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Der härteste Widerstand gegen die Digitalsteuer kommt aus Dänemark, Schweden und Irland. Auch die Deutschen sind skeptisch.

Foto: Reuters/Ruvic

Für eine EU-Digitalsteuer heißt es weiter warten. Trotz einer deutsch-französischen Einigung auf einen Vorschlag gab es beim EU-Finanzministerrat Dienstag in Brüssel weitere Kritikpunkte. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) als Ratsvorsitzender forderte so schnell wie möglich eine gemeinsame Lösung.

Er sei immer noch überzeugt, hier einen angemessenen Weg zu finden. In der Debatte beim Treffen der EU-Finanzminister hatten mehrere Länder – u.a. Irland, Ungarn, Luxemburg, Litauen oder Tschechien – eher eine globale Lösung auf OECD-Ebene oder auch einen breiteren Anwendungsbereich verlangt.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bedauerte die Entwicklung. "Es war heute nicht möglich, sich zu einigen, die Frist läuft". Jedenfalls sei er bereit, bis März einen Rechtstext vorzulegen. Moscovici lobte den "hervorragenden Kompromiss" Österreichs, doch habe dieser nicht für Einstimmigkeit gesorgt.

Deutschland und Frankreich hätten eine Anpassung des Anwendungsbereichs verlangt, allerdings mit einem früheren Inkrafttreten ab 2021. Der österreichische Plan sah 2022 vor. Das deutsch-französische Papier hatte von einer Übergangslösung gesprochen, die befristet bis 2025 dauern sollte. Die Kommission sei bereit, auch diese Arbeiten zu unterstützen und einen europäischen Rechtstext auszuarbeiten, denn ein "Fleckerlteppich" würde Europa schwächen. Dagegen sollte Europa lieber ein Vorreiter sein.

Enge Bemessungsgrundlage

Löger hat in seinem Vorschlag die Besteuerung von Nutzerdaten enger definiert. Es wird klargestellt, dass nur Daten von der Abgabe erfasst werden, die mit ausdrücklichem Zutun der User zu Geld gemacht werden. Das reine Erfassen von Daten löst keine Steuerpflicht aus.

Die von Löger vorgeschlagene Digitalsteuer würde auf Onlinewerbung, Plattformumsätze wie beispielsweise bei Airbnb und eben auf Geschäfte mit Userdaten erhoben. Damit will die EU Konzerne wie Google und Facebook zu höheren Steuern zwingen. Diese Unternehmen verfügen meist über keine Betriebsstätte in den einzelnen Ländern, die Einnahmen werden oft in Niedrigsteuerländer verbucht. Daher stellt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag auf den Ort ab, an dem der Konsument sitzt. Die Steuer soll drei Prozent des Umsatzes ausmachen und EU-weit knapp fünf Milliarden Euro bringen.

Im Vorfeld hatte Österreich einen Alleingang bei der Besteuerung von Onlinewerbung angekündigt, sollte die Initiative scheitern. Die allgemeine Werbeabgabe würde dann von fünf auf drei Prozent gesenkt.

Harter Widerstand aus dem Norden

Doch warum legt sich eine bunte Staatenkoalition gegen die Besteuerung von Facebook, Google und Co quer? Harter Widerstand kam aus Dänemark und Schweden. Rasmus Corlin Christensen von der Copenhagen Business School sagt, dass sich in Dänemark die Mitte-rechts-Regierung und große Teile der Wirtschaftstreibenden weitgehend einig sind: Eine Digitalsteuer wäre schädlich für das Land.

Dänemark ist stark exportorientiert, mit Maersk hat die größte Containerschiffsreederei der Welt ihren Sitz im Land. Auch in der Pharma- und Biotechbranche mischen dänische Unternehmen groß mit. Aktuell ist das internationale Steuersystem auf dem Grundprinzip aufgebaut, wonach Unternehmen in einem Land über eine Geschäftszentrale oder eine Betriebstätte verfügen müssen, um dort besteuert werden zu können.

Vorteil für exportorientierte Länder

Stark exportorientierten Ländern wie Dänemark nutzt dieses System: Die dänischen Multis verbuchen ihre Gewinne, die sie durch den Verkauf von Waren und Dienstleistungen im Ausland erzielen, zu einem erheblichen Teil in der Heimat und versteuern auch dort. "Die Furcht ist, dass eine Digitalsteuer langfristig den Umstieg zu einem anderen System bringt", sagt Christensen, "und zwar bei dem dort besteuert wird, wo Waren und Dienstleistungen konsumiert werden".

Die Digitalsteuer enthält tatsächlich einen Schritt in diese Richtung: Die EU-Kommission will mit der Abgabe künftig erreichen, dass Google und Co auch in Ländern besteuert werden können, wenn sie dort keine physische Präsenz haben. Wenn andere Staaten diesem Beispiel folgen und generell dort besteuern, wo Konsumenten sitzen, würde das Dänemarks Exporteure Geld kosten, sagt Christensen. Darum die Ablehnung.

Warnung vor Schäden

In Schweden bringen Unternehmensverbände ähnliche Argumente vor: Sie warnen, dass der große IT-Sektor im Land durch die Digitalsteuer Schaden nehmen würde. Druck kommt noch von einer anderen Seite: Der Gründer des schwedischen Musikstreaming-Anbieters Spotify, Daniel Ek, hat im März an den schwedischen Premier Stefan Löfven geschrieben und ihn davor gewarnt, der Digitalsteuer zuzustimmen. Internetanbieter, die Kunden nur Zugang zu Musik und Filmen von anderen Anbietern gewähren, wären von der EU-Digitalsteuer zwar ausgenommen. Spotify, mit einem Jahresumsatz von zuletzt über vier Milliarden Euro, wäre also gar nicht betroffen.

Doch Unternehmensgründer Ek sieht die Digitalsteuer als einen ersten Schritt in Richtung höherer Abgaben auf IT-Dienstleister und fürchtet, am Ende des Weges selbst mitzahlen zu müssen.

Der irische Tiger kämpft um sein Modell

Irland dient fast allen großen IT-Konzernen aus den USA als Steuerzentrale für ihre weltweiten Geschäfte außerhalb der Vereinigten Staaten. Die Liste mit den Unternehmen, die Irland als Hub nutzen, reicht von Facebook über Airbnb bis hin zu Apple. Irland hat diese Konzerne mit einem niedrigen Steuersatz von 12,5 Prozent ins Land geholt. Zudem wurden den Unternehmen zusätzlich günstige Regelungen im Steuerrecht eröffnet.

Im Gegenzug haben IT-Konzerne zumindest einen kleinen Beitrag zum irischen Steueraufkommen geleistet und lokal Arbeitsplätze geschaffen. Durch die Einführung einer digitalen Steuer sieht die irische Regierung dieses Modell in Gefahr. Das Finanzministerium schätzt, dass Irland durch die neue Abgabe pro Jahr 80 bis 120 Millionen Euro verlieren würde. Viele andere Länder wie Österreich, Frankreich und Spanien rechnen mit überschaubaren Mehreinnahmen. Im irischen Parlament ist die Ablehnung gegen die Digitalsteuer groß, zu den Unterstützern zählt lediglich die kleine Labour-Partei.

Allerdings: In den vergangenen Monaten haben eine Reihe von Ländern Alleingänge bei der Besteuerung von IT-Dienstleistungen, darunter auch Onlinewerbung, angekündigt oder umgesetzt, darunter Italien und das Vereinigte Königreich. Wenn es keine Einigung in der EU gibt, dürften weitere Staaten folgen. Auch diese Situation ist für Irland problematisch, sagt James Stewart vom Trinity College in Dublin, weil die Alleingänge die irische Steuerbasis ebenfalls abgraben. Deshalb war bis zuletzt nicht ganz ausgeschlossen, dass Irland einer koordinierten Lösung in der EU zustimmt, sofern man diese entsprechend den eigenen Wünschen mitgestalten kann.

Der wichtigste Player zögert und zaudert

Zu einer unangenehmen Situation entwickelt hat sich die Debatte für Deutschland. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der in Umfragen unter Druck steht, hat die Einführung der Digitalsteuer zu einem zentralen Punkt seiner Präsidentschaft gemacht. Die Franzosen haben auf starke Unterstützung aus Deutschland gebaut. Der gemeinsame Kompromissvorschlag könnte Wegweisend sein.

Im deutschen Finanzministerium unter Olaf Scholz (SPD) sah man die Steuer überwiegend skeptisch. Warum? Die Bundesrepublik nimmt derzeit mehr ein, als sie ausgibt, ist also auf zusätzliche Einnahmequellen aktuell nicht angewiesen, sagt der Steuerexperte Johannes Becker von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zudem fürchtet man auch in Berlin wie in Kopenhagen, dass eine Digitalsteuer eine Systemumstellung im globalen Steuerrecht bringt – wovon die deutschen Exporteure betroffen wären. (Andreas Schnauder, András Szigetvari, 4.12.2018)