Jan Böhmermann in seinem Kölner Studio.

Foto: ZDF und Ben Knabe

Er ist der Schrecken aller B-Promis und verärgert Woche für Woche Politiker von Berlin über Budapest bis Istanbul. Mit seiner Show Neo Magazin Royale auf ZDF neo hat der Satiriker Jan Böhmermann in den letzten Jahren jene Lücke gefüllt, die ihm die Late-Night-Legende Harald Schmidt hinterlassen hat. Am 6. Februar kommt der Deutsche mit seinem Show-Orchester für ein Konzert in den Wiener Gasometer.

STANDARD: Einer Ihrer Coups bestand darin, dass Sie es mit einem von Zooäffchen getexteten Lied bis in die Charts geschafft haben. Der Text war vollkommen sinnbefreit, es gibt trotzdem Leute, die den Song im Radio hören, ohne stutzig zu werden. Was sagt das über Musik?

Böhmermann: Mir haben kürzlich Zuschauer bei Instagram geschrieben, dass das Lied Menschen, Leben, Tanzen, Welt im Vapiano – so eine Art McDonald's für Menschen aus dem Festangestelltenmilieu – rauf und runter läuft. Es ist verblüffend, wie selbst vollkommen belanglos getextete Musik, wenn sie gefühlvoll vorgetragen wird, Dinge auslöst, die sie eigentlich gar nicht auslösen dürfte. Die Ironie des Songs verblasst im Laufe der Zeit immer mehr, der Text wird dann egal. Es ist ein bisschen so, wie wenn man sich in einer Beziehung ironisch Schatzi nennt, und irgendwann wird daraus eine vollkommen ernst gemeinte Bezeichnung.

NEO MAGAZIN ROYALE

STANDARD: Mit Ihrem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld gehen Sie jetzt auf Tour. Was wird man da zu hören bekommen?

Böhmermann: Wir haben sehr viele Songs in den letzten fünf Jahren aufgenommen, die wir teilweise nur einmal gespielt haben. Jetzt mussten wir uns eingestehen: Verdammt noch mal, da sind echt gute Songs dabei. Das Rundfunk-Tanzorchester besteht aus fantastischen Musikern, die man auch einmal solistisch von der Leine lassen muss. Es ist geplant als ein Abend mit wenig Wortanteil, aber man weiß nie, was passieren wird.

janboehm

STANDARD: Ein Konzert spielen Sie auch in Österreich oder "Alpen-Sachsen", wie Sie es nennen. Ist Ihnen das ein Anliegen, oder geht's ums Geschäft?

Böhmermann: Als Deutscher ist es immer wichtig, dass man, bevor man die Welt erobern möchte, die Österreicher im Sack hat. Es ist kulturelle Entwicklungshilfe oder schon fast Sozialarbeit, die ich hier leisten will. Ich bekomme wahnsinnig viele Nachrichten aus Österreich von Leuten, die verzweifelt sind, weil sie sich schämen dafür, womit das Land dauernd in den Schlagzeilen ist. Es ist also eine Handreichung, ein aufmunterndes Schulterklopfen. Zum Geschäft: Ich hatte ja erst geplant, dass wir ohne Gage spielen, aber das geht leider nicht, weil das Orchester ja Geld kostet.

STANDARD: Sie werden aber nicht die österreichische Bundesregierung der Ziegenliebe bezichtigen, wie Sie es beim türkischen Präsidenten gemacht haben?

Böhmermann: Da müssen Sie jetzt vorsichtig sein, denn ich habe niemanden jemals irgendetwas bezichtigt. Ich habe eingebettet in ein juristisches Proseminar etwas Uneigentliches gereimt. Trotzdem möchte ich den STANDARD-Lesern und besonders denen, die normalerweise lieber FPÖ-TV schauen, sagen, dass ich mich niemals so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten würde, dass der österreichische Kinderkanzler ein einfältiger Klemmfaschist ist. Aber fragen Sie mich das, wenn Sie wollen.

STANDARD: Das tu ich nicht. Aber von einer Zeitung wurde er als "Feschist" bezeichnet. In Deutschland soll er sensationelle Beliebtheitswerte haben. Warum?

Böhmermann: Na ja. Ich habe gehört, dass der Chefredakteur der Bild-Zeitung Sebastian Kurz duzt. Tatsächlich ist der Bild-Chef in Deutschland der Einzige, bei dem Kurz beliebt ist. Aber wahrscheinlich nur, weil er sich ihm intellektuell und körperlich überlegen wähnt. Alle anderen halten Sebastian Kurz für einen per Zufall ins Amt gestolperten Heiratsschwindler. Ich würde ihn nicht als "Feschist", sondern als "Faulist" bezeichnen. Er ist ja zu faul, selbst Faschist zu sein, und lässt das einfach die machen, die Übung darin haben. An dieser Stelle schöne Grüße an HJ Strache.

STANDARD: Was ist Ihre Meinung zum Vizekanzler?

Böhmermann: Er hat mir besser gefallen damals bei der Wehrsportgruppe und bei der Wiking-Jugend. Da hatte er noch einen knackigeren Bizeps. Er hat ein bisschen nachgelassen bei der Körperlichkeit, und die Gesichtsfarbe ist mir ein bisschen zu teigig. Er hat etwas Leberkäseartiges in letzter Zeit. Ich würde mir wünschen, dass er zum Konzert kommt. Dann würde ich mit ihm alle drei Strophen unserer ehemals gemeinsamen Nationalhymne singen.

STANDARD: Würden Sie auch drei Bier mit ihm bestellen?

Böhmermann: Nein, ich bin ja Non-Alkoholiker, aus religiösen Gründen. Aber ich könnte mir vorstellen, mit dem kompletten FPÖ-Bundesvorstand ein Lied auf der Bühne zu singen, das in Deutschland verfassungsfeindlich ist. Einfach um zu gucken, was passiert. In Österreich wahrscheinlich nicht mehr viel.

STANDARD: Ihre Show Neo Magazin Royale zielt stark auf die Internet-affine "Generation Y" ab. Wie denken Sie über diese heute 20 bis 35-Jährigen?

Böhmermann: Diese jungen Menschen sind das Rückgrat jeder Gesellschaft und die Zukunft Österreichs. Das ist die Generation, die den Leuten über 50 die Router und das WLAN einrichtet. Also da sollte man sich vielleicht ein bisschen freundlicher denen gegenüber verhalten.

STANDARD: Ihr Wiener Pendant sind Stermann/Grissemann mit "Willkommen Österreich". Was würde passieren, wenn Sie für eine Ausgabe Ihre Shows tauschten?

Böhmermann: Es würde auf beiden Seiten große Verwirrung und Verwunderung geben. Und auch schnell viel Hass auf sich ziehen. Also würde ich sagen: Das ist eine sehr gute Idee. Ich glaube aber, Stermann und Grissemann könnte ZDF neo gar nicht bezahlen. Bekäme ich dann eigentlich das Gehalt von beiden oder nur von einem? Weil wenn, dann würde ich gern das Gehalt von Stermann haben. Der hat richtig gut verhandelt und bekommt wesentlich mehr vom ORF, habe ich gehört.

Gagolero

STANDARD: Mit Ralf Kabelka haben Sie ja auch einen Konterpart in der Show. Wie wichtig ist der?

Böhmermann: Der ist ganz wichtig. Denn immer, wenn etwas schiefläuft, kann man die Schuld auf jemanden abwälzen. Wenn aber der Konterpart einen guten Witz macht, kann man hinterher sagen: Der Witz von Ralf war eigentlich meiner. Auch wegen etwaiger staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist der Partner wichtig. Dann muss man nicht allein im Knast sitzen.

STANDARD: Das "Neo Magazin" hat eine Investigativschiene. Inwiefern übernimmt Satire vermehrt die Aufgabe von Journalisten?

Böhmermann: Meiner Meinung nach soll sie das gar nicht. Gelegentlich ist es ein Mittel zum Zweck, dass man einmal etwas tiefer und genauer in die Themen hineingeht. Aber das findet man ja auch im klassischen Kabarett.

NEO MAGAZIN ROYALE

STANDARD: Zum Kritischen: Ihnen wird oft Arroganz vorgeworfen.

Böhmermann: Arroganz werfen mir eigentlich nur die vor, die nicht ganz so gut und erfolgreich sind wie ich. Schreiben Sie da bitte jetzt in Klammer "lacht" dahinter, sonst versteht niemand die Ironie. (Lacht.)

STANDARD: Muss ein guter LateNight-Talker ein Stück weit Arschloch sein?

Böhmermann: Ich werde dafür bezahlt, dass ich etwas bin, was ich nicht bin. Das darf man nie vergessen. Ein guter Late-Night-Talker muss also vor allem die Rolle des Arschlochs glaubwürdig spielen können.

STANDARD: Zuletzt standen Sie aber auch in den Feuilletons in der Kritik: Der Comedian Oliver Polak hat Ihnen in seinem Buch "Gegen Judenhass" vorgeworfen, Sie hätten übers Ziel schießende antisemitische Witze über ihn gemacht. Was sagen Sie dazu?

Böhmermann: Das etwas dünn geratene Buch hält leider, was dieser spektakuläre Vorwurf verspricht. Grundsätzlich freue ich mich aber immer, wenn sich Kollegen, mit denen ich mir gemeinsam solche Sketche ausgedacht, sie geprobt und aufgeführt habe, acht Jahre später überhaupt noch an mich erinnern.

STANDARD: Polak soll mehrfach deutlich gemacht haben, dass ihm die Witze über sein Judentum zu weit gehen. Spielt das für Sie gar keine Rolle?

Böhmermann: Jede Einzelmeinung wird gezählt, das ist Ehrensache. Aber Menschen verwechseln nun einmal gern das uneigentlich Gesprochene mit der Wirklichkeit oder den Schauspieler mit seiner Rolle – ganz gleich ob absichtlich oder unabsichtlich. Leider verbietet es mir meine Berufsehre, da selber etwas zur Entwirrung oder Erklärung beizutragen. Mein Job ist es, auf der Bühne jemand zu sein, der ich nicht bin, und Dinge zu sagen, die ich nicht meine. Ein Leben zwischen Spiegel und Projektionsfläche. Wer Unernst ernst nimmt, muss in Kauf nehmen, dass Menschen Dargestelltes im Dunst der aufgewühlten Gefühle nicht richtig einordnen. Das ist der Kern der Kunst. Ich habe mir ein paar Auftritte des Kollegen bei Youtube angesehen. Ich hoffe, er versteht, was ich meine.

STANDARD: Die Gretchenfrage: Wo liegen die Grenzen von Satire?

Böhmermann: Wahrscheinlich bei der ernsthaften Beantwortung dieser Frage. (Stefan Weiss, 24.11.2018)