Nikola Gruevski hat sich nach Ungarn abgesetzt.

Foto: AFP PHOTO / Robert ATANASOVSKI

Die Ellenbogen angewinkelt, ohne nach links oder rechts zu schauen, stürmte der bullige kleine Mann mit einem Riesentempo dem Ball hinterher. So wie Nikola Gruevski Fußball spielt, so machte er auch jahrelang Politik. Der heute 48-jährige Ökonom arbeitete zunächst für verschiedene Banken, handelte an der Börse, wurde Wirtschaftsminister, schuf Zonen, in denen Investoren bevorzugt werden, und führte eine Flat Tax ein.

Als er 2006 mazedonischer Regierungschef wurde, galt er noch als Reformer, doch die autoritäre Gesinnung brach schnell durch. Mit seinem Cousin, dem damaligen Geheimdienstchef Saso Mijalkov, errichtete er einen Staat im Staat. Die Partei VMRO-DPMNE unterwanderte alle Strukturen. Sie schanzte befreundeten Firmen öffentliche Aufträge zu, schaltete die freie Presse aus, sogar Schlägertrupps wurden eingesetzt.

Das System Gruevski bog sich den Rechtsstaat zurecht, politisierte die Verwaltung und instrumentalisierte die Sicherheitsstrukturen gegen politische Gegner. Gleichzeitig glorifizierte Gruevski das Nationale, war aggressiv gegenüber Nachbarn, förderte eine reaktionäre Gesellschaftspolitik und sympathisierte mit Wladimir Putins Regierungsmodell.

"Mann, der den Sinn für die Realität verloren hat".

Gruevski ließ Skopje mit kitschigen Statuen von Nationalhelden vollstellen, die den Steuerzahler viele Millionen kosteten, und feierte pompös die Einweihung eines neuerrichteten "Triumphbogens".

2015 platzte die Bombe. Denn die Opposition veröffentlichte über Youtube abgehörte Gespräche zwischen den Regierenden. Finanzminister Zoran Stavreski beschrieb Gruevski da als einen "Mann, der den Sinn für die Realität verloren hat". Über die Regierungspolitik sagte er: "Das ist wahnsinnig. Wir sind Geisteskranke. Wir geben Geld für Schokolade aus, wenn wir kein Brot haben."

Die Mazedonier hörten, wie Gruevski Parteimitglieder zwang, Blankorücktritte zu unterschreiben, um sie jederzeit unter Druck setzen zu können. Auch systematische Wahlmanipulationen wurden bekannt. Ein Jahr später musste Gruevski seine eigene Abdankung unterschreiben. Im Mai wurde er wegen Amtsmissbrauchs verurteilt, am Montag sollte er die Haft antreten.

In einem Abhörprotokoll prophezeite Expolizeiministerin Gordana Jankuloska: "Irgendwann werden wir für all das ins Gefängnis gehen." Ob Gruevski dies tun wird, hängt vom Rechtsstaat in Ungarn ab, wohin er sich abgesetzt hat. (Adelheid Wölfl, 16.11.2018)