SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warnt, dass die Tiroler Landesgruppe bei wichtigen Entscheidungen nicht mehr dabei sein könnte.

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Wels – Die frisch gekürte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab nach einer Marathon-Sitzung beim Parteitag in Wels dem STANDARD ein Interview. Dabei kündigt sie ein rotes Bildungskonzept an, lässt sich aber bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung kaum in die Karten schauen – außer, dass die Entlohnung dabei nicht angetastet werden soll. Beim von ihr heftig kritisierten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) findet sie nur eine Stärke: Er sei ein echter "Marketingprofi".

STANDARD: Selbst Ihre Parteifreunde haben erklärt, sie hoffen, dass Sie nach dem Parteitag medial endlich wieder Präsenz zeigen. Nach der Nominierung waren Sie plötzlich weg – warum?

Rendi-Wagner: Das habe ich so nicht empfunden. Ich habe zahlreiche Interviews gegeben. Aber natürlich habe ich mich auch intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Partei auseinandergesetzt. Ich habe viele Gespräche geführt, war in vielen Bundesländern, in den Landesparteivorständen.

STANDARD: In einer Market-Umfrage sagen 17 Prozent der Befragten, sie können bei der SPÖ kein klaren Plan für Österreich ausmachen. Wie wollen Sie das ändern?

Rendi-Wagner: Das haben wir gestern geändert. Da geht es um ein Grundsatzprogramm, das beschlossen wurde. Und mir war wichtig, dass wir nicht nur Antworten, sondern mutige Antworten auf die Herausforderungen der Zeit geben. Dass wir hier nicht zögerlich stecken bleiben am Weg, sondern wirklich in die Zukunft schauen. Stichwort Digitalisierung, Stichwort Bildung. Stichwort Migration.

Die Rede von Pamela Rendi-Wagner.
ORF

STANDARD: Sie haben in Ihrer Rede die Regierung und Kanzler Sebastian Kurz scharf kritisiert, Sie haben Worte wie "feig", "selbstverliebt", "arrogant", "armselig" verwendet – fällt Ihnen auch etwas Positives zu Kurz ein?

Rendi-Wagner: Ich denke, er ist ein wirklicher Marketing-Profi. Er ist perfekt in der Selbstdarstellung und Inszenierung. Aber er ist für mich kein guter Politiker, weil er die Lebensumstände der Menschen in diesem Land nicht verbessert.

STANDARD: Neben Kritik haben Sie auch konkrete Forderungen formuliert. Darunter 5.000 zusätzliche Lehrkräfte für so genannte "Brennpunktschulen". Woher soll das Geld dafür kommen?

Rendi-Wagner: Vor dem Hintergrund steigender Steuereinnahmen und einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent denke ich: Die beste Investition von diesen zusätzlichen Einnahmen ist Bildung. Es ist die Verantwortung der Politik, hier zu investieren.

STANDARD: Also umschichten? Von wo ziehen Sie das Geld ab?

Rendi-Wagner: Wenn zusätzliches Geld hereinkommt, ist die Frage, wohin mit diesem Geld. Das ist eine Frage, die die Politik zu beantworten hat. Bildung sollte hier im Fokus stehen.

STANDARD: Julia Herr, die Chefin der Sozialistischen Jugend, kritisiert an der eigenen Partei, man wage nicht Träume zu formulieren, weil man daran zweifle, ob sie umsetzbar sind. Ist das die Erklärung dafür, dass Sie zwar einzelne bildungspolitische Maßnahmen fordern, aber keinen großen Wurf wagen?

Rendi-Wagner: 5000 Lehrer mehr und der Ausbau der Ganztagsschule sind wichtige Eckpfeiler. Aber ja, es wird darüber hinaus Vorschläge geben, wir werden ein Bildungskonzept präsentieren.

STANDARD: Wann?

Rendi-Wagner: Wahrscheinlich Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres.

STANDARD: Was soll da neben Gesamt- und Ganztagsschule und dem zusätzlichen Lehrpersonal drinnen stehen?

Rendi-Wagner: Das werden wir der Öffentlichkeit präsentieren, wenn es soweit ist. Das Konzept ist gerade unter der Federführung von Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid in Ausarbeitung.

STANDARD: Wenig konkret bleibt auch der Wunsch nach Einführung einer 35-Stunden-Woche. Wer ist hier die Zielgruppe?

Rendi-Wagner: Das ist ein Thema, das wir nicht von heute auf morgen umsetzen können. Das muss man mittel- und langfristig planen. Klar ist schon: Wenn wir als Wirtschaftsstandort die Herausforderung der Digitalisierung proaktiv gestalten wollen und gleichzeitig den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ernst nehmen, dann braucht es auch einen mutigen Blick in die Zukunft. Und der kann – wollen wir Vollbeschäftigung halten – nur bedeuten, dass wir an Arbeitszeitverkürzung denken müssen.

STANDARD: Soll dieses Modell nur für bestimmte Berufsgruppen oder für alle gelten?

Rendi-Wagner: Auch in den 1970ern, als die Arbeitszeit verkürzt wurde, ging das schrittweise. Es gibt Berufsgruppen, bei denen man sich möglicherweise schneller darauf einigen kann, als bei anderen.

STANDARD: Bei gleichbleibendem Lohn?

Rendi-Wagner: Alle müssen von etwas leben. Natürlich soll die Arbeitszeitverkürzung bei voller Bezahlung greifen.

STANDARD: Warum sollen die Unternehmen da mitspielen?

Rendi-Wagner: Es ist ganz wichtig, dass die Wirtschaft hier an Bord ist.

STANDARD: Was wäre für diese Seite der Anreiz?

Rendi-Wagner: Motivierte, gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das kann nur im Interesse der Wirtschaft sein.

STANDARD: Bei der Bundesfrauenkonferenz wurde der Antrag abgesegnet, dass Kinder, deren Eltern seit fünf Jahren im Land leben, die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Wollen Sie das auch?

Rendi-Wagner: Es gibt insgesamt über 100 Anträge. Ich werde mir die Debatte darüber anhören, will dem aber nicht vorgreifen.

STANDARD: Die SP-Frauen haben auch den Rücktritt des designierte Tiroler Landeschefs, Georg Dornauer, wegen dessen sexistischer Äußerung in Richtung einer Grünen-Abgeordneten gefordert. Warum Sie nicht?

Rendi-Wagner: Für mich ist die Aussage von Dornauer absolut inakzeptabel, deswegen habe ich sofort eine Konsequenz gezogen und habe seinen Einzug in die Bundesgremien verhindert. Ich wollte ihn nicht als meinen Stellvertreter haben. Der Rest ist Sache der Tiroler Landespartei. Dort findet Anfang Dezember ein Parteivorstand statt, wo diese Causa Thema sein wird.

STANDARD: Stört es Sie, dass er Landesparteichef ist?

Rendi-Wagner: Im Parteivorstand werden strategisch wichtige bundespolitische Entscheidungen getroffen – wenn er dort nicht dabei ist, ist das wirklich eine harte Konsequenz. Dieses klare Zeichen war mir wichtig. (Peter Mayr, Karin Riss, 25.11.2018)