Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fordert Gottfried Waldhäusl dazu auf, "Verantwortung für eine ordnungsgemäße Versorgung dieser unbegleiteten Minderjährigen" zu übernehmen.

Foto: Robert Newald

St. Pölten – Ein Wort kommt Johanna Mikl-Leitner am Dienstag nicht über die Lippen. "Ich will auch weiterhin auf Zusammenarbeit setzen, sowohl mit der SPÖ als auch mit der FPÖ", sagte Niederösterreichs Landeshauptfrau (ÖVP) nach einer Sitzung der Landesregierung vor Journalisten. In jeder anderen Situation hätte sie nicht von "Zusammenarbeit", sondern vom "Miteinander" gesprochen.

Aber es ist eben keine Situation wie jede andere. Mikl-Leitners "Miteinander", ihre Doktrin für Harmonie und Kooperation im Land, hat ein paar hässliche Kratzer abbekommen. Verantwortlich dafür ist Gottfried Waldhäusl, FPÖ-Landesrat für Asyl und Tierschutz – und der Stacheldraht, den er rund um eine Unterkunft für jugendliche Flüchtlinge in Drasenhofen anbringen ließ.

"Letzte Chance" nach einer "Provokation"

In Niederösterreich "entscheiden Gerichte darüber, wer ins Gefängnis kommt oder nicht, nicht Politiker", richtet die Landeshauptfrau dem Landesrat aus. Ein Stacheldraht habe in einem Quartier wie in Drasenhofen "nichts verloren". Für die schwierigen, teils schon mehrmals negativ aufgefallenen jungen Männer sei eine reine Verwahrung mit Verdacht auf Freiheitsentzug wie in Drasenhofen nicht der richtige Platz. Waldhäusls Vorgehen sieht Mikl-Leitner als "Provokation", die nicht mehr vorkommen dürfe. Sie gewährt dem blauen Landesrat noch eine "letzte Chance".

Zuvor hat die Landeshauptfrau Waldhäusl ein Ultimatum gestellt: Entweder er übernimmt die Verantwortung für die Jugendlichen, die bis Ende der Vorwoche in Drasenhofen untergebracht waren, oder ihm wird die Verantwortung für die Asylagenden entzogen. Nach einem vernichtenden Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft wurden die Jugendlichen in ein Quartier der Caritas verlegt – und wanderten damit in die Zuständigkeit von Jugendlandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).

Waldhäusl lenkte ein, nahm die Jugendlichen wieder in die Grundversorgung seines Ressorts – und versuchte, der ganzen Geschichte seinen eigenen Dreh zu geben: Er freute sich, dass nach "einem Kompetenzen-Wirrwarr" nun geklärt sei, dass er für die untergebrachten Jugendlichen zuständig sei. Die SPÖ habe die jungen Männer "in einer beispiellosen, eigenmächtigen Nacht-und-Nebel-Aktion" in das Caritas-Quartier St. Gabriel in Mödling gebracht. Dort wollte er noch am Dienstag einen Lokalaugenschein absolvieren und sich von der Caritas ein "Sicherheitskonzept für St. Gabriel" vorlegen lassen. Die nun leere Unterkunft in Drasenhofen lege er auf Eis.

Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) verteidigte in der "ZiB 2" am Freitag die Unterkunft in Drasenhofen.
ORF

Die beiden roten Landesräte wollen Mikl-Leitner mit ihrer "letzten Chance" für Waldhäusl "beim Wort nehmen" – SP-Chef Franz Schnabl hegt aber "nur wenig Hoffnung auf Besserung". Indra Collini, Landessprecherin der Neos, verweist auf die Verantwortung der ÖVP: Waldhäusl habe in der Landesregierung nichts verloren, das hätte die Landeshauptfraupartei erkennen müssen.

Waldhäusl besuchte am Dienstag St. Gabriel

Waldhäusl hat wie angekündigt noch am Dienstag die Unterkunft St. Gabriel in Maria Enzersdorf besucht. Dorthin waren laut Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner 16 unbegleitete Minderjährige aus dem mittlerweile geschlossenen Quartier in Drasenhofen gebracht worden.

Es gebe die gemeinsame Sicht, die Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft umzusetzen, sagte Schwertner am späten Nachmittag zur APA. Ausgearbeitet werden sollen ein pädagogisches Konzept und ein Sicherheitskonzept. Daran beteiligt seien auch Bürgermeister von Umlandgemeinden, denen etwa eine intensive Rund-um-die Uhr-Betreuung ein Anliegen sei, und die Polizei. "Ich bin zuversichtlich, dass wie rasch eine Lösung finden", erklärte der Caritas-Generalsekretär. St. Gabriel soll eine Einrichtung für unbegleitete Minderjährige bleiben. Es gebe noch zwei freie Plätze, so Schwertner.

Demonstration in St. Pölten

Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser fordert, Waldhäusl die Kompetenzen zu entziehen, denn "sensible Fragen gehören in sensible Hände". SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak sieht ebenfalls eine vergebene Chance, Waldhäusl die Asylagenden zu entziehen. Nun sei der nächste Schadensfall programmiert. Auch Anny Knapp, Obfrau der Asylkoordination Österreich, forderte den Ressortentzug.

Vor dem Landhaus in St. Pölten demonstrierten am Dienstag in der Früh etwa 100 Menschen gegen den blauen Landesrat. Sie forderten Waldhäusls Rücktritt. (Sebastian Fellner, 4.12.2018)