Valery Tscheplanowa wird die neue Buhlschaft in Salzburg.

Foto: Imago/Christoph Hardt

Sie ist keine Bolschoi-Ballerina und kein russischer T-34-Panzer, sondern die Quintessenz davon. So ähnlich jedenfalls hat Regisseur Frank Castorf die Schauspielerin Valery Tscheplanowa beschrieben. Schlagkraft und Grazie bringt die gebürtige Russin in ihrer Arbeit tatsächlich unter einen Hut. Zuletzt bewies sie das in der Perser-Inszenierung von Ulrich Rasche bei den Salzburger Festspielen.

Auf das Salzburger Debüt setzt sie nun im nächsten Jahr jene Rolle drauf, die in Österreich gewöhnlich ein Weltecho auslöst: die Buhlschaft im Jedermann. Hier könnte die 1980 in der Sowjetrepublik Tatarstan geborene Künstlerin erstmals in ihrem Leben Entzugserscheinungen bekommen. Denn der auf Siebenstünder (Castorfs Faust) geeichten Artikulationskünstlerin obliegen als Jedermanns Geliebter bekanntlich nur wenige Textzeilen. Die ihr nachgesagte ungeheuere Disziplin wird das Dilemma wohl wettmachen.

Schauspielerin des Jahres

Valery Tscheplanowa ist eine Wucht und wird sicher einmal zu den größten Schauspielkünstlerinnen ihrer Zeit zählen. 2017 wurde sie von deutschsprachigen Kritikern und Kritikerinnen im Fachmagazin Theater heute zur "Schauspielerin des Jahres" gekürt – für ihre Doppelrolle als Margarete und Helena im Volksbühnen-Faust sowie für den Part des Franz Moor in einer Münchner Räuber-Inszenierung.

Aktuell ist Tscheplanowa auch im Rennen um eine Trophäe beim Wiener Nestroy-Preis, der am Samstag verliehen wird (nominiert für die Salzburger Perser).

Bereits als Kind kam Tscheplanowa mit ihrer Mutter, einer Dolmetscherin, nach Deutschland, wuchs im Norden auf und wurde gleich nach ihrem Studium an der Ernst-Busch-Schule Berlin ans Deutsche Theater engagiert, wo Regisseur Dimiter Gotscheff ihre erste prägende Begegnung war. Ihre Ausdrucksstärke, ihre Kraft und eine für heutige Zeiten außerordentlich akkurate Sprechkunst ließen sie, das personifizierte Kraftwerk einer Schauspielerin, bei Castorf und Rasche voll aufblühen.

Die 38-Jährige legt bei den Proben alles auf den Tisch, geht aufs Ganze, ohne Umschweife, auch oft nackt. Mit dem patriarchalen System hat Tscheplanowa keine Probleme, wie sie mehrfach betonte. Sogar Castorfs Beschreibung (er sagte auch, sie hätte "die typische Verlogenheit einer Russin") winkt sie durch und meint in einem Interview mit dem Tagesspiegel, sie sei "kein schöner Charakter und auch nicht sehr beliebt". Wie ehrlich.(Margarete Affenzeller, 14.11.2018)