Ende des 18. Jahrhunderts wandern Naturforscher und Maler durch die Länder der österreichischen Monarchie. Ihre Beobachtungen und Aufzeichnungen in schriftlicher und bildlicher Form zählen zu den Pioniertaten einer neuen, vom Geist der Aufklärung durchdrungenen Wissenschaft vom Menschen und seiner Stellung in Natur und Geschichte. Die Neugier und der Wille zum Wissen, das Interesse und die Anteilnahme am Leben, an den Gebräuchen, den Sitten und den materiellen Verhältnissen der Menschen bestimmt auch die Erziehung der Prinzen aus dem Hause Habsburg und prägt ihr Handeln und Denken. Der junge, aus Florenz nach Wien gezogene Erzherzog Johann erwandert und bereist unermüdlich die Alpenländer, berauscht von der Schönheit der Natur und dem einfachen, offenen Wesen seiner Bewohner. Als Generaldirektor des Fortifikationswesens ist er während der napoleonischen Kriege verantwortlich für die Festungsbauten und leidet unter den militärischen Niederlagen Österreichs und den politischen Erfolgen Napoleons.

Jakob Alt, Stift Admont 1835.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Neues Interesse am "einfachen Volk"

Seine Anteilnahme, sein Interesse und seine ganze Liebe gelten jedoch dem Land und den Menschen. Er beauftragt die Kammermaler Kurt Ruß, Johann Jakob Gauermann, Matthäus Loder und Thomas Ender in einem umfassenden Bildprogramm die ethnographische Bestandsaufnahme der Steiermark und der Alpenländer zu verwirklichen. Mit der Gründung des erblichen Kaisertums Österreich 1804 wird die Beschreibung der Länder und der Einwohner des österreichischen Imperiums Teil eines politischen Programms. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfahren namhafte Künstler wie Georg Vinzenz Kininger, Karl Ludwig Viebeck, Franz Jaschke, Eduard Gurk, Jakob und Rudolf Alt allerhöchste Unterstützung für ihre Reisen und Bebilderungen der schönsten Gegenden und Landschaften des Kaisertums Österreichs und seiner Bewohner. Sie finden politische und programmatische Hilfe bei politischen Autoren und Verlegern, die in patriotischen Schriften und repräsentativen Buchausgaben für die Verbreitung ihrer Werke sorgen.

Vincenz G. Kininger nach Vorlage von M. Lodder, Alpen Mädchen von der Sonnschein Alpe (Steiermark).
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Das Interesse am Land, an den Bewohnern und das Beschreiben ihres "Nationalcharakters" wurde gegen Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur zu einem zentralen Thema der Wissenschaft, sondern es bestimmte ganz wesentlich auch das geistige Leben in den Salons, die Publizistik, die Kunst und die staatsbürgerliche Erziehungspolitik. In ganz Europa erkannten Verleger und Publizisten das ökonomische Potenzial des neu erwachten Interesses am "einfachen Volk" und an einer bildlichen Darstellung von Land und Leuten. Bestärkt durch dieses Interesse konnten Gelehrte und Naturforscher die Ergebnisse ihrer geografischen und geologischen Beobachtungen und ihre Reisebeschreibungen in aufwändigen Werken mit kolorierten Kupferstichen versehen, die im 19. Jahrhundert vielfach kopiert und publiziert werden sollten. Vor allem Balthasar Hacquets (um 1739-1815) pionierhafte Beschreibungen seiner Reisen durch die Ostalpen und die Karpaten, seine Darstellungen der slawischen Völker der Monarchie, aber auch seine, zutiefst von den Idealen Josephs II. geprägten Beschreibungen der Volksstämme Galiziens und der Bukowina wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts bestimmend für eine nahezu zeitlose, in Bild und Text sich wiederholende Wahrnehmung dieser Regionen und ihrer Bewohner.

Über die Völker der österreichischen Monarchie

Doch auch die bereits etablierten Künstler und Lehrer an der Akademie beteiligten sich an der Produktion und kommerziellen Verwertung der patriotischen Bilder. So publizierte Vinzenz Georg Kininger (1767-1851) nach einer Reihe von Kaufrufen gegen Ende des 18. Jahrhunderts zwischen 1803 und 1821 bei Tranquillo Mollo eine Serie von Trachten- und Kleiderkostümen über die Völker der österreichischen Monarchie.

Karl Heinrich Rahl nach Zeichnung von Karl L. Viebeck, Sankt Michael im Lungau, 1821.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Für einen Teil der Blätter kopierte Kininger Illustrationen aus den Werken von Balthasar Hacquet. Als überzeugter Anhänger Josephs II. verachtete Hacquet alle Formen von überkommenen Traditionen, den Adel, den Klerus und alles, was außerhalb seines aufgeklärten Kulturverständnisses lag. Insbesondere die Darstellung der Roma und der Juden blieb in Hacquets Bewertungsrahmen ausschließlich negativ und von Vorurteilen behaftet. Erstaunlich ist die Nachhaltigkeit, mit der seine Beschreibungen und Bilder von vagabundierenden Zigeunern und reichen, in teuersten Stoffen gekleideten galizischen Juden im 19. Jahrhundert rezipiert und in ganz Europa verbreitet wurden.

Trachten-Bilder als "Werbeträger" 

Bereits 1804 wurde die erste Serie der Kleidertrachten-Bilder Kiningers vom englischen Verleger William Miller neu herausgegeben, mit Stichen von William Ellis und einer textlichen Bearbeitung in Englisch und Französisch durch Antoine François Bertrand de Molleville (1744-1818). Bertrand de Moleville war eine wahrlich schillernde Figur des Ancien Regime mit einem besonderen Bezug zum habsburgischen Kaiserhaus. Von 1784 bis 1789 war Moleville Intendant der Bretagne und 1789 verantwortlich für die Auflösung der Nationalversammlung. Von 1789 bis 1792 organisierte er als Minister der Marine und der Kolonien die massenhafte Emigration von Offizieren. 1792 wurde er Chef der Geheimpolizei Ludwigs XVI., Mitglied des sogenannten österreichischen Komitees (comité autrichien) und versuchte die Flucht des französischen Königs Ludwigs XVI. und Marie-Antoinettes, der Tochter Maria Theresias, zu organisieren. Nach dem Scheitern aller seiner Operationen floh Bertrand de Moleville nach England und trat vor allem als Schriftsteller in Erscheinung. Er publizierte eine Geschichte der Französischen Revolution bis zum Tod Ludwigs XVI. aus royalistischer Perspektive und eben auch den – durchaus als Gegenmodell zum revolutionären Frankreich zu lesenden – Bildband über die friedvoll unter dem Band der Dynastie vereinten Völker der österreichischen Monarchie.

Karl Mayrhauser, Gefecht zwischen französischen Soldaten und Tiroler Bauern, 1827.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Eine nicht minder schillernde Figur war Alexandre de Laborde (1773-1842), der Autor einer Bilderreise durch die österreichischen Länder, die von ihm 1809 in Auftrag gegeben wurde und die 1821/1822 in drei Bänden in Paris unter dem Titel "Voyage pittoresque en Autriche" erschien.

Mehrere Initiativen parallel

Es ist bemerkenswert, dass der Grundstein zu dieser Arbeit zu einem Zeitpunkt gelegt wurde, als Erzherzog Johann seine Ideen zu einer umfassenden innerösterreichischen Landesaufnahme zu realisieren begann, und auch seine Brüder Rainer und Ludwig auf ihren Besichtigungsreisen durch Ungarn, Siebenbürgen und die Militärgrenze von einem Künstler begleitet wurden. Von 1807 bis 1808 begleitete der akademische Maler Franz Jaschke Erzherzog Ludwig in dessen Funktion als Grenzdirektor auf seiner Besichtigungsreise durch die Militärgrenze und 1810 Erzherzog Rainer auf der Reise durch die Bukowina, Galizien, Siebenbürgen und Ungarn. Ebenso wie Laborde publizierte Jaschke seine Werke erst viele Jahre nach den Napoleonischen Kriegen in einem prächtigen Bildband, erschienen bei Anton Strauss in Wien 1821. 

Franz Jaschke, Ansicht der Ruinen des Schlosses Visegrád in Ungarn, 1820.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Neben diesen überaus repräsentativen und von der hohen Politik geförderten Unternehmen gab es auch andere Initiativen zu einer patriotischen Erfassung der Schönheiten des Vaterlandes. Im Jahre 1811, zur selben Zeit als Erzherzog Johann mit der Gründung des Joanneums seine Idee eines österreichischen Nationalmuseums zu verwirklichen begann, setzte sich Karl Ludwig Viehbeck (1769-1827), ein künstlerisch begabter Autodidakt und Hauptmanns der österreichischen Armee zum Ziel, mit einer malerischen Reise durch die schönsten Alpengegenden des österreichischen Kaiserstaates ein patriotisches Werk zu schaffen, an dem mehrere junge Maler als Illustratoren mitarbeiten sollten. Viehbeck reiste selbst durch die Lande, zeichnete topographische Ansichten und Landschaftsskizzen, die von jungen Künstlern ausgeführt wurden. Bis 1821 beschäftigte Viehbeck, dessen Unternehmen mehrmals ins Stocken geriet, unter anderem Johann Adam Klein, Carl Heinrich Rahl, Jakob Gauermann und auch den jungen Jakob Alt. 1819 ersuchte Viehbeck für den Abschluss des Projektes bei Kaiser Franz um allerhöchste Unterstützung und erhielt auch eine Zusage. Bis 1821 entstanden über 70 Blätter, die in einer großen Ausstellung der Akademie im Jahre 1822 öffentlich präsentiert wurden. Die Originalblätter wurden für die Privatbibliothek des Kaisers erworben.

So fanden in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts, als sich die österreichische Monarchie politisch, kulturell und wirtschaftlich nach langen Jahren des Krieges stabilisieren konnte, auch die bildlichen Darstellungen des Landes und seiner Bewohner einen neuen Aufschwung. Die Grundlagen waren zu Anfang des Jahrhunderts gesetzt worden und sie fanden in den Folgejahren ihre Fortsetzung und ihren künstlerischen Höhepunkt in den Bildserien über die Monarchie, die Eduard Gurk und Jakob und Rudolf Alt und Leander Russ für das Kaiserhaus herstellten und die als Guckkastenbilder Kaiser Ferdinands I. Berühmtheit erlangten. (Hans Petschar, 18.12.2018)

Hans Petschar ist Historiker und Direktor von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

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