So schön wie George Brannigan hier, bin ich zwar nicht gestürzt. Aber weh getan hat es allemal.

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Steffen Arora berichtet für den STANDARD aus Tirol und fährt gern Mountainbike. Unlängst hat er sich verletzt und eine umstrittene Schmerztherapie ausprobiert.

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Wer dienstags den "Tretlager"-Blog liest, weiß, dass ich ein Nerd bin, was Mountainbiken angeht. Nichts tue ich lieber, als mit Tempo möglichst steiles und verblocktes Gelände hinunterzufräsen. Und nirgends geht das besser als an der Innsbrucker Nordkette. Mein dortiger Hometrail gilt als extrem, und genau das macht die Sache spannend.

Doch wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich Späne. Nur sind diese Späne im Falle eines Downhillers meist Teile des eigenen Körpers. Das gehört dazu, und man eignet sich eine gewisse Schmerztoleranz an, wenn man diesem Sport frönt. Doch an diesem schönen Sommertag war es etwas mehr als die übliche Schürfwunde oder das stumpfe Trauma.

Einer dieser Tage ...

Guter Dinge zirkelte ich mein wundervolles 24-Kilo-Ross den Trail hinunter. Es war einer dieser Tage, wo es etwas fuchste. Die Mountainbiker unter Ihnen kennen das: Man patzt an Stellen, die sonst problemlos gehen. Im Mischwald, einer Sektion in der oberen Trailhälfte, war grad ein neuer Drop gebaut worden, der eine durch Erosion immer höher gewordene, wurzeldurchsetzte Stufe ersetzen sollte.

Weil es an dem Tag eh nicht so lief, beschloss ich, mir den Sprung fürs nächste Mal aufzusparen und die alte Route über die Stufe zu nehmen. Die war mittlerweile – es hatte die Woche zuvor enorm geregnet – sehr hoch, und an den Flanken ragten Wurzelschlaufen aus dem Boden. Ich tat, was man auf dem Bike nie tun darf, ich zögerte kurz und dachte mir beim Anfahren: "Bleib nur ja nicht mit dem Pedal an einer dieser Wurzeln hängen!"

Gedacht, getan. Zielsicher erwischte mein rechtes Pedal die Wurzel. Das Radl stoppte abrupt in der Senkrechten, während ich den Weg Richtung Tal über den Lenker hinweg fortsetzte. Zum Glück hatten die Shaper wegen des neuen Sprungs an der Stelle die Landung ausgeputzt. Wie beim Köpfler visierte ich die Freifläche an und versuchte abzurollen.

Zu früh gefreut

Das alles funktionierte wie durch ein Wunder. Ich kam auf dem Rücken zu liegen und wollte mich grad freuen, wie toll ich stürzen kann, als ich im Augenwinkel einen Schatten bemerkte. Mein Rad war noch unterwegs. Ich wollte ausweichen, schaffte es aber nicht. Das Pedal traf mich knapp unterm Knie. Zum Glück hatte ich meine Protektoren. Es tat zwar einen ziemlichen Tuscher, aber ich stand erstmal auf und kontrollierte, ob noch alles heil war.

Die Schultern waren ganz, was mich sehr erleichterte. Ich bewegte einmal alles durch und freute mich. Dass ich einen kleinen Schock hatte, war mir nicht bewusst. Noch nicht. Ich wollte weiterradeln. Als ehemaliger Reiter weiß ich, dass das Wichtigste nach einem Sturz ist, sofort wieder aufzusteigen. Doch als ich wieder im Sattel saß, bemerkte ich, dass es im rechten Schuh gar warm und feucht wurde. Kein Wunder, der füllte sich grade mit Blut.

Also wieder runter vom Radl. Ich hockte mich doch nieder und klappte den Knieschützer hoch. Im selben Moment klaffte am oberen Ende meines Schienbeins die Haut auseinander. Ein rotes Bächlein ergoß sich daraus. Die Wunde war schon stattlich, also holte ich mein Erste-Hilfe-Packerl raus (niemals ohne am Berg, das ist eine Grundregel!), um einen Druckverband anzulegen.

Und dann kamen die Schmerzen

Zuvor versuchte ich noch die komischen weißen Steinsplitter aus der Wunde zu puhlen. Als ich bemerkte, dass das keine Steine, sondern Teile des Schienbeins waren, hörte ich auf, mit meinen verdreckten und verschwitzten Fingern in dem Saustall rumzuwühlen. Langsam fingen auch die Schmerzen an. Also legte ich schnell den Verband an und fuhr vorsichtig – es ging erstaunlich gut unter Schock – bis zum nächsten Forstweg und von dort nach Hause.

Per Taxi ging es ins Spital. Dort wurde eine Knochenabsplitterung festgestellt. Die Wunde war so zerfetzt von den Metallpins am Pedal, dass die Ränder weggeschnitten werden mussten. Ich wurde schließlich mit mehreren Stichen genäht. Jetzt tat es aber richtig weh.

Der Arzt gab mir noch Schmerzmittel mit und meinte, das wird ein wenig dauern. Am nächsten Morgen war es richtig übel. Mir tat alles weh, und ich konnte kaum gehen. Ungefähr zur selben Zeit lernte ich zufällig einen Norweger kennen, der die Vegetotherapie von Wilhelm Reich praktizierte. Freunde von mir waren begeisterte Fans des Mannes. Nachdem ich schon Homöopathie für esoterischen Schwachsinn halte, hat mich das nie sonderlich interessiert.

Alles nur Hokuspokus

Von Reich wusste ich nur, dass er wohl in den Wahnsinn abgedriftet war und glaubte, Regen machen zu können. Oder so ähnlich. Jedenfalls überzeugte mich ein guter Freund, es doch auszuprobieren. Ich hatte bereits ein paar sogenannte Sessions hinter mir. Wirklich überzeugt war ich nicht, ich hielt es für Hokuspokus. Doch als ich die Verletzung hatte, bot mir der Norweger am Tag nach dem Sturz an, meine Schmerzen zu beseitigen. Nachdem ich trotz Tabletten wirklich litt und kaum gehen konnte, willigte ich ein, es zu versuchen.

Bei der Vegetotherapie, die auch körperorientierte Psychotherapie genannt wird, geht es im Grunde um eine Atemtechnik. Man legt sich rücklings auf den Boden, winkelt die Beine an – was mir höllisch wehtat – und atmet nach Anleitung des Therapeuten. Der saß neben mir und berührte mich kein einziges Mal. Ich atmete rund 20 Minuten auf diese Weise. Man bewegt dabei seine Hüfte wellenartig und muss auch mit den Schultern und dem Brustkorb zuarbeiten.

Keine Ahnung, wie – aber es wirkt

Nach diesen 20 Minuten stand ich auf und war schmerzfrei. Mehr noch, ich radelte von Innsbruck nach Mühlau hinauf nach Hause. Keine 24 Stunden nach dem Unfall. Ich nahm kein einziges Schmerzmittel mehr, da ich die Atemübungen auch alleine zu Hause machen kann. Nach ein paar Tagen wurden die Fäden gezogen, und ich war alsbald zurück auf dem Trail.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, was diese Vegetotherapie nachweislich bewirkt. Aber ich habe am eigenen Leib erfahren, dass sie mir Schmerzen genommen hat, gegen die auch Tabletten machtlos waren. Seither bin ich Fan der Methode und wende sie regelmäßig an. Vor allem zur Regeneration nach intensivem Sport und zur Vor- sowie Nachbereitung von Stresssituationen oder sportlichen Vorhaben. Wie ich mittlerweile weiß, ist diese Methode unter Schulmedizinern umstritten. Allerdings wird sie im Spitzensport bereitwillig und mit Erfolg eingesetzt. (Steffen Arora, 11.11.2018)