufhin verlor die Klägerin, die von der Linzer Poduschka-Anwaltsgesellschaft vertreten wird, nach eigenen Angaben das Vertrauen in VW und forderte den Kaufpreis – abzüglich einer "Nutzungsgebühr" für die bereits gefahrenen Kilometer – plus Zinsen zurück. In Summe sind das rund 29.000 Euro.

Käuferin wollte umweltfreundliches Auto

Ohne diese Software hätte der Wagen auf dem Prüfstand nicht die Abgasnorm erfüllt und daher auch keine Zulassung erhalten, urteilte das Gericht, denn "der Einbau einer unzulässigen Software (würde) keinen Sinn machen, wenn auch ohne diese die relevanten Grenzwerte eingehalten würden. Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, bedarf es ... keiner technischen Kompetenz, sondern bloß der allgemeinen Lebenserfahrung".

Da die Käuferin unwidersprochen Wert auf ein umweltfreundliches Auto legte und ihren Mann, einen Techniker, bat, die technischen Daten genau anzusehen, durfte das Handelsgericht Wien als erste Instanz (Urteil: 23 Cg 67/15a) davon ausgehen, dass die Frau das Auto nicht gekauft hätte, hätte sie von der Schummelsoftware gewusst, urteilte nun das OLG Wien. Man dürfe es als "gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft" ansehen, dass ein Auto die in der Norm (im konkreten Fall: Euro 5) vorgesehenen Grenzwerte einhält. Wenn das nur mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung möglich ist, dann sei vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen.

Und dieser Sachmangel sei auch nicht geringfügig, weil die zugesagte Abgasnorm nur durch eine illegale Software zu erreichen war, die Nachbesserung unter Androhung eines Zulassungsverlusts verpflichtend ist, die Freigabe der verbesserten Software ein gutes Jahr gedauert hat und die Käuferin die Nachbesserung von ebenjenem Unternehmen erhalten sollte, das ursprünglich die illegale Abschalteinrichtung verbaute. Außerdem "steht fest, dass die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der bei Übergabe eingebauten Software nicht gekauft hätte", heißt es im Urteil.

Schließlich habe die Klägerin ein Recht auf "Wandlung", also Geld zurück, weil es ihr unzumutbar gewesen wäre, von eben jener Firma, die ihr ein Fahrzeug mit illegaler Abschalteinrichtung verkauft hatte, die Nachbesserung machen zu lassen, meint das OLG Wien.

Porsche-Holding: Urteil ist "verfehlt"

Als "verfehlt" sieht die Porsche-Holding das Urteil. Das Fahrzeug sei weiter verkehrs- und betriebssicher und auch die Zulassung in keiner Weise gefährdet, daher "besteht keine Grundlage für eine Rückabwicklung des Kaufvertrags", hieß es gegenüber der APA. Es handle sich um eine "Mindermeinung", "der betroffene Händlerbetrieb wird gegen dieses Urteil selbstverständlich ein Rechtsmittel einlegen".

Erst kürzlich hätten die Oberlandesgerichte Wien, Innsbruck und Linz in ähnlich gelagerten Fällen zugunsten der betroffenen Händlerbetriebe entschieden. "Bisher sind in Österreich bereits 38 Urteile der vier Oberlandesgerichte (Wien, Linz, Graz und Innsbruck) ergangen, 33 dieser Urteile haben die Position der Händlerbetriebe und Herstellerinnen bisher bestätigt und Ansprüche von Fahrzeughaltern verneint."

Ordentliche Revision zulässig

Das OLG Wien hat zu seinem Urteil eine ordentliche Revision zugelassen, weil der Entscheidung aufgrund der Vielzahl an zum "VW-Skandal" gerichtsanhängigen Verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Aus Sicht von Alexander Holzleitner, geschäftsführender Gesellschafter der Poduschka-Anwaltsgesellschaft, treffen aber die Ausführungen des OLG Wien grundsätzlich auf jeden geschädigten Autokäufer zu. Es sei erfreulich, "dass der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Rückabwicklung berechtigt und sich die Geschädigten nicht auf das Softwareupdate verweisen lassen müssen". Zudem stelle das Urteil klar, "dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Konsument Interesse an einem manipulierten Fahrzeug hat".

Ungewöhnliche Restwert-Berechnung des Wagens

Als großen Erfolg verbucht die Anwaltskanzlei auch die ungewöhnliche Berechnung für den "Restwert" des Fahrzeugs. Sie argumentierte, dass ein Golf 250.000 Kilometer gefahren werden kann und die Käuferin davon nur 25.000 Kilometer oder zehn Prozent gefahren sei – der Restwert betrage daher 90 Prozent des Kaufpreises. Handelsgericht Wien und OLG Wien bestätigten diese Berechnungsweise. Nach den handelsüblichen Listen verliert ein Fahrzeug in den ersten drei Jahren rund die Hälfte seines Werts. (APA, 8.11.2018)