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Auffällig war vor allem die Gier des Oberst Alfred Redl (1864–1913).

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Gier ist ein mächtiger Faktor – im christlichen Sinne eine Todsünde, im täglichen Leben aber schwer zu unterdrücken. Da gibt es Leute, die beim Frühstücksbuffet die übrig gebliebenen Marmeladenportionen einstecken und auch Heeresverpflegung in größeren Mengen horten. Mit diesem Verhalten ist Martin M. schon während seiner Ausbildung aufgefallen – seine 24 Kameraden im Ausmusterungsjahrgang "Khevenhüller" haben M. daher für ein wenig schrullig gehalten.

Aber dass er für Geld einem ausländischen Nachrichtendienst zuarbeiten würde, das können sich manche bis heute nicht vorstellen. Und dass M. große Geheimnisse verraten hätte, auch nicht. Der Vergleich mit Oberst Redl, den die Kronen Zeitung angestellt hat, passe in keiner Hinsicht.

Parallelen gibt es: Alfred Redl war als Nachrichtenoffizier im Evidenzbüro des k. u. k. Kriegsministeriums und dann als Stabschef des VIII. Korps in Prag tätig – in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg lieferte er Details der österreichisch-ungarischen Rüstungs-, Mobilmachungs- und Aufmarschpläne an Russland. Enttarnt wurde er, weil eine postlagernde Geldsendung an Redl beim Wiener Hauptpostamt der deutschen Spionageabwehr aufgefallen war. Man beobachtete Redl bei ihrer Behebung, verfolgte ihn in das Hotel Klomser in der Herrengasse und legte ihm nahe, sich zu erschießen.

Dann sollte die Affäre vertuscht werden.

Informationen "nicht so brisant"

Auch im Fall des nun enttarnten Oberst M., der 20 Jahre lang Informationen an Russland geliefert haben soll, soll der Hinweis von einem "befreundeten Dienst" gekommen sein, auch an M. soll Geld geflossen sein, man spricht von fünfmal 60.000 Euro. Die von M. gelieferten Informationen sollen aber nicht so brisant gewesen sein – heißt es zumindest offiziell. Allerdings war M., für den die Unschuldsvermutung gilt, nicht nur der einfache Panzer- und später Stabsoffizier, als der er dargestellt wird.

Er dürfte als Mitarbeiter der Luftraumsicherung Zugang zu deren Kommandozentrale in einem geheimen Bunker gehabt haben – und er war zuletzt in der Gruppe Strukturen und Organisation am Wiener-Franz-Josefs-Kai tätig. Brisant ist: M. wurde, obwohl als "national-konservativ" geltend, als "guter Kamerad" eingeschätzt und hat wohl informell etliche Interna erfahren. Dass seine Enttarnung an die große Glocke gehängt wurde, gilt als Warnung an seine nationalen Freunde, die allzu große Liebe zu Russland zeigen. (Conrad Seidl, 12.11.2018)