Grantige Wiener dürften nicht als Hauptproblem wahrgenommen werden.

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Wien – Wien bleibt mit Rang 65 von 72 in der Kategorie "Freundlichkeit" eine der unfreundlichsten Städte weltweit für Expats, also von Firmen ins Ausland entsandte Mitarbeiter. Das verrät das "Expat City Ranking 2018" mit mehr als 18.000 befragten Personen, die im Ausland arbeiten und leben. Im Vorjahr landete Wien in dieser Kategorie gar auf dem vorletzten Platz, gerade noch vor Paris. Im Gesamtranking liegt Wien 2018 mit Platz 34 von 72 im Mittelfeld. 2017 gab es noch Rang 22 unter 51 ausgewerteten Städten.

Grund für die schlechten Ergebnisse in puncto Freundlichkeit könnte die Sprachbarriere sein: Fast die Hälfte (48 Prozent) fand, dass man in Wien ohne Kenntnisse der Landessprache nicht zurechtkommt. Anschluss zu finden scheint für Expats jedoch leichter geworden zu sein: 42 Prozent meinten, dass es einfach sei, neue Freunde zu finden – elf Prozentpunkte mehr als 2017. "Wenn man erst einmal mit den Österreichern Freundschaft geschlossen hat, dann ist ihnen diese sehr wichtig", stellte ein Expat aus Venezuela fest. Am unfreundlichsten ist man laut der Umfrage in Riad, Stockholm und Stuttgart.

Unzufrieden mit der Regierung

Deutlich verschlechtert hat sich die Zufriedenheit mit der politischen Stabilität in der Bundeshauptstadt: Nur mehr 68 Prozent der Befragten bewerteten diese als positiv, während es 2017 noch 83 Prozent waren. "Ich bin unzufrieden mit der derzeitigen Regierung und der Präsenz von rechten Parteien darin", merkte eine Person aus der Schweiz an. Beim Thema Finanzen & Wohnen fanden 43 Prozent, dass es leicht sei, in Wien eine Wohnung zu finden (versus 52 Prozent weltweit). Darüber hinaus gaben viele Expats an, mit ihren persönlichen Finanzen zu kämpfen.

Punkten konnte Wien wie gewohnt beim Thema Lebensqualität und bleibt mit Platz sechs in den Top Ten. Bestnoten gibt es in der Rubrik Transport & Verkehr. Neun von zehn Expats in Wien sahen die Umweltqualität der Stadt (91 Prozent) und ihre persönliche Sicherheit (92 Prozent) positiv. Zufriedener waren Expats in Wien auch mit ihrem Sozialleben – 61 Prozent aktuell im Vergleich zu 53 Prozent im Jahr 2017.

Die drei besten Metropolen für Expats sind Taipeh – das bei ihnen auch als freundlichste Stadt der Welt gilt –, Singapur und Manama. Am anderen Ende der Skala rangiert Riad auf dem letzten Platz, gefolgt von Djeddah und Rom.

Die Rangliste beruht auf der diesjährigen Expat-Insider-Studie des Münchner Unternehmens Internations. Herangezogen wurden Bewertungsfaktoren wie Lebensqualität, Eingewöhnung vor Ort, Berufsleben, persönliche Finanzen und Wohnungsmarkt. Insgesamt haben 18.135 Expats weltweit an der Befragung teilgenommen, diese leben in 187 Ländern.

Wiener Kritik an globaler Umfrage

Die Wirtschaftsagentur Wien kritisiert die Studie massiv. So würden bereits die Antworten von 45 Expats reichen, um ins Städteranking aufgenommen zu werden. Bei geschätzten 25.000 in Wien lebenden Expats sei das nicht wirklich repräsentativ. "Eine Umfrage mit 45 Antworten würden wir uns nie trauen zu veröffentlichen", sagt ein Sprecher dem STANDARD. Internations bestätigt, dass mindestens 45 Teilnehmer für eine Aufnahme ins Ranking nötig sind. Aus Wien hätten aber 200 Expats an der Umfrage teilgenommen, hieß es zum STANDARD.

Wirtschaftsagentur mit eigener Umfrage

Nach dem schlechten Abschneiden bei der Umfrage im Vorjahr gab die Wirtschaftsagentur Wien eine eigene Umfrage unter Expats in Auftrag. Durchgeführt wurde diese zwischen November 2017 und März 2018 von Urban Innovation Vienna. 1.864 Personen wurden kontaktiert, 196 Expats aus 45 Ländern nahmen an der Onlinebefragung teil. Die Hälfte der Teilnehmer stammte aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Kanada. Befragt wurden nur Teilnehmer, die von der Wirtschaftsagentur Wien betreut werden.

Kein Thema bei der Befragung war Freundlichkeit. Laut der Wiener Studie würden aber fast 90 Prozent Wien als Expat-Ziel weiterempfehlen. 84 Prozent der Teilnehmer schätzten die Sicherheit in Wien, mehr als drei Viertel die Sauberkeit und das kulturelle Angebot.

Das schwache Abschneiden in der internationalen Studie erklärte sich Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur, auch dadurch, dass nur ein Viertel der neu ankommenden Expats das Wiener Expat-Center nütze. Hier ortet Hirczi Verbesserungsbedarf – um auch in der internationalen Studie einmal besser abzuschneiden. (krud, APA, 20.11.2018)

In der Rangliste der lebenswertesten Städte des britischen Magazins Economist landete Wien im August auf Platz 1. DER STANDARD hatte sich damals umgehört, ob das von den Menschen in Wien genauso gesehen wird.
DER STANDARD