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Kanzler Kurz bei Premierministerin May, 22. November.

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Trotz vieler offener Fragen bemühte sich Theresa May um einen positiven Blick auf den Brexit.

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Brüssel – Die 28 Staats- und Regierungschefs der EU haben beim Sondergipfel in Brüssel am Sonntag den Brexit-Deal gebilligt. Dazu gehört der Vertrag über die Bedingungen zum EU-Austritt am 29. März 2019 ebenso wie eine "politische Erklärung", dass man in Zukunft in einer engen Wirtschaftspartnerschaft bleiben will.

Damit ist der Weg frei für die entscheidende Abstimmung im britischen Unterhaus. Diese soll laut Premierministerin Theresa May in zwei Wochen stattfinden. Geht sie gut aus, kann der EU-Austritt geordnet abgewickelt werden. Bei Ablehnung des Abkommens droht das Szenario eines ungeordneten Brexits in vier Monaten. EU-Regeln würden über Nacht nicht mehr gelten. Das wollen die EU-Regierungschefs unbedingt vermeiden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bestätigte in Brüssel jedoch, dass es in Wien für diesen Fall einen Notfallplan gebe: "Wir haben uns als Regierung jetzt schon darauf vorbereitet", sagte er. Es gebe eine Taskforce, hauptbetroffen sind Innen-, Finanz- und Verkehrsministerium. Laut Kurz würde die Regierung alles tun, um die Rechte der Österreicher zu sichern, die in Großbritannien leben. Man müsste bei einem Chaosbrexit rasch Flugrechte und die wichtigsten Zollfragen klären.

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Ein tiefes schönes Ultramarinblau ist die Farbe der Europäischen Union. Sie findet sich überall auf Dokumenten der Gemeinschaft, Tafeln, auf der Europafahne. Sogar Laufteppiche bei Galaempfängen wurden schon gesehen. Geht es nach dem Farbcode, dann wollte die britische Premierministerin Theresa May am Sonntag beim EU-Sondergipfel, der die Billigung des vor zwei Wochen vereinbarten britischen EU-Austrittsvertrags zum Thema hatte, ein Zeichen der Verbundenheit setzen.

Ausgerechnet, an dem Tag, an dem man sich auf höchster Ebene traf, "um leider unsere Scheidung zu beschließen", wie Luxemburgs Premier Xavier Bettel sagte, erschien May im strahlend blauen Kostüm. Und während etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel von "einem traurigen Tag" sprach, weil man mit dem Brexit am 29. März 2019 einen äußerst wichtigen Partner verliere, suchte die Britin bei ihrer Abschlusspressekonferenz Optimismus zu verbreiten: Der Wille der britischen Bevölkerung zum EU-Austritt sei klar, es werde mit ihr keine zweites Referendum geben, sagte sie.

Umso mehr sei es aber "die Pflicht" ihrer Regierung gewesen, bei den Verhandlungen mit den EU-27 "das bestmögliche Ergebnis" zu erreichen. Es gelte nun "in die Zukunft zu schauen": "Das Beste liegt vor uns." Das war angesichts des Drucks, der auf May lastet, und angesichts einer drohenden Niederlage beim Votum über den Brexit-Deal im Unterhaus in London, fast provokant.

"Take it or leave it!"

Laut Kanzler Sebastian Kurz, dem derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden, sei jetzt ein Moment eingetreten, in dem man sich mit Ja oder Nein entscheiden müsse: "Take it or leave it!" Nachverhandlungen werde es nicht geben, betonte er, genauso wie einige Zimmer weiter Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron.

Die 27 übrigen EU-Staaten seien sich absolut einig, erklärte auch Brexit-Chefverhandler Michel Barnier, dass es am Vertrag keine Änderungen mehr geben soll, der unter anderem die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien, die finanziellen Verpflichtungen Londons und die offene Grenze zwischen Nordirland und der EU-Republik Irland garantiert.

Nicht ganz so deutlich ist, ob es bei der gemeinsamen politischen Erklärung über das künftige Verhältnis zwischen der EU und dem künftigen Drittland Großbritannien nach einem EU-Austritt im Fall des Falles nicht doch noch Abänderungen – Zugeständnisse – an die Briten geben könnte, um ein Scheitern, ein No-Deal-Szenario bis März 2019 abzuwenden.

So war es erst wenige Stunden vor Beginn des Gipfels gelungen, den spanischen Premier Pedro Sánchez über diesen Weg einzufangen: Er hatte wegen des Streits um Gibraltar mit Veto gedroht, sollte seinem Land nicht eine besondere Rolle zugeschrieben werden. Dem kam die EU nach.

Vielleicht war auch das ein Grund, warum May so bestimmt und ruhig auftrat: Sie hat erkannt, dass es jetzt absolute Entschlossenheit braucht, um für eine Mehrheit im Unterhaus zu kämpfen. Sie hat trotz enormer Widerstände in ihrer Partei alles getan, um ein Ergebnis nach Hause zu bringen. Und nun setzt daher nun ganz auf die Briten, die sie auch direkt immer wieder ansprach: Es gehe um eine Sache "nationalen Interesses". Das Land bekomme die "Souveränität über die Kontrolle der Grenzen, der Finanzen und der Gesetze zurück", bleibe aber eng mit der EU verbunden bleiben, vor allem wirtschaftlich.

Dies wird nun auch die Hauptbotschaft in der Brexitkampagne der nächsten zwei Wochen sein. Die EU-Partner können derweil nur zuwarten, was passiert.

Geht der Vertrag in London durch, dann kann der EU-Austritt in Ruhe abgewickelt werden. Das EU-Parlament würde den Deal im Jänner sicher ratifizieren, sagte Präsident Antonio Tajani.

Fällt der Brexitvertrag aber durch, dann wird der nächste EU-Gipfel in knapp drei Wochen ein Krisengipfel, glaubt Kanzler Kurz. Erst "am Tag der Abstimmung" im Unterhaus werde man das wissen.

Es bleiben viele Szenarien

Über den Plan B wollte am Sonntag niemand reden, etwa den Fall, dass Großbritannien am 30. März ungeregelt aus der EU rausfällt. Man hofft auf das Wunder im Unterhaus, ein Ja. May soll erklärt haben, dass sie dann trotzdem nicht aufgeben werde, und eine zweite Abstimmung anstrebe.

Manche Beobachter glauben, dass sie dann stürzen könnte, und ein neuer Premierminister die EU-Partner um eine Verlängerung des Austritts über den 29. März hinaus bitten könnte. Der EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) hält es sogar für möglich, dass die Briten den Brexit im letzten Moment abblasen, was per einstimmigem Beschluss aller EU-Regierungschefs möglich wäre. Aber keiner wagt zu sagen, welches Szenario eintreten wird. (Thomas Mayer aus Brüssel, 25.11.2018)