Kaum ein Thema bewegt Menschen in städtischen Ballungsräumen heute so stark wie die explodierenden Wohnkosten. Das gilt für Wien und einige Landeshauptstädte genauso wie für andere europäische Großstädte. Selbst wer eine Eigentumswohnung besitzt oder halbwegs günstig mietet, hat oft Kinder oder Freunde, die verzweifelt suchen und nichts Leistbares finden.

Und es gibt auch kaum ein anderes Thema, das konservative und linke Parteien so tief spaltet. Beide Seiten haben Lösungen für das Wohnproblem parat, die sich fundamental unterscheiden. Die einen argumentieren, dass steigende Wohnkosten die Folge von mehr Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung ist. Um dem zu begegnen, müsse mehr gebaut werden. Ein möglichst freier Mietmarkt schaffe Anreize für Investoren, neue Wohnungen zu errichten. Das dämpfe den Mietanstieg; Eingriffe in den Markt bewirkten hingegen das Gegenteil.

Die anderen sehen gerade die Investoren als Schuldige, denn sie würden Grundstückskosten in die Höhe treiben. Dem wollen sie mit Mietobergrenzen und anderen regulatorischen Maßnahmen entgegenwirken. Ein freier Markt mache bloß die Immobilienbesitzer reicher; für günstige Mieten könne nur der Gesetzgeber sorgen.

Im Bund regiert eine rechte Koalition, die eine sanfte Deregulierung des Mietrechts vornehmen will. Doch noch bevor sie konkrete Pläne vorlegt, prescht die rot-grüne Wiener Stadtregierung mit einer Novelle vor, die genau in die andere Richtung geht – und das auf recht radikale Weise. Zwar wird in der Bundeshauptstadt derzeit so viel gebaut wie noch nie, doch vor allem im hochpreisigen Sektor, wovon Durchschnittsverdiener wenig haben. Gemeinnützige Bauträger haben es hingegen immer schwerer, Baugrund zu finden, auf dem sie wirtschaftlich rentabel günstige Mietwohnungen errichten können.

Leistbare Mieten

Wer in Zukunft ein größeres Wohnbauprojekt plant, muss daher zwei Drittel des Wohnraums für den geförderten Wohnbau mit leistbaren Mieten reservieren. Damit soll dem Rückgang im sozialen Wohnbau entgegengesteuert werden. Die Erwartung der Stadtregierung: Wird Wohnbau weniger profitabel, dann verlieren Investoren und Spekulanten das Interesse, dann sinken die Grundstückspreise – und damit die Gesamtwohnkosten. Doch die Kritiker befürchten ein anderes Szenario: Es werde dann weniger Baugrund auf den Markt kommen, weil Eigentümer erst gar nicht verkaufen. Dann sinkt das Neubauvolumen, und dann steigen die Mieten.

Wer hier recht hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, denn der Immobilienmarkt ist unberechenbar. Unbedachte Eingriffe erweisen sich oft als Bumerang. Die nunmehr beschlossene Zwei-Drittel-Quote für den geförderten Wohnbau ist möglicherweise zu hoch und droht so manches bisher attraktive Projekt zu verhindern. Und ein Zwang zum Bauen auf gewidmeten Grundstücken, der hier Abhilfe schaffen könnte, ist rechtlich schwierig umzusetzen. Allerdings verfolgen die Kritiker oft ein Eigeninteresse: Wer Grundstücke besitzt, dem drohen jedenfalls Verluste, selbst wenn die Wohnkosten insgesamt sinken.

Aus wahlpolitischer Sicht aber macht Michael Ludwig sicher das Richtige. Das Thema Wohnkosten bewegt die Wähler von Innsbruck bis Wien, und der Bürgermeister zeigt Handlungsbereitschaft. Ob es Wohnen tatsächlich günstiger macht, wird man erst nach der Wien-Wahl 2020 wissen. (Eric Frey, 22.11.2018)