Hongkong – Die Geburt der angeblich ersten genetisch veränderten Babys in China hat weltweite Empörung und nicht zuletzt die Ankündigung einer Untersuchung seitens der chinesischen Regierung ausgelöst. In Reaktion darauf hat der Wissenschafter He Jiankui von der Southern University of Science and Technology of China in Shenzhen seine Experimente ausgesetzt. Die klinischen Versuche seien "aufgrund der aktuellen Situation" gestoppt worden, sagte He am Mittwoch bei einem Gentechnik-Kongress in Hongkong. Allerdings gebe es derzeit noch eine weitere "potenzielle Schwangerschaft" im Rahmen seiner Experimente.

Der Auftritt auf dem Kongress war seit Monaten geplant, hat nun aber eine unerwartete Brisanz erhalten. He leitete seinen Vortrag mit einer Entschuldigung dafür ein, dass seine Resultate unerwartet geleakt worden seien, seine Forschungsarbeit sei bereits bei mehreren Fachmagazinen zur Überprüfung eingereicht worden. Anschließend ging er im Detail auf seine Arbeit ein.

Marcus Anhäuser

Angeblicher Schutz vor HIV-Infektion

Am Montag war bekannt geworden, dass der Wissenschafter bei einem vor einigen Wochen geborenen Zwillingspaar die DNA so verändert habe, dass ein Schutz vor einer HIV-Infektion möglich sei. Der Vater der Zwillingsmädchen sei HIV-positiv, erläuterte He nun auf dem Kongress. Für seine Versuche hätten sich insgesamt acht Paare freiwillig gemeldet: Alle Väter waren HIV-positiv, die Mütter gesund. Ein Paar sei aber vor dem Ende des Experiments ausgestiegen. Daher sei das Ergebnis vorzeitig bekannt geworden, sagte He. Dafür müsse er sich entschuldigen.

Die Babys mit den Pseudonymen "Lulu" und "Nana" waren seinen Angaben zufolge durch künstliche Befruchtung gezeugt worden, wobei das auch als Gen-Schere bekannte Crispr/Cas9-Gentechnikverfahren zur Erbgutveränderung zum Einsatz gekommen sein soll. Am Ende habe eines der Paare Zwillinge bekommen – zumindest eines der Babys sei dank des Eingriffs geschützt vor HIV-Infektionen. "Auf diesen speziellen Fall bin ich wirklich stolz", sagte He.

He will Experimente privat finanziert haben

International stieß die Nachricht auf Zweifel und scharfe Kritik. Eine unabhängige Bestätigung des angeblichen medizinischen Durchbruchs gibt es bisher nicht, die Angelegenheit rief aber die chinesischen Behörden auf den Plan: Die Nationale Gesundheitskommission kündigte eine "minutiöse Untersuchung" an. Der Vize-Minister für Wissenschaft und Technologie, Xu Nanping, bezeichnete das Experiment als illegal. Die angeblich an dem Experiment beteiligte Klinik in Shenzhen schaltete die Polizei ein.

He gab bei dem Kongress in Hongkong an, die Forschung privat finanziert zu haben, seine Universität hatte sich bereits Anfang der Woche davon distanziert und eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Auf den Vorwurf, die fragwürdigen Experimente geheimgehalten zu haben, entgegnete He, immer wieder Fachkollegen – auch aus dem Ausland – miteinbezogen zu haben. (red, APA, 28. 11. 2018)