Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Getty Images/Patrick Bombaert

Man muss nicht Franz Kafkas Hungerkünstler gelesen oder Carl Spitzwegs Armen Poeten im Museum gesehen haben, um erahnen zu können, dass die Kunst auch gut 100 Jahre nach Entstehung dieser Werke allzu oft ein "brotloses" Unterfangen ist. Trotz ausgeklügelter Sozialsysteme lebt die Mehrheit aller Kulturschaffenden auch heute prekär, das heißt, an oder sogar weit unter der Armutsgrenze.

5000 Euro netto pro Jahr verdienen Österreichs Kulturschaffende im Durchschnitt aus künstlerischer Tätigkeit, am wenigsten wird mit 3500 Euro in der bildenden Kunst erzielt. Die überwiegende Mehrheit muss durch Zusatzjobs aufstocken, wodurch im Schnitt bis zu 50 Stunden Wochenarbeitszeit anfallen. Erschwerend kommen Lücken bei der Sozialversicherung hinzu, die aufgrund branchenimmanenter kurzbefristeter Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Nicht nur Künstler, sondern auch Kulturarbeiter – also Vermittler, Wissenschafter und sonstige im Kulturbereich Beschäftigte – sind von den Missständen stark betroffen.

Zu diesem Befund kommt eine aktuelle Studie zur sozialen Lage der Kulturschaffenden in Österreich, für die 1700 Fragebögen ausgewertet wurden. In Auftrag gegeben wurde die Erhebung von Exkulturminister Thomas Drozda (SPÖ), veröffentlicht hat sie nun dessen Nachfolger Gernot Blümel (ÖVP). Eine Vorgängerstudie war bereits 2008 unter SP-Bildungsministerin Claudia Schmied erschienen. Schon damals war die Situation der Kulturschaffenden besorgniserregend, in den zehn Jahren seither habe sich daran auch kaum etwas verändert, wie die neue Studie festhält.

Minister ortet Reformbedarf

Gernot Blümel bekennt sich zum Reformbedarf: "Die Tatsache, dass im letzten Jahrzehnt kaum positive Veränderungen erreicht wurden, ist ein klarer und unerfreulicher Befund", so der Minister. Er sei aber "zuversichtlich, dass diese Bundesregierung in der Legislaturperiode wichtige Schritte in die richtige Richtung setzen kann". Wohin genau, werde erst evaluiert. Gedacht wird offenbar an Verbesserungen bei der oft kritisierten Künstlersozialversicherung, Steuererleichterungen für privates Kulturengagement oder an eine Aufstockung bestimmter Fördertöpfe.

Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz, nunmehr "Jetzt", drängt seit vielen Jahren auf Verbesserungen. Er sieht sich bestätigt und moniert, dass die türkis-blauen Maßnahmen bei Mindestsicherung und Arbeitslosenunterstützung die Prekarität noch verschärfen würden. Interessenvertreter der Künstlerschaft fordern in erster Linie eine Aufstockung der Kulturbudgets sowie einen Vollausbau der bestehenden Künstlersozialversicherung.

Allgemein ist zu sagen, dass Österreich mit der prekären Lage seiner Kulturschaffenden nicht alleine dasteht: Vergleichbare Studien, die zu teils noch drastischeren Ergebnissen kommen, gibt es etwa aus Deutschland. (Stefan Weiss)

***

Clara Luzia (40) ist Chefin der gleichnamigen Band und im deutschen Sprachraum bekannt.
Foto: Heribert Corn

Clara Luzia, Musikerin

Ich bin neben meinem Künstlerleben als Musikerin geringfügig im Lokal meiner Frau beschäftigt. Ich könnte wohl allein von der Musik leben, will das aber nicht; das würde noch mehr Druck bedeuten. Mit mir umfasst meine Band fünf Personen, die aber alle auch in anderen Formationen spielen. Produziere ich ein Album, suche ich punktuell um Förderungen an. Zuletzt habe ich 3000 Euro bekommen – für eine 20.000-Euro-Produktion. Mein Einkommen ist gedrittelt. Es besteht aus Tantiemen aus Radio-Airplay, Plattenverkäufen und dem, was ich mit Konzerten verdiene. Tantiemen und Plattenverkäufe garantieren mir ein regelmäßiges Einkommen. Zwei Mal im Jahr geht sich da ein Urlaub aus – zumindest in Österreich, ein Firmenwagen zählt zum Haushalt. Sorge bereitet mir der Gedanke an die Pension oder daran, was sein wird, wenn ich einmal nicht mehr auftreten kann oder will: Eine Vorsorge habe ich da nicht. Könnte ich mir was wünschen, wären das – neben dem Weltfrieden – weitere Radio-Hits. (flu)

***

Johann Lurf (36) macht experimentelle Kurz- und Langfilme – sein Film ★ lief beim Sundance-Filmfestival.
Foto: sixpackfilm/Johann Lurf

Johann Lurf, Filmemacher

Man muss sehr viel arbeiten. Für mich sind Zwölf-Stunden-plus-Tage schon lange Realität. Die wünsche ich jedoch niemandem, der nicht für sich selbst tätig ist. Ich bin ja nicht nur Filmschaffender, sondern auch bildender Künstler. Das heißt, für mich kommen noch Arbeiten für Ausstellungen hinzu. Wenn mir etwas in Richtung Lehre angeboten wird, Vorträge etwa, dann mache ich das auch gern. Würde ich nur als Filmschaffender arbeiten, wäre es schwieriger. Die Filmförderung ist ja nur für die Produktion da. Sie ist sehr effizient, weil sie den Staat wenig Geld kostet – und was dabei herauskommt, ist für ein so kleines Land erstaunlich. Das Geld wird jedoch dafür verwendet, Material oder Mitarbeiterinnen zu bezahlen. Da bleibt nie etwas übrig. Und wenn man selber die Produktion macht, kommt da viel Arbeit zusammen. Das Wort Planungssicherheit gibt es in meinem Leben nicht, es gibt nur Durchhaltevermögen. Bei mir läuft es gerade sehr gut, aber mir ist klar, dass ich mich darauf nicht verlassen kann. (kam)

***

Pippa Galli (33) ist Schauspielerin und veröffentlicht als Singer-Songwriterin bald ihr erstes Album.
Foto: Galli

Pippa Galli, Schauspielerin

Obwohl ich ausgelastet bin, reicht der Verdienst oft nicht. Bei Gagen gibt es im freien Theaterbereich keinen Verhandlungsspielraum, weil ohnehin so wenig Geld da ist. 1000 Euro für eine Produktion, die mich drei Monate beschäftigt, ist mir schon passiert. Ich habe deshalb jetzt das erste Mal eine Werbung gedreht. Meine Idee wäre, das bedingungslose Grundeinkommen bei freien Kunstschaffenden zu testen. Das würde auch die Arbeit der Förderstellen vereinfachen. Ich habe oft kurzfristige Jobs und rangiere deshalb beim AMS im "rotierenden" System, das irre kompliziert und dysfunktional ist. Ich stehe oft mit abgelaufener E-Card beim Arzt. Dieses Ab- und Anmeldesystem ist für unseren Berufsstand nicht ausgerichtet. Gerade als Mutter denke ich oft, ob ich nicht doch noch umsatteln sollte auf etwas Sicheres. In der Pension nichts zu haben, das ist schon eine Angst, die mich umtreibt. Ich sehe das bei Kolleginnen in der freien Szene, die immer gut gearbeitet haben und jetzt Notstandshilfe beziehen. (afze)

***

Manfred Grübl (53) studierte an Akademie und Ange wandten. Er lebt und arbeitet in Wien.
Foto: Grübl

Manfred Grübl, bildender Künstler

Von Kunstverkäufen allein könnte ich nicht leben. Geld verdiene ich auch mit Innenraumgestaltung und Wohnungsumbauten, was aufgrund meiner Studien – Bildhauerei und Architektur – naheliegt. Abseits davon ist es ein Konglomerat verschiedener Quellen: Einreichungen beim Bundeskanzleramt, ab und zu ein Preis, Sponsoren, die manchmal im Austausch Kunst von mir bekommen. Dann auch noch eine Familie zu haben funktioniert nur, wenn der Partner mitspielt. Aber man muss nicht nur das Leben finanzieren, sondern auch die Produktion. Daher sind meine Arbeiten nie vollständig, bleiben fragmentarisch. Realisiert werden sie nur, wenn ich eine Ausstellung habe. Dann gelingt es mir, die Kosten umzuwälzen. Ein Grundproblem heimischer Künstler ist, dass es hier (anders als in den USA) keine Kultur des Kunstkaufens gibt. In den 1980ern war das Mäzenatentum stärker. Sammeln gehört zu einem Lifestyle. Dass man lieber frische, pflegeleichte Künstler will als arme Bohemiens, mag stimmen. (kafe, rg)


***

Lydia Haider (33) ist Autorin, jüngst erschien ihr drittes Buch. Sie ist Mitglied der Burschenschaft Hysteria.
Foto: Karin Hackl

Lydia Haider, Schriftstellerin

Ich hatte bisher stets Glück und kann mich und meine Kinder vom Schreiben erhalten. Das geht sich mit Förderungen und Lesungen gut aus, Lesungen sind dabei viel wichtiger als die Buchverkäufe. Für eine Lesung bekomme ich ein paar hundert bis zu 1000 Euro, im Monat habe ich durchschnittlich zwei Auftritte. Auch ohne meinen Mann würde es finanziell hinhauen. Aber ich kenne Lebensrealitäten von Autoren, die einem schon beim Hinsehen wehtun. Das reicht bis zur drohenden Obdachlosigkeit. Wenn sie ein Stipendium kriegen, müssen viele damit erst einmal Schulden tilgen und wissen dann wieder nicht, wie sie das nächste Jahr rumkriegen. Wenn ich Geld habe, versuche ich dieses daher unter den im Moment Klammeren auszuschütten und so immer mindestens eine Kollegin mitzureißen. Solidarität! Wir sprechen untereinander auch, wer wofür wie viel kriegt, um uns bei Verhandlungen nicht über den Tisch ziehen zu lassen. An die Pension denke ich nicht, als Künstler geht man eh nicht in Pension. (wurm)