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Ein Bild vom Nationalfeiertag Gibraltars am 10. September, bei dem Menschen die Staatsflagge schwenkten. 96 Prozent der Gibraltarer stimmten beim Brexit-Votum für einen Verbleib in der EU.

Foto: AP / Marcos Moreno

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Premierministerin Theresa May traf am Samstag in Brüssel EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

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Madrid/Brüssel – Spanien und die EU haben mit einer Einigung im Streit um Gibraltar in letzter Minute den Weg für den Brexit-Gipfel am Sonntag geebnet. "Europa und Großbritannien haben unsere Forderungen akzeptiert", sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez am Samstag in Madrid. Seine Vetodrohung gegen das Abkommen zum Austritt Großbritanniens aus der EU nehme er daher zurück.

Er werde für die Brexit-Vereinbarung stimmen, sagte Sanchez. EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigte in einer Erklärung, dass der Brexit-Gipfel in Brüssel wie geplant stattfinden werde. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich "froh" über die Einberufung des Sondertreffens. "Als Ratsvorsitz werden wir weiterhin alles tun, um die Einheit der EU-27 zu gewährleisten", versicherte er.

"Brexit": Einigung in Gibraltar-Frage
ORF

Der spanische Regierungschef hatte auf eine Klarstellung gepocht, wonach es zu jeder Gibraltar betreffenden Vereinbarung zuerst eine Einigung zwischen Madrid und London geben müsse. Dies habe die britische Regierung nun schriftlich zugesichert. Nach dem Brexit werde "die politische, juristische und sogar auch die geografische Beziehung Gibraltars zur EU von Spanien bestimmt werden", sagte Sanchez.

Spanien werde sich weiterhin für "die Entkolonialisierung" Gibraltars einsetzen, betonte der sozialistische Politiker. "Wir haben einen entscheidenden und entschlossenen Schritt nach vorne getan, und wir haben absolute Garantien erhalten, um einen Konflikt zu lösen, der seit mehr als 300 Jahren anhält." Einem EU-Diplomaten zufolge hatten sich die Verhandlungen die gesamte Nacht hingezogen.

Garantiepaket

Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel bekommt Spanien zwei Zusicherungen aller 27 EU-Staaten sowie einen Brief der britischen Regierung und einen von Ratschef Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – also ein Garantiepaket mit vier Elementen, dass Spanien künftige Vereinbarungen mit Blick auf Gibraltar im Voraus prüfen und billigen darf. Die von Spanien ursprünglich verlangten Änderungen an den Brexit-Verträgen wird es demnach hingegen nicht geben. Rechtlich hätte Spanien beim Beschluss des Austrittsabkommens auch überstimmt werden können, doch die künftigen Beziehungen zwischen der EU-27 und London müssen einstimmig geregelt werden.

Die kleine Halbinsel im Süden Spaniens ist seit Jahrhunderten britisches Überseegebiet. Wegen der strategischen Lage an der für den Seehandel wichtigen Straße von Gibraltar gibt es schon seit langem Streit zwischen den Regierungen in Madrid und London. In der spanischen Region Andalusien, einer Hochburg von Sanchez' Sozialisten, finden am Sonntag kommender Woche Regionalwahlen statt, weshalb EU-Diplomaten hinter Sanchez' harter Haltung innenpolitische Motive vermuten.

45 Jahre in der EU

Das Vereinigte Königreich stimmte im Sommer 2016 knapp für das Goodbye und wird die EU nach 45 Jahren Ende März verlassen. Der Austritt sei kein Grund zur Freude, doch hätten die restlichen 27 EU-Mitglieder in den schwierigen Zeiten "Einigkeit und Solidarität" bewiesen, sagte Tusk.

Die britische Premierministerin Theresa May wurde am Samstagabend zu einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Tusk in Brüssel erwartet. Dort sollen letzte offene Fragen geklärt werden, bevor die EU 27 die beiden Brexit-Abkommen am Sonntag unterzeichnen. Kurz sagte, dass die Staats- und Regierungschefs nach ihrem Sondergipfel mit May "über die weiteren Schritte sprechen" werden. Neuerlich betonte er, dass in den Brexit-Verhandlungen "das bestmögliche Ergebnis" erzielt worden sei und dankte Chefverhandler Michel Barnier für seine "ausgezeichnete Arbeit".

Parlament muss zustimmen

Die Verträge wurden in den vergangenen Wochen und Monaten mühsam zwischen Brüssel und London ausgehandelt. Sie bestehen aus einer Erklärung zur Zukunft zwischen der EU und dem Königreich nach dem Ausscheiden und einem 585 Seiten dicken Ausstiegsvertrag. Dieser legt die Regeln für das Ende der britischen Mitgliedschaft juristisch verbindlich fest.

Nach der Unterzeichnung in Brüssel steht noch die Zustimmung des britischen und des EU-Parlaments aus. Der Austrittsvertrag sieht eine Übergangsperiode bis Ende 2020 vor, in dem Großbritannien weiterhin an das EU-Recht gebunden ist und auch ins EU-Budget einzahlen muss. In diesem Zeitraum, der bis Ende 2022 verlängert werden kann, soll detailliert über die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen der EU-27 zu Großbritannien verhandelt werden.

Die schwierigste Aufgabe steht May allerdings noch bevor. Im Unterhaus ist keine Mehrheit für den Brexit-Deal in Sicht, Medienberichten zufolge wollen mehr als 80 konservative Abgeordnete das Abkommen nicht mittragen. Die Opposition will das Abkommen ebenfalls geschlossen ablehnen.

Die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), von deren Unterstützung im britischen Parlament Mays Regierung abhängig ist, forderte die Premierministerin erneut von einer Abkehr von dem Brexit-Abkommen auf. May dürfe nicht "einen Deal um jeden Preis" schließen, sagte Vize-Parteichef Nigel Dodds bei einem DUP-Parteitag in Belfast und verlangte: "Premierministerin – werfen sie den Backstop in den Müll. Gemeint ist damit die geplante Auffanglösung für Nordirland, wonach die britische Provinz nach der Übergangsphase in der EU-Zollunion bleibt und weite Teile der Bestimmungen des Binnenmarktes übernimmt. (APA, Reuters, 24.11.2018)