Hyäne Fischer

Foto: Hyäne Fischer

Von "Hyäne Fischer" ist wenig bekannt. Wo ist sie zur Schule gegangen, wann hat sie den B- oder auch den A-Führerschein gemacht? Wurde ein Lehramtsstudium abgebrochen, warum singt sie mit bundesdeutschem Akzent im Stile der heimischen Künstlerin Gustav? Nichts. Keinerlei weiterführende Informationen. Eigentlich ist es auch nicht so wichtig, ob "Hyäne Fischer" tatsächlich als Person oder nur als Idee existiert. Im Pop geht es ja tatsächlich immer nur darum, das Leben größer zu machen, als wir uns alle es eigentlich verdient haben.

Video "Hyäne Fischer – Im Rausch der Zeit".
Hyaene Fischer

Sicher ist jedenfalls, dass die Kunstfigur "Hyäne Fischer" möglicherweise 25 Jahre jung ist und 2019 für Österreich zum Eurovision Song Contest nach Tel Aviv fahren möchte. Ihr jetzt ins Netz gestellter Song "Im Rausch der Zeit" vereint dabei auf wundersame Weise die alten Unterwanderungsansätze und ideologischen Manipulationen der slowenischen Pop- und Totalitarismus-Hütchenspieler Laibach mit den Errungenschaften von guter alter und aseptisch-kalter Synthiepop-Disco aus den 1980er-Jahren. Stichwort: Pet Shop Boys.

Statt Chören aus der Stadt der Buben ist allerdings ein in der Lodentracht des österreichischen Landadels steckender Frauenchor zu vernehmen. In der Mitte zwischen ruraler Burleske, deutscher Mutter und biedergeiler Zwischenkriegsmondäne sorgt er über Marschmusik aus dem Zeitalter der Stroboskopkugel tatsächlich für ästhetische Verstörung. Irgendwo oben am Semmering südlich von Wien wird im Video zu "Im Rausch der Zeit" voralpenländische Heimatliebe und ondulierter Patriotismus betrieben, wie er treudeutschen Buben von der juristischen Fakultät mit einer Säbelverletzung vom Schnitzelessen im Gesicht gefallen könnte. Fünf Bier fürs Sägewerk, bitte!

Beim Dreh zu "Im Rausch der Zeit".

Subversion durch Affirmation

Im Hintergrund versteckt sich bei diesem in der Geschichte der österreichischen Musik einzigartigen Husarinnenstück die völlig zu Recht berüchtigte Burschenschaft Hysteria. Sie will offensichtlich ein altes, vom slowenischen Kunstkollektiv NSK, dessen Politbüro Irwin und seiner musikalischen Abteilung Laibach im Zeichen des Testosterons und fehlgeleiteter männlicher Energie erstelltes Postulat sozusagen affirmativ-subversiv dem weiblichen Rollenbild entsprechend neu definieren. Inklusive einer Teufelsaustreibung sämtlicher Walkjanker- und Die-Kinder-der-Toten-Idyllen von Thomas Bernhard bis Elfriede Jelinek. Hier kommt der Grubenhund:

"Retroavantgarde ist die grundlegende künstlerische Vorgehensweise (...) Sie basiert auf der Prämisse, dass Traumata der Vergangenheit, die sich auf Gegenwart und Zukunft auswirken, nur geheilt werden können durch eine Rückkehr zu den ursprünglichen, auslösenden Konflikten. Die moderne Kunst hat bislang noch nicht den Konflikt überwunden, der durch die […] Assimilierung der historischen Avantgardebewegungen in die Systeme totalitärer Staaten entstand. Die übliche Wahrnehmung der Avantgarde als fundamentales Phänomen des 20. Jahrhunderts ist belastet durch Ängste und Vorurteile. Einerseits wird diese Periode naiv glorifiziert und mystifiziert, während andererseits ihr Missbrauch, ihre Kompromisse und Fehler mit bürokratischer Genauigkeit gezählt werden, um uns daran zu erinnern, dass sich eine derartig grandiose Verblendung niemals wiederholen darf." (Irwin, 1993)

Alpenländisches Idyll für deutsche Krieger: "Hyäne Fischer" beschwört das österreichische Lebensgefühl.
Foto: Hyäne Fischer

Carports mit Hirschgeweihen

Das ist schon alles ziemlich klasse, was hier von der Burschenschaft Hysteria gemacht wird. Laibach selbst haben übrigens gerade ihr neues Album "The Sound of Music" veröffentlicht, eine gewohnt guttural grundelnde und grunzende Bearbeitung des gleichnamigen Hollywood-Heimatfilms im Zeichen einer österreichischen Bodenständigkeit und Lebensbejahung, wie sie vielleicht am besten in im Salzkammergut stehenden Carports dokumentiert wird. Diese sind mit Blumenkisten und Hirschgeweihen geschmückt. Das Edelweiß gibt es nicht mehr. Es hat sich aus Verzweiflung vom Loser oder Dachstein gestürzt und ist im Traunsee ertrunken.

Wir hoffen stark, dass Hyäne Fischer auch den Falschen gefällt:

"Siehst du den Nebel in den Bergen stehn/ Spürst du den Sturm, er wird wieder vergehn/ Hörst du den Wind, er singt ein altes Lied ..." (Christian Schachinger, 28.11.2018)