Heute muss an dieser Stelle eine Warnung ausgesprochen werden. Es soll nämlich um ein Kleidungsstück gehen, das dem französischen Präsidenten einen ordentlichen Schrecken eingejagt hat: die gelbe Weste. Längst ist sie mehr als nur neongelbe Farbe mit ein paar Reflektoren, mehr als die Kluft des einfachen Straßenarbeiters.

Die gelbe Weste ist das Outfit der Stunde, sie ist die neue Protestuniform der Franzosen – und in dieser Funktion überaus erfolgreich. Die Gelbwesten, wie ihre Träger genannt werden, haben soeben die Ökosteuer gekippt und den stolzen Präsidenten Emmanuel Macron einknicken lassen. Das ist nicht wenig in Zeiten wie diesen.


Die Gelbwesten beherrschen seit Wochen die Schlagzeilen.
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Hätte Macron nur früher genauer hingeschaut. Die Mode nämlich weiß schon länger, was Sache ist. Sie ist der Strahlkraft der Uniform der Bau- und Straßenarbeiter seit einiger Zeit erlegen. Das mag damit zu tun haben, dass sie mit ähnlichen Problemen wie der französische Sonnenkönig zu kämpfen hat. Während Macron in den 365 Barockzimmern des Élysée-Palasts gefangen scheint, ringen die Luxusunternehmen verzweifelt um die Gunst der Endverbraucher. Deren Problem: Kaum ein Konsument kann und will mehr 2.000 Euro für einen Mantel zahlen!

Im Kampf um Authentizität und Glaubwürdigkeit flirten die Marken mit der Ästhetik der Straße: Keine Streetwear-Kooperation ist derzeit zu abwegig. Es geht allerdings noch eindeutiger. Der Calvin-Klein-Designer Raf Simons ließ bereits vor Monaten Uniformen in Signal-Orange und -Gelb auflaufen.

Calvin Klein schlägt für diesen Winter gelbe Parkas mit Reflektoren vor.
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Karl Lagerfeld, mittlerweile 85, war seiner Zeit hingegen wie immer voraus. Er warb bereits vor einem Jahrzehnt für die gelbe Warnweste. Die Plakate des französischen Verkehrsministeriums mit dem schmalgehungerten Modedesigner in Anzug und neongelber Weste sind noch immer in bester Erinnerung. Das mag auch mit dem spöttischen Lagerfeld-Sager auf jenen Plakaten zu tun haben: "Sie ist gelb, sie ist hässlich, sie passt zu nichts, aber sie kann Leben retten."

Diesen Spruch würde heute wohl niemand mehr leichtfertig auf ein Plakat drucken. Er scheint im Gegensatz zur Weste, bei aller Liebe, völlig aus der Zeit gefallen. (Anne Feldkamp, 6.12.2018)