Bernhard Günther, künstlerischer Leiter des Musikfestivals Wien Modern, wohnt inmitten vieler Einbaumöbel im zweiten Bezirk. Hier lässt er sich gelegentlich auch von Bergpapageien inspirieren.

"In den 1980er-Jahren hat eine Gruppe von Freunden dieses damals abbruchreife Biedermeierhaus im zweiten Bezirk gerettet. Sie haben sich mit dem Architekten Walter Stelzhammer zusammengetan, der es in liebevoller Kleinarbeit umgebaut hat. Am Ende haben sie dafür den Stadterneuerungspreis bekommen.

"Bei meinen Büchern habe ich eine leicht ausfransende Ordnung." Bernhard Günther in seinem Wohnzimmer, das gleichzeitig Arbeits-, Gymnastik- und Musikzimmer ist.
Foto: Lisi Specht

Wir sind 2016 eingezogen. Die Wohnung haben wir ganz banal gefunden. Ich glaube über die Standard-Immobiliensuche. Für uns ist sie perfekt. Oft ist die Entscheidung für eine Wohnung eine irrationale. Meine Frau und ich mögen Wohnungen mit Charakter. Hauptsache, nicht wie aus dem 3D-Drucker. Wenn man versucht, das den Maklern klarzumachen, steigen sie aus. Obwohl sie oft Wohnungen mit irgendwelchen Haken im Angebot haben.

Natürlich ist diese Wohnung nicht wirklich praktisch. Wenn in den Semesterferien unsere Tochter da ist und Besuch kommt, weiß man angesichts des Loftschnitts nicht, wo man die Leute unterbringt – obwohl die Wohnung mit 120 Quadratmetern relativ groß ist.

Bei der Einrichtung haben die von Stelzhammer gestalteten Einbaumöbel viel vorgegeben. Wir haben versucht, neue Regale nach diesem Vorbild zu bauen. Unsere Möbel sind also eine Mischung aus Stelzhammer, Eigenbau und frühem Ikea. Und jedes Stück, das wir austauschen wollen, führt zu langen Diskussionen. Wir sind gerade dabei, das für den Rücken unzumutbare Ikea-Sofa im Arbeitszimmer gegen ein neues auszutauschen. Das ist nicht so einfach. Aber jetzt haben meine Frau und meine Tochter eines gefunden, das ihnen taugte, und nach einem Monat Nachdenkzeit haben wir es bestellt.

Fotos: Lisi Specht

Diese Art, den gesamten Platz mit Einbaumöbeln, so gut es geht, auszunützen, klingt fast ein wenig nach Tokio. Für uns war das notwendig, weil wir vorher in Luxemburg in einem alten Bauernhof gelebt haben. Dort gab es Platz zum Saufüttern. Von dort in eine Stadtwohnung mit unseren ganzen Büchern und CDs zu übersiedeln war schon eine Herausforderung.

Bei meinen Büchern habe ich eine leicht ausfransende Ordnung. Ich finde relativ schnell, was ich suche. Und ich benütze sie auch beim Arbeiten als Assoziationskletterwand. Ich stelle mich davor hin, und auf der Suche nach nichts Bestimmtem halte ich plötzlich ein Buch in der Hand.

Wenn ich sage, dass ich am Karmelitermarkt wohne, fragen Leute oft: 'Wie habt ihr denn das geschafft?' Aber wir haben's ja nicht einmal gesucht! Uns hat ein wenig der Zufall hergeweht. Und dadurch, dass das Haus eine so angenehme, jahrzehntelange Gemeinschaft ist, fühlt es sich gar nicht so nach Hipsterhausen an. Der Gemeinschaftssinn blieb diesem Haus erhalten. Man wird schnell auf ein Glaserl Wein auf diese Terrasse oder in jenes Wohnzimmer eingeladen. Der Plausch über die Pawlatschen ist völlig normal bei uns.

Fotos: Lisi Specht

Ich gehe gern auf den Karmelitermarkt. Aber mir ist auch wichtig, dass es noch diese nicht gentrifizierten alten Ladenlokale gibt. Wobei, wahrscheinlich war unser Haus in den 1980er-Jahren die Speerspitze der Gentrifizierung.

Wir haben beim Wohnen ausgesprochene und unausgesprochene Dos and Don'ts. Ein Do: In der Stadtplanung geht man weg von monofunktionalen Bereichen. Das finde ich auch beim Wohnen interessant. Unser Wohnzimmer ist Arbeitszimmer, Gymnastik- und Musikraum in einem. Es ist alles offen und wandlungsfähig.

Ein Don't? Jeden Tag eine Stunde aufräumen! In Schönbrunn war mein Lieblingsgehege immer das von den Keas. Das sind Bergpapageien. Davor stand ein Schild, das darauf hinwies, dass man sich nicht am Durcheinander im Gehege stören solle. Die Tiere seien sehr kreativ, verspielt und intelligent. Deswegen schaut's so aus. Ich finde, eine Spur bergpapageienmäßiges Durcheinander gehört dazu." (19.11.2018)