Donezk/Kiew – Trotz scharfer Kritik aus Kiew und dem Westen haben die prorussischen Rebellen in der Ostukraine die Einwohner am Sonntag zu Wahlen an die Urnen gerufen. Die Bürger der Rebellengebiete waren aufgefordert, die "Präsidenten" und "Parlamente" der selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk neu zu bestimmen.

Die EU und die USA sehen in den Wahlen im Industriegebiet Donbass einen Verstoß gegen die Minsker Friedensvereinbarungen und riefen zum Boykott auf. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte am Samstag, die Abstimmung sei "illegal und unrechtmäßig". Die EU werde das Ergebnis daher nicht anerkennen. Der US-Sondergesandte Kurt Volker nannte die Wahl eine "Farce". Russland spricht dagegen von legalen Wahlen.

In Donezk zeichnete sich ein Sieg des amtierenden "Präsidenten" Denis Puschilin ab, der früher die Verhandlungen mit der Regierung in Kiew führte. In Luhansk ging ebenfalls der amtierende "Präsident" Leonid Pasetschnik als aussichtsreichster Kandidat ins Rennen. Beide versprachen im Wahlkampf, engere Beziehungen zu Moskau zu knüpfen.

Der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko rief die Bewohner der überwiegend russischsprachigen Gebiete auf, sich nicht an den "gefälschten" Wahlen zu beteiligen. Die Spitzenpolitiker in den Rebellengebieten seien von Russland kontrollierte "Marionetten". In einer Erklärung des Außenministeriums in Kiew hieß es am Sonntag: "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, den politischen und wirtschaftlichen Druck auf den Kreml zu verstärken."

Die beiden aussichtsreichsten Bewerber waren bisher nur übergangsweise im Amt: Der 37-jährige Puschilin führt die "Volksrepublik" Donezk, seitdem sein Vorgänger Alexander Sachartschenko im August bei einem Anschlag getötet wurde. Der 48-jährige Pasetschnik übernahm die Amtsgeschäfte in Luhansk von Igor Plotnizki, der im November 2017 gestürzt worden war.

Geschenke für Wahlteilnahme

Vermummte Kämpfer mit Kalaschnikows bewachten das Wahllokal in Donezk, in dem Puschilin seine Stimme abgeben wollte. Aus Sicherheitsgründen war ihm im letzten Augenblick ein anderes Wahllokal zugeteilt worden als das ursprünglich vorgesehene, wie sein Pressedienst mitteilte. Pasetschnik sagte nach der Stimmabgabe in Luhansk: "Wir sind ein freies Land. Wir leben gemäß unseren Gesetzen." Um die Wahlberechtigten zur Stimmabgabe zu animieren, erhielten sie außer dem Wahlzettel Nahrungsmittel und Tombolalose für Theater- oder Konzertkarten.

Die Wahllokale sollten um 18.00 Uhr schließen. In den beiden Regionen, die rund drei Prozent des ukrainischen Staatsgebiets ausmachen, leben 3,7 Millionen Menschen.

Die prowestliche ukrainische Regierung, die nach den Unruhen auf dem Kiewer Maidan-Platz und dem Sturz des stärker an Russland orientierten Präsidenten Viktor Janukowitsch im Frühjahr 2014 an die Macht kam, steht mit Moskau auf dem Kriegsfuß. Unter Janukowitschs Nachfolger Poroschenko kam es zu einer bis heute andauernden militärischen Konfrontation zwischen ukrainischen Regierungstruppen und bewaffneten Kämpfern im Osten des Landes.

Mehr als 10.000 Menschen wurden in dem Konflikt bereits getötet. Zuletzt töteten die Rebellen nach Armeeangaben am Samstag vier Soldaten. Kiew und der Westen werfen Russland vor, die prorussischen Kämpfer in der Ostukraine mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. Moskau bestreitet das.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Konflikt um die Halbinsel Krim. Russland hatte diese nach einem Referendum der dortigen Bevölkerung unter fragwürdigen Umständen im Sommer 2014 in sein Staatsgebiet eingegliedert. Die USA und ihre Verbündeten sehen darin eine Verletzung des Völkerrechts und verhängten Strafmaßnahmen gegen Russland. Das Minsker Abkommen vom Februar 2015 sollte den Konflikt in der Ostukraine befrieden, doch wird immer wieder gegen dessen Auflagen verstoßen. (APA/AFP)