Josef Trappel über den Einstieg Benkos ins Mediengeschäft: "Ich glaube nicht, dass sich Benko in die Publizistik einmischen wird, er wird auf die Rendite schauen, sich das Geschäftsmodell genauer ansehen und die Kostenseite prüfen."

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René Benko, hier im Dezember 2014 beim Spatenstich für das neue Bank-Austria-Headquarter auf dem Austria Campus in Wien zu sehen, kauft sich via Funke-Mediengruppe bei "Krone" und "Kurier" ein.

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René Benkos Vermögen wird auf 3,7 Milliarden Euro geschätzt. Um kolportierte 100 Millionen Euro oder mehr, wie Branchenexperten schätzen, kauft sich der Immobilien- und Kaufhausriese jetzt bei der "Kronen Zeitung" und dem "Kurier" ein. Benkos Signa-Holding übernimmt von der deutschen Funke-Gruppe 49 Prozent an ihrer Holding für Österreich, die 50 Prozent an der "Krone" und knapp unter 50 Prozent am "Kurier" hält. Welche Auswirkungen der Deal für die beiden Zeitungen hat, analysiert Medienwissenschafter Josef Trappel.

STANDARD: Der Einstieg René Benkos bei der "Krone" und dem "Kurier" ist sehr überraschend gekommen. Was steckt dahinter?

Trappel: Man kann es aus unterschiedlichen Perspektiven sehen. Aus Sicht der "Kronen Zeitung" ist das positiv, weil es nicht mehr nur einen Block gibt, der gegen die Interessen der Dichand-Familie kämpft. Es sind jetzt zwei Eigentümer mit ungefähr jeweils 25 Prozent an Bord. Das stärkt zunächst einmal die "Kronen Zeitung", weil Entscheidungen einfacher zu treffen werden. Umgekehrt ist es so, dass mit Benko eine Firma eintritt, die ein Finanzinvestor ist. Sie wird weniger auf die Publizistik schauen, sondern vielmehr auf die Rendite. Da wird die "Kronen Zeitung" unter Druck kommen. Das Investment des Herrn Benko wird sich nur auszahlen, wenn die Rendite stimmt. Das ist ein neues Element.

STANDARD: Die "Krone" ist auch jetzt nicht nur von publizistischem Interesse getrieben.

Trappel: Auf der Funke-Seite steht ein traditioneller Familienbetrieb, der auch auf die Publizistik schaut und nicht nur auf das Geld. Mit dem neuen Eigentümer Benko ist das schon etwas anderes. So gesehen ist es für die "Kronen Zeitung" eine ambivalente Geschichte. Aus der Sicht der österreichischen Öffentlichkeit, das wäre die zweite Perspektive, muss man zunächst sagen, dass eine Vielfalt an Eigentümerschaft grundsätzlich etwas Positives ist. Hier ist aber zu befürchten, dass die Berichterstattung der "Kronen Zeitung" noch stärker kommerzialisiert wird, weil mit dem neuen Eigentümer ein bestimmtes Profitinteresse verbunden ist. Für den Wettbewerb insgesamt in Österreich spielt es eine nicht allzu große Rolle. Die "Kronen Zeitung" wird dadurch nicht größer oder kleiner, sie bleibt die dominierende Kraft.

STANDARD: Benko hat sein Investment auch mit dem Einstieg in die Digitalisierung argumentiert.

Trappel: Dieses Argument scheint mir am wenigsten überzeugend, das leuchtet mir nicht ein. Die "Kronen Zeitung" hat die Digitalisierung ja nicht gerade erfunden. Was sie bis jetzt tun, ist im Wesentlichen die Abbildung des gedruckten Produktes im Internet. Mittlerweile mit recht gutem Erfolg. Es hat aber lange gedauert, bis sie ihre Position des Marktführers in die virtuelle Welt bringen konnten. Das zeigt, dass die Digitalisierung nicht die Kernstärke der "Kronen Zeitung" ist.

STANDARD: Vielleicht als Plattform, um seine Immobilien oder Waren via krone.at an die Frau und an den Mann zu bringen?

Trappel: Das glaube ich weniger. Die Immobilienbranche ist ja ohnehin schon sehr digitalisiert, was die Vermittlung und Präsentation von Immobilien betrifft. Diese Visualisierung ist schon sehr weit fortgeschritten, von der "Kronen Zeitung" kann man da wenig lernen. Immobilien werden auf anderen Plattformen wie Willhaben beworben, die nicht zur "Kronen Zeitung" gehören.

STANDARD: Milliardäre kaufen sich nicht zum ersten Mal in Medien ein.

Trappel: Internationale Beispiele von Investoren in Medienhäuser zeigen, dass damit auch Prestige verbunden ist. Ein Finanzinvestor, der Kaufhäuser und Immobilien betreibt, möchte halt auch wichtig sein in der Öffentlichkeit. Das wird er schlagartig, wenn er in ein Medium investiert. Das war auch ein Beweggrund, dass Amazon-Gründer Jeff Bezos die "Washington Post" gekauft hat oder warum Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz das Red Bull Media House betreibt. Vor diesem Hintergrund ist das nicht auszuschließen, ohne jetzt die Persönlichkeit des Herrn Benko zu kennen.

STANDARD: Sie glauben auch nicht, dass Herr Benko ein paar seiner Millionen in die Hand nimmt, um in die Redaktion und die Publizistik zu investieren?

Trappel: Ich glaube nicht, dass sich Benko in die Publizistik einmischen wird, er wird auf die Rendite schauen, sich das Geschäftsmodell genauer ansehen und die Kostenseite prüfen. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass jemand aus der Immobilienbranche sich die Kompetenz zutraut, die publizistische Richtung des führenden Mediums in der österreichischen Printlandschaft zu verbessern. Das hielte ich für vermessen. Das tun übrigens auch die anderen Investoren nicht. Die überlassen das der publizistischen Führung, schauen sich aber sehr wohl die Kostenstruktur an.

STANDARD: Wie schätzen Sie den Deal für den "Kurier" ein?

Trappel: Die Situation ist eine andere, weil mit der Raiffeisen-Gruppe andere Eigentümer am Tisch sitzen. Die kommen zwar aus dem Bankensektor, haben aber jahrzehntelange Erfahrungen im Mediengeschäft. Ich glaube nicht, dass es beim "Kurier" zu großartigen Machtverschiebungen kommen wird. Für den "Kurier" wird es auch eher positiv sein, dass er eine vielfältige Eigentümerschaft hat, wenn sie sich nicht maßlos zerstreitet, aber danach sieht es nicht aus. Um den "Kurier" mache ich mir keine Sorgen. Aber es wird bestimmt auch hier zu einer Neuausrichtung des Produktes kommen. Je nachdem, wie aktiv der neue Eigentümer ist, wird die Blattlinie entsprechend angepasst werden. Sie werden wohl mehr als bisher auf Rendite schauen, und die traditionellen Defizite, die der "Kurier" produziert, könnten durch ein striktes Kostenregime verkleinert oder sogar ins Positive gedreht werden. Was aber bei der Werbekonjunktur schwierig werden wird.

STANDARD: Es ginge dann nur über die Ausgabenseite, sprich Stellenabbau.

Trappel: Genau, die Befürchtung ist, dass genau da gespart wird, wo man bei Zeitungen sparen kann. Üblicherweise ist das in der Redaktion, weil dort die höchsten Kosten anfallen. Beim Druck für die Ausgaben kann man schwer sparen, auch wenn die Auflagen sinken. Ohne den Druck sind die meisten Tageszeitungen in Österreich derzeit nicht überlebensfähig. Das heißt, man kann nur in der Redaktion oder in der Verwaltung sparen. Darauf wird Herr Benko sicher schauen.

STANDARD: Manche vermuten, dass das nur der erste Schritt in Richtung Komplettübernahme ist. Sie?

Trappel: Das halte ich für ausgeschlossen. Eine Komplettübernahme der "Kronen Zeitung" ist durch die Familie Dichand abgesichert. An deren Mehrheit ändert sich ja nichts, es ist ja nur die andere Hälfte auf zwei Eigentümer gesplittet. Ob Benko einmal die Funke-Gruppe komplett auskauft, wird von den Renditen der nächsten ein, zwei Jahre abhängen. Entwickelt sich das positiv, könnte er ein Interesse daran haben, allerdings auch die Funke-Gruppe, dass sie ihre Anteile an einem positiv bilanzierenden Unternehmen behält. Bei negativer Entwicklung ist es für beide uninteressant. Ich glaube, Benko sieht sich das einmal in Ruhe an, sonst hätte er ja jetzt schon versuchen können, die gesamten Funke-Anteile zu übernehmen.

STANDARD: Glauben Sie, dass die Kartellbehörden dem Deal noch Steine in den Weg legen können?

Trappel: Das glaube ich nicht, das würden sie ja nur machen, wenn eine Übernahme eine marktbeherrschende Stellung erzeugt, und nachdem Benko bis jetzt nicht im Medienbereich tätig war, rechne ich nicht damit, dass die Behörden hier tätig werden. Ein anderer Aspekt ist, dass sich ausländische Investoren aus Österreich zurückziehen.

STANDARD: Wird der Markt weniger attraktiv?

Trappel: Seit 31 Jahren ist die Funke-Gruppe in Österreich aktiv. Das ist jetzt schon eine Zäsur, dass sich wieder ein großer Player aus Österreich zurückzieht. Das gab es ja bereits mehrfach, dass ausländische Investoren den österreichischen Medienmarkt verlassen. Ob das positiv oder negativ ist, hier gibt es für beides Argumente. Der österreichische Medienmarkt ist für ausländische Investoren nicht mehr so attraktiv, wie er es schon einmal war. Der letzte große Rückzug war jener von Bertelsmann bei der Verlagsgruppe News, jetzt beginnt jener der Funke-Mediengruppe. (Oliver Mark, 14.11.2018)

Grafik: Die neue Eigentümerstruktur

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