Birgit Hebein bei ihrem ersten Auftritt als neue grüne Wiener Frontfrau: "Wir sind ein Team – nur gemeinsam sind wir stark."

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Die Klimakrise, so Hebein, sei "kein Bobothema".

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Wien – "Grüß Ihnen." – Die Begrüßungsformel von Birgit Hebein bei ihrer Antrittspressekonferenz am Dienstag war durchaus überraschend gewählt. Sie mag aber ihrer Aufregung geschuldet sein, die sie auf dem Podium im 21. Stock des Saturn-Towers in Wien-Kaisermühlen auch einräumte. Dass Hebein als Siegerin aus der grünen Spitzenwahl hervorging, wurde erst Montagnacht um 23 Uhr bekannt.

"Das sickert erst schön langsam", sagte die bisherige Sozialsprecherin der Wiener Grünen. Die neue Nummer eins bedankte sich auch bei ihren Mitbewerbern: "Wir haben das Gemeinsame vor das Trennende gestellt. Auf die Expertise dieser Menschen möchte ich nicht verzichten." Ob David Ellensohn, der ihr als Dritter der Wahl deutlich unterlag, weiterhin Klubchef bleibt, "werden wir gemeinsam im Klub entscheiden", ließ Hebein recht deutlich einen Verbleib Ellensohns offen. Eine Sprecherin der Partei meinte, dass eine Entscheidung noch heuer bei einer Klausur fallen werde – nicht aber vor der Landesversammlung der Partei am Samstag.

Birgit Hebein bei ihrer Pressekonferenz am Dienstag.
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Hebein will die Partei nach der erfolgreichen Abstimmung jedenfalls weiter öffnen. Als "Maurerstochter" wolle sie die Partei auch "ein Stück weit umbauen und Akzente setzen", sagte sie. Wann die Übergabe der Ämter von Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou an sie erfolgt, will Hebein am Mittwoch mit ihr besprechen – auch hier gelte das Credo einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. Vassilakou habe sie bereits angerufen und zu ihr gesagt: "Willkommen im neuen Leben!"

Schwerpunkte Ökologie und soziale Gerechtigkeit

Als Schwerpunkte ihrer künftigen Arbeit formulierte Hebein zwei Schwerpunkte: Ökologie und soziale Gerechtigkeit. "Ich möchte beide Themen miteinander verknüpfen, das ist mir ein Herzensanliegen." Die Klimakrise sei "kein Elitenproblem, kein Bobothema". Man müsse die Stadt und ihre Menschen auf den nächsten Sommer vorbereiten. Von der Hitze im vergangenen Sommer seien "alte, kranke Menschen und Kinder am stärksten betroffen" gewesen.

Auf mögliche vorgezogene Neuwahlen in der Bundeshauptstadt angesprochen, versicherte Hebein, dass aus ihrer Sicht "Rot-Grün selbstverständlich bis zum letzten Tag arbeiten" werde. Planmäßig findet der nächste Urnengang ja erst 2020 statt. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) habe ihr noch nicht zur Wahl gratuliert, erklärte Hebein auf Nachfrage – aber es habe schon "unzählige Anrufe" aus der SPÖ" gegeben.

Bekenntnis zu Rot-Grün in Wien

Die türkis-blaue Bundesregierung habe es in nur einem Jahr geschafft, soziale Errungenschaften zu zerstören, meinte Hebein – und führte etwa den Zwölfstundentag oder die Kürzungen bei der Mindestsicherung an. Sie peilt auch mittelfristig, also auch über die Wien-Wahl 2020 hinaus, eine Zusammenarbeit mit der Wiener SPÖ an. "Ich glaube tatsächlich, dass Rot-Grün ein Gegenmodell zu Türkis-Blau ist. Wer Wien liebt, der spaltet es nicht." Aber natürlich gebe es auch Unterschiede zwischen den Grünen und dem roten Koalitionspartner.

Auf die Frage, ob die Wiener Grünen mit ihrer Wahl weiter nach links rutschen, sagte Hebein: "Ja, natürlich mache ich linke Politik. Was denn sonst?" Sie erwähnte die Themen Menschlichkeit, Menschenrechte, Gerechtigkeit und einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt. "Wenn das linke Politik ist: Was ist dann bürgerliche Politik?", fragte Hebein.

Fünf Kandidaten

Hebein setzte sich bei der Wahl, an der neben Mitgliedern auch externe Interessierte nach erfolgter Registrierung teilnehmen konnten, erst im vierten Durchzählungsprozess gegen die Gemeinderäte Peter Kraus und David Ellensohn, Bezirksrat Benjamin Kaan sowie Ärztin und Quereinsteigerin Marihan Abensperg-Traun durch.

Die Wahl wurde im sogenannten Instant-Runoff-System durchgeführt. Das Besondere daran ist, dass keine Stichwahl nötig ist, falls kein Kandidat gleich im ersten Durchgang eine einfache Mehrheit erhalten sollte – also mindestens 50 Prozent plus eine Stimme. Die Wähler konnten auf dem Stimmzettel neben ihrer Favoritin oder ihrem Favoriten auch die anderen Bewerber je nach Präferenz reihen.

Bei der Auswertung wurden zunächst die Erststimmen gezählt. Danach schied jener Kandidat mit den wenigsten Erststimmen aus. Dann kamen die jeweiligen Zweitstimmen dieses Kandidaten zum Zug, die den verbliebenen Bewerbern als Erststimme zugerechnet wurden. Dieses Prozedere musste mehrmals wiederholt werden.

Kraus hatte bis zum Finale Nase vorn

Das Interessante daran: Bei den Erststimmen hatte zunächst Kraus mit 933 Stimmen gegenüber Hebein (846) und Ellensohn (598) deutlich die Nase vorn, Abensperg-Traun verabschiedete sich als Erste mit nur 59 Stimmen.

Auch im zweiten und dritten Auszählungsdurchgang blieb Kraus vor Hebein in Führung. Kaan musste sich in Durchgang zwei mit 100 Stimmen verabschieden, bei Ellensohn war es in Durchgang drei mit 637 Stimmen so weit.

Blieb im vierten Durchgang das direkte Duell zwischen Hebein und Kraus: Hebein profitierte dabei deutlich von den Zweitstimmen jener Wähler, die Ellensohn auf dem Wahlzettel auf Platz eins gereiht hatten. Hebein überholte damit Kraus auf dem letzten Drücker. Das Endergebnis lautete 1.244 Stimmen für Hebein und 1.138 Stimmen für Kraus. (David Krutzler, Nina Weißensteiner, 27.11.2018)