Die französische Polizei ist derzeit mit den zunehmend gewalttätigen Protesten gegen die Erhöhung der Treibstoffsteuer beschäftigt.

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Auch nach fünf Tagen in bitterer Kälte halten die "Gelbwesten" neuralgische Stellen in Frankreich besetzt – Kreuzungen und Autobahnabschnitte, Supermärkte und Treibstoffdepots. Die "gilets jaunes" – die ihren Namen von den in jedem Auto obligatorischen Warnwesten haben und gegen die Erhöhung der Steuer auf Benzin und vor allem Diesel protestieren – sind weniger zahlreich als bei ihrem ersten Blockadetag am Wochenende. Dafür häufen sich die Gewaltausbrüche. Vorläufige Bilanz: zwei Todesfälle bei Unfällen sowie 650 Verletzte, davon fast hundert Polizisten.

Die Polizei räumt ohne Unterlass Verkehrssperren weg, in erster Linie um Benzinlager, aber auch vor Einkaufszentren und Stadtzufahrten. Die Peugeot-Fabrik in Sochaux blieb aber zum Beispiel am Mittwoch mangels Nachschubs geschlossen. Die Fernfahrer beteiligen sich nicht an den Protesten, vergrößern aber das Chaos, indem sie die Blockierer mit ihren Sattelschleppern selbst zu blockieren suchen.

Die Gelbwesten erhielten am Mittwoch erstmals Zulauf durch eine Gewerkschaft: Force Ouvrière stellte sich hinter ihre Forderung nach einer Senkung der Spritpreise, die zu 70 Prozent aus Steuern bestehen. Am Ärmelkanal schlossen sich Fischer an, in der Provence Mittelschüler. Andere Gruppierungen schwingen sich klammheimlich auf: In der Bretagne wurden vermummte Linksextremisten mit Eisenstangen und Molotowcocktails verhaftet; in der Nähe von Bordeaux steckten vermutlich rechte Identitäre eine Autobahnzahlstelle in Brand. Im Überseegebiet La Réunion im Indischen Ozean brandschatzen Jugendliche seit Tagen, weshalb der Inselpräfekt eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hat.

Bürger werden ungeduldig

Die Regierung in Paris zählte am Mittwoch nur noch 7000 Protestierende, ein Bruchteil der 290.000 von vergangenem Samstag. Die meisten arbeiten allerdings unter der Woche. Am kommenden Samstag wollen sie erneut in Aktion treten – und dabei erstmals Paris oder zumindest die Ringautobahn um die Hauptstadt lahmlegen. Die anfänglich große Popularität der "gilets jaunes" dürfte diese Woche über gelitten haben. Dazu tragen auch Fernsehbilder von kleinen Kindern bei, die mit ihren Eltern im kilometerlangen Autobahnstau übernachten mussten.

Die Gelbwesten verlangen nach der Rücknahme der Steuererhöhung neu auch den Rücktritt Macrons. "Das Volk ist souverän, und das Volk sagt Stopp!", meinte eine ihrer Sprecherinnen, Laetitia Dewalle, um zu einem Referendum für die Absetzung des Staatschefs aufzurufen.

Macron unter Druck

Der Angesprochene bleibt indessen hart. Wie schon bei den Arbeitsmarkt- und Eisenbahnreformen hat er ein paar flankierende Maßnahmen – so eine Abwrackprämie von 4.000 Euro für Geringverdiener – beschlossen. An der Steuererhöhung selbst hält er hingegen fest. Gegen die schlecht organisierten Gelbwesten hat Macron an sich leichteres Spiel als gegen die mächtigen Eisenbahngewerkschaften. Politisch aber dürfte er auf jeden Fall geschwächt aus dem Konflikt hervorgehen. Er hat nun auch das Image eines "Präsidenten der Reichen", der zwar die Vermögenssteuer abbaut, aber für die verarmende Landbevölkerung der Gelbwesten nur Brosamen übrig hat. Seine ökologische Argumentation für die höhere Besteuerung fossiler Brennstoffe dringt nicht bis zu ihnen.

In Paris bilden "grüne Westen" nun eine Gegenbewegung. Diese Umweltschützer verlangen die Wiederaufnahme kleinerer Bahnlinien, die Unentgeltlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel und ein Moratorium neuer Autobahnstrecken. Um den "gelben Westen" entgegenzusteuern, planen sie eine nationale Petition und für den 8. Dezember eine Großdemonstration in Paris. (Stefan Brändle aus Paris, 21.11.2018)