Migranten überqueren den Suchiate-Fluss, um von Guatemala nach Mexiko zu gelangen. Der Migrationspakt soll solche Gefahren verhindern.

Foto: AFP / Johan Ordonez

Am Montag wird der UN-Migrationspakt auf einer Konferenz in Marokko per Akklamation angenommen. Österreich und andere Länder sind nicht dabei. In Belgien hat der Streit um die Auslegung des Paktes zu einer veritablen Regierungskrise geführt. Was die Übereinkunft überhaupt bewirkt, wird sich aber erst zeigen. Hier die wichtigsten Fakten und Einschätzungen als Orientierungshilfe:

Wie groß ist die Aufgabe Migration?

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderorganisation der Uno, hat kürzlich neue Zahlen bekannt gegeben. Demnach schätzt sie die Zahl der Migranten weltweit auf 277 Millionen. 2013 war man noch von 232 Millionen ausgegangen. Dazu gezählt werden auch Angehörige, die nicht arbeiten, sowie Flüchtlinge. Die Zahl der sogenannten Arbeitsmigranten beläuft sich auf etwa 164 Millionen – das sind etwa 14 Millionen mehr als vor vier Jahren. Zwei Drittel von ihnen leben in Ländern mit hohem Einkommen. Geografisch gesehen leben fast 24 Prozent in Nord-, Süd- und Westeuropa, 23 Prozent in Nordamerika und knapp 14 Prozent in arabischen Staaten. Viele arbeiten auf dem Bau, als Hausangestellte im Gastgewerbe und Pflegeberufen, so die ILO. 86 Prozent der Arbeitsmigranten sind zwischen 25 und 64 Jahre alt. Herkunftsländer verlieren so ihre produktivsten Arbeitskräfte, so Manuela Tomei von der ILO. Das hemme das dortige Wirtschaftswachstum. Deshalb befürwortet sie den Migrationspakt, "um das Phänomen besser in den Griff zu bekommen".

Was genau passiert in Marrakesch?

Die Konferenz, die zur feierlichen Annahme des UN-Migrationspakts organisiert wird, findet heute, Montag, und am Dienstag in Marrakesch in einem brandneuen Gebäudekomplex am Bab Ighli statt. Quasi als Vorspiel wurden schon am Wochenende diverse Veranstaltungen durchgeführt, etwa von der Afrikanischen Union, von Unicef oder von der Unesco. Auf der Hauptkonferenz wird am ersten Tag der Pakt per Akklamation angenommen. Danach können die anwesenden UN-Mitgliedsstaaten verkünden, was sie als erste Schritte planen, um den Pakt umzusetzen. Hauptrednerin ist Madeleine Albright, einst US-Außenministerin unter Präsident Bill Clinton, und nun Leiterin des von ihr gegründeten Politikberatungsunternehmens Albright Stonebridge Group. Am Dienstag wird darüber diskutiert, wie lokale Behörden, Medien, Zivilgesellschaft oder Privatwirtschaft zusammenarbeiten können, um den Migrationspakt zu implementieren. Hauptrednerin an diesem Tag wird Ellen Johnson Sirleaf sein, von 2006 bis 2018 Präsidentin von Liberia und Friedensnobelpreisträgerin.

Welche Auswirkungen wird der Pakt haben?

Das ist die Frage aller Fragen. Demetrios Papademetriou beantwortet sie folgendermaßen: "In Marrakesch werden die Anwesenden wunderbare Dinge verkünden, was sie alles tun werden", so der Mitgründer des Migration Policy Institute in Washington zum STANDARD, "aber die richtige Arbeit beginnt danach". Weil der Pakt nicht verbindlich ist, hängt es allein vom Willen der Regierungen ab, was daraus gemacht wird. "Da gibt es jene Länder, die zustimmen, aber hoffen, nichts tun zu müssen", so Papademetriou. "Und dann gibt es jene, die zustimmen und hoffen, dass der Druck auf andere Länder erhöht wird, auch etwas dazu beizutragen, um die Herausforderungen hinsichtlich Migration zu meistern." Ein wirkliches Fazit könne man daher erst später ziehen. Adel-Naim Reyhani vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte sieht das zumindest für die Regionen außerhalb Europas ähnlich: "Es wird davon abhängen, wie die Umsetzungsmechanismen greifen." Für die EU als Ganzes sieht er keine großen Auswirkungen, "weil es keine geeinte politische Unterstütung gibt".

Welche Auswirkungen wird der Pakt nicht haben?

Auszuschließen ist auf alle Fälle, dass Migration einmal eine überstaatliche Angelegenheit wird. "Zehn, 15, 20 Jahre von jetzt an: Ich sehe es einfach nicht", sagt Demetrios Papademetriou. Unwahrscheinlich sind auch größere Kanäle der legalen Migration, auch wenn sich das wenig überraschend viele Herkunftsländer wünschen. Dazu fehlt der politische Wille. Und dass der Pakt irgendwann einmal in völkerrechtliches Gewohnheitsrecht mündet, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Dafür wären umfassende migrationsbefürwortende Praktiken eine Voraussetzung. Davon gehen Experten wie der österreichische Menschenrechtsexperte Manfred Nowak aber in absehbarer Zeit nicht aus. Auf den Punkt gebracht: Migration ist laut Papademetriou der heikelste Bereich überhaupt. Ob mit oder ohne Pakt, "es werden immer die Regierungen wie jene Österreichs entscheiden, wer in ihr Land kommt, und wer nicht". Dieser sensible Bereich, so Papademetriou abschließend, "zeigt auf die ehrlichste und deutlichste Weise den Charakter eines Landes und seiner Bevölkerung". (Kim Son Hoang, 10.12.2018)