Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hält in Marrakesch eine Rede.

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Tausende Migranten aus Zentralamerika marschierten über einen Monat lang Richtung US-Grenze.

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Der "Zirkus" ist da. So hat ein renommierter Migrationsforscher, der an dieser Stelle ungenannt bleiben soll, das bezeichnet, was sich am Montag und Dienstag in Marrakesch abspielt – wenn sich geschätzte 5.000 bis 6.000 Menschen aus aller Welt einfinden, um der feierlichen Annahme des UN-Migrationspakts beizuwohnen.

Die Manege, in der sich alles abspielt, ist ein kleiner Traum, den Gastgeber Marokko extra für die Konferenz aus dem Boden gestampft hat. Ein brandneuer Gebäudekomplex am Bab Ighli, nicht weit entfernt von Marrakeschs berühmter Medina. Verziert mit zahlreichen Palmen, während im Hintergrund das Atlasgebirge den strahlend blauen Himmel ankratzt. Die angenehmen 23 Grad am Tag machen die ganze Szenerie dann perfekt. Es ist fast schon kitschig.

Leerer Platz in der ersten Reihe

Am Vorabend machte der rote Teppich noch einen erbärmlichen, weil halbfertigen Eindruck. Pünktlich am Montag um 7.30 Uhr war aber auch hier alles erledigt, konnten die hochrangigen Staatenvertreter gebührend empfangen werden. Österreich, das sollte mittlerweile bekannt sein, verzichtet auf Marrakesch, verzichtet darauf, den Migrationspakt zu unterstützen. Der Platz in der ersten Reihe bleibt also leer, genauso wie einige andere.

Von den 193 UN-Mitgliedsstaaten sind 164 anwesend. "Bei Konferenzen außerhalb des UN-Hauptsitzes in New York kommen nie alle. Diese Zahl liegt so gesehen im üblichen Bereich", erklärte Louise Arbour, UN-Sonderbeauftragte für internationale Migration. Bulgarien, Estland, Italien, Israel, Slowenien und die Schweiz könnten den Pakt später annehmen, sie beraten noch. Offiziell die Absichtserklärung verweigert haben laut Uno neben Österreich noch Australien, Tschechien, die Dominikanische Republik, Ungarn, Lettland, Polen, die Slowakei, die USA und Chile. Das sind zehn Länder, zu den restlichen 13, die abwesend sind, gab es vorerst keine weiteren Infos.

Laut den Organisatoren sind 81 Minister sowie 18 Staatsoberhäupter beziehungsweise Regierungschefs angereist. Der wohl prominenteste Name ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sollte auch im Lauf der Konferenz als Rednerin auftreten.

Süd-Süd statt Süd-Nord

Zunächst war aber UN-Generalsekretär António Guterres an der Reihe, um die Konferenz zu eröffnen. "Der Pakt ist das Ergebnis leidenschaftlicher Arbeit. Er soll als Roadmap dienen, um Leid und Chaos zu verhindern", sagte der Portugiese. Ausführlich widmete er sich dann den vielen Falschinformationen, die von Gegnern des Pakts verbreitet wurden: "Falsch: Es ist kein Vertrag. Falsch: Die nationale Souveränität wird nicht berührt. Falsch: Es gibt kein neues Menschenrecht auf Migration. Falsch: Die weltweite Migration findet nicht vorwiegend von Süd nach Nord statt, sondern von Süd nach Süd." 80 Prozent der afrikanischen Migranten etwa bleiben auf dem Kontinent. Falsch ist laut Guterres zudem: "Industriestaaten brauchen keine Migration." Dabei erzählt er exemplarisch von seiner Großmutter, die in Portugal aus Mangel an einheimischen Kräften von einer Migrantin gepflegt wurde.

Einige Reden später ist es schließlich so weit: Der Migrationspakt wird per Akklamation angenommen. Der dafür benötigte Beifall ist zu Beginn noch verhalten, offenbar sind viele ob des Prozederes unsicher. Irgendwann klatscht aber doch der gesamte Plenarsaal mit. Mit dem in 18 Monaten ausgearbeiteten Pakt sollen die Probleme rund um Migration weltweit besser angegangen werden. 23 Ziele wurden formuliert, darunter die Verhinderung illegaler Migration und der Kampf gegen Schlepper. Weltweit gibt es laut jüngsten Zahlen 277 Millionen Migranten.

"Es lohnt sich, um den Pakt zu kämpfen"

Weit mehr Applaus erhält später aber Angela Merkel. "Die Vereinten Nationen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Ich stehe nun hier als Kanzlerin Deutschlands, eines Landes, das damals durch puren Nationalismus so viel Leid gebracht hat", sagte sie und erinnerte daran, dass vor genau 70 Jahren die Menschenrechtserklärung verabschiedet wurde. "Es lohnt sich, um den Pakt zu kämpfen, denn im Kern geht es bei den Diskussionen um die Frage des Multilateralismus. Aber nur so wird die Welt besser, nationale Alleingänge können die Probleme nicht lösen." Ende der Rede, Standing Ovations.

Am Dienstag wird die Konferenz mit Gesprächen darüber fortgesetzt, wie man den Pakt umsetzen kann. Am 19. Dezember soll er dann via Resolution in der UN-Generalversammlung angenommen werden – zwei Tage nach dem UN-Flüchtlingspakt. Wie es dann mit dem Migrationspakt weitergeht, hängt von den Ländern ab. Denn, wird einmal mehr betont, sie sind zu nichts verpflichtet.

Und was gibt es noch zu den zahlreichen Gegnern des Migrationspakts zu sagen? Hätte die Uno mehr machen können, um das zu verhindern? "Man kann immer mehr machen", erklärt Sonderbeauftragte Arbour. "Es hätte aber nicht die Meinung jener geändert, die dagegen sind und teilweise den Pakt gar nicht gelesen haben. Es wäre ein Dialog mit Leuten gewesen, die für diese Sache taub sind." (Kim Son Hoang aus Marrakesch, 10.12.2018)