Obdachlose werden aus der Stadt vertrieben: In Innsbruck mit einem Nächtigungsverbot, in Salzburg versucht man mit Verwaltungsstrafen gegen die Campierverordnung Menschen aus dem Park zu bekommen.

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Salzburg/Innsbruck – Es ist kalt in Salzburg – und es wird noch kälter werden. Die meisten Obdachlosen, die seit dem vergangenen Winter auf den Straßen, unter Brücken oder auf Parkbänken übernachtet haben, suchen nun Unterschlupf in den Notschlafstellen des Landes. Doch diese sind für den Zustrom nicht gerüstet. Es fehlt an Betten.

Das Haus Franziskus ist bereits seit zwei Wochen voll. Rund 30 Menschen, die in der Caritas-Einrichtung keinen Platz mehr bekommen, werden derzeit über ein Freiwilligensystem in anderen kirchlichen Einrichtungen untergebracht. Sie schlafen dort auf einer Isomatte auf dem Boden, Verpflegung gibt es nicht. Hauptsache raus aus der Kälte. Doch mindestens weitere 15 Personen schlafen laut Schätzungen der Caritas Salzburg noch draußen.

Strafen wegen Campierverbot

Zehn von ihnen haben einen Strafbescheid in der Höhe von jeweils 200 Euro von der Stadt erhalten, weil sie im Volksgarten übernachtet hatten. Begründung: Sie hätten gegen die Campierverordnung verstoßen. Weil sich die Menschen mit Plastikplanen gegen die Feuchtigkeit geschützt hatten, wurde ihnen vorgeworfen, sie hätten eine kleine Zeltstadt errichtet, berichtet die Plattform für Menschenrechte. "Wir werden die Strafen beeinspruchen", kündigt Alina Kugler von der Plattform an. Es handele sich rechtlich nicht um Campen. Die Obdachlosen hätten nicht unter Zelten geschlafen. "Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich vor Nässe und Kälte schützen, Strafe zahlen müssen", betont Kugler.

Die Kriminalisierung von Obdachlosen nimmt europaweit zu. Zuletzt erließ Ungarn ein Gesetz, demnach Obdachlosen, die auf der Straße nächtigen, eine Haftstrafe droht. Auch in Österreichs Städten werden Obdachlose immer öfter bestraft. Ein sinnloses Unterfangen, sagen Kritiker.

"Nicht genügend Plätze"

"Man kann nicht versuchen, Leute, die eh nichts haben, mit der Campierverordnung zu vertreiben", kritisiert die Salzburger Bürgerlisten-Gemeinderätin Inge Haller. "Es ist jedes Jahr dasselbe, dass wir nicht genügend Plätze haben, wenn es kalt wird." Haller fordert, die Zahl der Schlafplätze dauerhaft aufzustocken und die Sozialarbeit zu verstärken. Doch mehr Plätze sind nicht geplant. Im kommenden Jahr soll zwar mit dem Tageszentrum Haus Elisabeth, ein neues Angebot geschaffen werden, wo auch Winternotschlafplätze entstehen sollen. Gleichzeitig wird aber die Winternotschlafstelle in der Linzergasse mit derzeit 18 Plätzen geschlossen, weil keine neue Räumlichkeit gefunden wurde.

In Innsbruck ist im Vorjahr die Obdachlosigkeit gleich zum Verwaltungsdelikt erklärt worden. Das Nächtigungsverbot in bestimmten Zonen der Innenstadt wird von der Mobilen Überwachungsgruppe (MÜG) des Ordnungsamtes der Stadt kontrolliert und exekutiert. Die Obdachlosen werden geweckt und weggeschickt. In der Verbotszone sind seither keine schlafenden Obdachlosen mehr anzutreffen. Sie liegen nun eine Straße weiter.

Nächtigungsverbot menschenrechtswidrig

Auch in Innsbruck sind im vorigen Winter Geldstrafen verhängt worden, gegen die Einspruch erhoben wurde. Laut Verordnung können diese bis zu 2000 Euro gehen. Wer nicht bezahlen kann, bekommt eine Ersatzfreiheitsstrafe. Die Rechtsanwaltsanwärterin Marion Battisti hält das Nächtigungsverbot für grundgesetz- und menschenrechtswidrig. Es gibt bereits eine Erkenntnis vom Landesverwaltungsgericht. Diese wird nun mit einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof bekämpft.

Die Sozialvereine machen derzeit mit der Aktion "Armut bestraft" auf die Verdrängung von Obdachlosen und Bettlern aufmerksam. An verschiedenen Standorten in Innsbruck wurden Figuren aus Holz platziert, die den Umgang mit Armut aufzeigen. Zu sehen sind etwa die Strafbescheide.

Ein Drittel mehr wohnungslos

Mehr als 15.000 Menschen in Österreich waren im Vorjahr laut Statistik Austria als wohnungslos registriert. Das ist ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Obdach- und Wohnungslosigkeit kommt fast ausschließlich in größeren Städten vor. Rund 10.000 Betroffene lebten in Wien, etwa 2000 in Graz, 1800 in Salzburg. Die Dunkelziffer ist hoch. Denn mit den Angeboten der Wohnungslosenhilfe werden nicht alle erreicht. Mehr als ein Drittel der Betroffenen kommt laut einer Erhebung der Stadt Graz bei Verwandten oder Bekannten unter.

Obdach- und wohnungslose Männer sind stärker sichtbar als Frauen – rund zwei Drittel der erfassten Personen sind männlich. Es gebe einen Nachholbedarf in Österreich bei der Versorgung von wohnungslosen Frauen, heißt es von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo). Sie sind meist versteckt wohnungslos, von Gewalt betroffen und leben in Abhängigkeitsverhältnissen, um ihre Wohnmöglichkeit zu erhalten, oder übernachten bei Bekannten. "Housing first"-Angebote, wo Personen mit Unterstützung in Wohnungen leben, würden von Frauen eher genutzt werden als Notschlafstellen.

"Die Statistiken zeigen, dass das Durchschnittsalter sinkt und immer öfter junge Erwachsene betroffen sind", sagt Torsten Bichler, Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe Salzburg. Die meisten Betroffenen sind zwischen 15 und 29 Jahre alt. Immer häufiger wenden sich auch arbeitende Menschen und sogar Familien mit niedrigem Einkommen an die Wohnungslosenstellen. Durch die neue Mindestsicherung würde die Wohnungslosigkeit weiter steigen, warnt die Salzburger Armutskonferenz. (Stefanie Ruep, 30.11.2018)